Seit der Machtübernahme der Taliban durchleidet Afghanistan eine schwere Wirtschaftskrise, in Teilen des Landes herrscht zudem eine anhaltende Dürre. Die Vereinten Nationen planen für das kommende Jahr ein Hilfs- und Dienstleistungsprogramm in Afghanistan im Wert von 8 Milliarden US-Dollar, da die Taliban-Regierung weiterhin Wirtschaftssanktionen des Westens unterliegt und noch keine diplomatische Anerkennung auf der internationalen Ebene erreicht hat.
Von der Bereitstellung warmer Mahlzeiten für die Kinder in den Schulen, über die Schaffung von Arbeitsplätzen bis hin zu der Suche nach Wegen, Afghanistans Energierechnungen an die Nachbarländer zu bezahlen – der Plan der Vereinten Nationen soll zahlreiche Maßnahmen umfassen. Die UNO-Hilfe werde aber auch über ihre derzeitige humanitäre Mission hinausgehen und auf den Wiederaufbau der Regierungssysteme und der sozialen Dienste abzielen.
Afghanistan schuldet seinen zentralasiatischen Nachbarn und Iran mehr als 100 Millionen Dollar für die Stromversorgung. In diesem Winter könnte diese sogar unterbrochen werden, sodass die Städte ohne Strom dastünden. Die afghanische Wirtschaft ist seit der Machtübernahme der Taliban im August um mindestens 40 Prozent geschrumpft, während die USA Vermögenswerte der afghanischen Zentralbank in Höhe von rund 9 Milliarden Dollar eingefroren haben. Die harten Finanzsanktionen haben das Bankensystem des Landes faktisch lahmgelegt.
Viele Gehälter, insbesondere im öffentlichen Sektor, sind seit Monaten nicht bezahlt worden, während die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe schnellten und die afghanische Landeswährung gegenüber dem Dollar ein Viertel an Wert verlor. Nach Angaben der UNO stehe die Hälfte des Landes am Rande des Hungertodes.
Der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Ramiz Alakbarov, erklärte gegenüber dem Wall Street Journal, dass eine Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit etwas Vertrauen in die Zukunft wecken und die Massenflucht von Flüchtlingen verhindern könnte. Afghanistans Nachbarn und Länder in Europa befürchten zudem, dass eine wirtschaftliche Implosion Millionen verzweifelter Afghanen über die Landesgrenzen hinweg treiben könnte.
Mehr als 130 Taliban-Funktionäre und -einheiten wurden bereits mit Sanktionen belegt. Darüber hinaus wurde das Haqqani-Netzwerk, ein mächtiger Zweig der Taliban, der von Innenminister Siradschuddin Haqqani geleitet wird, von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die Freigabe der UN-Mittel zur humanitären Unterstützung ist möglich geworden, da die USA am 22. Dezember einige Ausnahmen für ihre Sanktionen gegen Afghanistan erlassen hatten.
"Die Fortsetzung der Sanktionen gegen Afghanistan sei kein Schutz der Menschenrechte, sondern eine Bestrafung des einfachen Volkes", twitterte der Taliban-Sprecher Suhail Shaheen.
Außenministerin Annalena Baerbock will darüber hinaus die Ausreisemöglichkeiten für sogenannte "schutzbedürftige" Afghanen erweitern. Das kündigte sie am Donnerstag in einem Aktionsplan für das Land an. Afghanistan drohe die "größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit", sagte sie.
Die Lage in dem zentralasiatischen Land verschärft sich insbesondere dadurch, dass der Westen nicht bereit ist, die gesperrten Konten des afghanischen Staates freizugeben. Nach Angaben der afghanischen Zentralbank sind allein in Deutschland 431 Millionen Dollar an Zentralbankreserven auf einem Konto der Commerzbank eingefroren, und weitere 94 Millionen bei der Bundesbank. Im schweizerischen Basel, bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, liegen zudem etwa 660 Millionen.
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