Vor wenigen Jahren hatten die schwedischen Haushalte Post ihrer Regierung in den Briefkästen. Eine Broschüre, die auf den Ernstfall einer Krise oder gar eines Krieges vorbereiten sollte. Vorräte sollten angelegt werden. Das neutrale Schweden, welches weiterhin den Status eines NATO-Gastlands innehat, führte der Öffentlichkeit am Wochenende nun auf ungewöhnliche Weise seine militärische Stärke vor Augen.
Für die Inselbewohner Gotlands kam es am Wochenende zu einem Ausnahmezustand. Panzer und Soldaten "schützten" den Flughafen Wisby (Visby) und Küstengebiete. Grund hierfür war die Sichtung von drei russischen Landungsschiffen in der Ostsee. Der größte Feind des NATO-Gastlands Schweden ist zwangsläufig weiterhin Russland. Angesichts der Ukraine-Krise scheint diese Bedrohung in den Augen der schwedischen Regierung und des Militärs enorm gestiegen zu sein.
Der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist erklärte die verstärkte Militärpräsenz auf Gotland damit, dass sein Land seine Interessen verteidigen müsse. Allerdings bleibe das Risiko eines bewaffneten Konflikts gering.
Der Einsatzleiter der schwedischen Streitkräfte Michael Claesson aber sprach gegenüber der schwedischen Presse von einer allgemeinen Verschlechterung der Sicherheitslage. Russland versuche auf unterschiedliche Arten die Wahrnehmung der Menschen zu beeinflussen:
"Sie haben sich auch wieder in Richtung West-Nordwest auf den Weg gemacht und sind mit verschiedenen Arten von Fracht auf dem Weg aus der Ostsee. Es gibt eine Art Sicherheitsverschlechterung geringer Intensität, was bedeutet, dass nicht nur offene Kriegshandlungen oder militärische Gewalt als Komponenten enthalten sind, sondern auch Cyberangriffe und lange Listen von Einflussnahmeaktivitäten, die man über soziale Medien versucht und andere Medien, um die Wahrnehmung der Menschen zu beeinflussen."
Claesson musste jedoch einräumen, dass die Präsenz von Schiffen auf der Ostsee an sich nicht ungewöhnlich sei. Dennoch habe sich "das normale Bild" verändert. Für den schwedischen Verteidigungsminister Hultqvist gehe es nun darum, den "Frieden zu bewahren". Auf der schwedischen Verteidigungskonferenz vergangene Woche machte Hultqvist der russischen Führung folgende Vorwürfe:
"Das gesamte europäische Sicherheitssystem wird durch das Vorgehen Russlands infrage gestellt und bedroht. Russland sollte sich als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats in besonderer Weise dafür verantwortlich fühlen, die UN-Prinzipien aufrechtzuerhalten."
Die Kritik Moskaus über einen möglichen offiziellen Beitritt Schwedens zur NATO sowie über Beitrittsersuchen ehemaliger Sowjetrepubliken wies er zurück. Es sei nicht verhandelbar, dass Staaten ihr Recht auf eigene sicherheitspolitische Entscheidungen einfordern. Wichtig hingegen sei ein sicherheitspolitischer Dialog.
Der Oppositionsführer Ulf Kristersson von der Moderaten Sammlungspartei fordert unterdessen, Schweden und Finnland sollten eine NATO-Option erklären, wonach sich die Länder nach eigenem Ermessen offen vorbehalten, ob für sie eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis infrage kommt.
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