Am Dienstag hat der russische Außenminister Sergei Lawrow auf Initiative der USA ein Telefongespräch mit US-Außenminister Antony Blinken geführt. Während des Telefonats besprachen sie die zuvor von Russland angebotenen Sicherheitsgarantien sowie die Ukraine-Krise.
Sergei Lawrow bezeichnete die Reaktion der USA auf die Forderung Russlands, die Vereinbarungen über die Unteilbarkeit der Sicherheit gewissenhaft umzusetzen, als negativ. Lawrow erklärte:
"In der Schlüsselfrage, die uns im Allgemeinen veranlasste, uns mit Initiativen an die Vereinigten Staaten und das nordatlantische Bündnis zu wenden, war die Reaktion negativ. Ich meine unsere Forderungen, dass alle die Vereinbarungen zur Unteilbarkeit der Sicherheit, die im Jahr 1999 in Istanbul und im Jahr 2010 in Astana innerhalb der OSZE getroffen worden waren, gewissenhaft umsetzen."
Die Reaktion der USA auf die Vorschläge Russlands zu Sicherheitsgarantien in der vergangenen Woche zeige, dass die US-Amerikaner es vorzögen, auch auf ihre Weise wichtige, aber zweitrangige Fragen zu erörtern. Lawrow merkte an, dass der Westen gleichzeitig dazu neige, das Schlüsselprinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit völlig zu vergessen. Der russische Außenminister sagte:
"Sie priorisieren buchstäblich ausschließlich das Prinzip der Bündnisfreiheit und ignorieren dabei völlig die auf höchster Ebene vereinbarte Bedingung, dass die Sicherheit anderer Staaten nicht verletzt werden darf."
Um dies zu verhindern, beschrieb Lawrow Russlands Position in einer separaten Botschaft im Detail und sandte sie an alle Außenminister der OSZE-Staaten und eine Reihe weiterer Staaten. Er fügte hinzu, Moskau sei auch besorgt darüber, dass andere NATO-Staaten, zum Beispiel Frankreich, kürzlich durch ihren Außenminister erklärt haben, dass sie auf der Grundlage von Dokumenten, die der Annahme der Charta von Istanbul und der Erklärung von Astana vorausgingen, auf der Notwendigkeit bestehen, Sicherheit zu gewährleisten. Hierbei würden sie insbesondere die Charta von Paris zitieren, ein Dokument des Pariser OSZE-Gipfels von 1990, in dem nicht gefordert worden war, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer zu stärken.
Der russische Außenminister betonte, dass Russland auf einem ehrlichen Gespräch mit der NATO bestehen und eine Erklärung dafür suchen werde, warum der Westen nicht gewillt sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Lawrow teilte mit:
"Heute habe ich Antony Blinken bestätigt, dass dies immer noch ein Thema ist, das wir nicht zum Abschluss bringen werden. Wir werden auf ein ehrliches Gespräch und eine ehrliche Erklärung bestehen, warum der Westen seine Verpflichtungen nicht oder ausschließlich selektiv zu seinen Gunsten erfüllen will."
Lawrow sagte auch, Moskau werde die ressortübergreifende Koordinierung der Vorschläge Washingtons abschließen, die im Rahmen der Diskussion über Sicherheitsfragen eingegangen seien, und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorlegen. Er stellte außerdem fest, dass die heute verbreitete Nachricht, dass die Vereinigten Staaten angeblich eine Antwort Moskaus auf ihre Sicherheitsvorschläge erhalten hätten, auf einem Missverständnis beruhe:
"Heute haben wir tatsächlich eine Nachricht des US-Außenministeriums über die angebliche Antwort Moskaus auf das Dokument gehört, das die US-Amerikaner als Reaktion auf unsere ersten Vorschläge für Sicherheitsgarantien in Europa geschickt haben. Hier liegt ein Missverständnis vor."
US-Außenminister Antony Blinken erklärte im Telefongespräch mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, dass Washington bereit sei, weiterhin Sicherheitsfragen mit Moskau zu erörtern. Dies teilte der Pressedienst des US-Außenministeriums nach dem Gespräch mit. In der Erklärung heißt es:
"Antony Blinken sprach heute mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow im Anschluss an die schriftliche Antwort der USA auf die russischen Sicherheitsvorschläge. Der US-Außenminister unterstrich die Zusage der USA, auf bilateraler Ebene und mit Verbündeten und Partnern einen substanziellen Austausch mit Russland über sicherheitsrelevante Fragen von gemeinsamem Interesse fortzusetzen, was wir in voller Abstimmung mit unseren Partnern und Verbündeten tun wollen."
Der US-Außenminister wies auch auf die Notwendigkeit hin, die Spannungen im Zusammenhang mit der Ukraine abzubauen, und erklärte, dass alle Länder das Recht haben, eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen und sich für Bündnisse zu entscheiden. In der Erklärung heißt es:
"Blinken betonte auch das Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine und zum Recht aller Länder, ihre Außenpolitik und ihre Bündnisse selbst zu bestimmen. Der US-Außenminister forderte eine sofortige Deeskalation und den Rückzug von Truppen und Ausrüstung von den Grenzen zur Ukraine. Er betonte, dass ein weiteres Eindringen in die Ukraine unmittelbare und schwerwiegende Folgen haben würde, und forderte Russland auf, den Weg der Diplomatie zu beschreiten."
Am 17. Dezember vergangenen Jahres hatte das russische Außenministerium den Entwurf von Vereinbarungen über Sicherheitsgarantien veröffentlicht, die Moskau von Washington und der NATO erwartet. Die beiden Vereinbarungen mit den USA und mit den Mitgliedern des NATO-Bündnisses sehen unter anderem einen Verzicht auf eine NATO-Osterweiterung vor einschließlich einer Nichtaufnahme der Ukraine sowie Beschränkungen für die Stationierung schwerer Angriffswaffen, insbesondere von Atomwaffen. Es fanden bereits mehrere Konsultationsrunden in verschiedenen Formaten statt, aber es wurden noch keine Vereinbarungen angekündigt.
Am 26. Januar übergaben die USA und die NATO Russland schriftliche Antworten auf die Vorschläge zu den Sicherheitsgarantien. Washington bat darum, den Text dieser Dokumente nicht zu veröffentlichen, aber US-Außenminister Antony Blinken und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg führten die wichtigsten Bestimmungen auf. Diesen Erklärungen zufolge habe der Westen Russland keine prinzipiellen Zugeständnisse gemacht, sondern die Richtung für weitere Verhandlungen vorgegeben.
In westlichen Ländern wie auch in Kiew wurde in jüngster Zeit über einen möglichen Einmarsch Russlands in die Ukraine gesprochen. Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, bezeichnete diese Informationen als eine leere und unbegründete Eskalation der Spannungen. Er betonte, dass Russland keine Bedrohung für irgendjemanden darstelle. Gleichzeitig schloss Peskow die Möglichkeit von Provokationen zur Rechtfertigung solcher Erklärungen nicht aus und warnte, dass Versuche, die Krise im Südosten der Ukraine mit Gewalt zu lösen, schwerste Folgen haben würden.
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