Berichten zufolge hat US-Verteidigungsminister Lloyd Austin entschieden, dass kein Mitglied des US-Militärs, das an dem Drohnenangriff in Kabul am 29. August 2021 beteiligt war, in irgendeiner Weise bestraft werden wird. Bei diesem Angriff wurden 10 Zivilisten getötet, darunter sieben Kinder.
Sami Dia Said, Generalleutnant und Generalintendant der US-Luftwaffe, hatte den Drohnenangriff vom 29. August untersucht und keine rechtlichen Verstöße festgestellt. Die Entscheidung über Disziplinarmaßnahmen, Verweise oder Degradierungen der beteiligten Personen hatte er den jeweiligen befehlshabenden Offizieren überlassen. Nun hat der US-Verteidigungsminister den Empfehlungen des Leiters des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth F. McKenzie, und des Befehlshabers der US-Spezialoperationen, Richard D. Clarke, zugestimmt. Austin zufolge sei eine Bestrafung nicht notwendig, berichtete die New York Times am Montag.
Said, der die Untersuchung der Air Force leitete, hatte vergangenen Monat im Pentagon in Anwesenheit von Journalisten erklärt, dass, nur weil er niemanden wegen des schwer verpfuschten Angriffs bestraft habe, dies nicht bedeute, dass das Kommando dies nicht tun würde. Der Generalintendant der US-Luftwaffe erklärte:
"Sie können den Leuten Qualifizierungen entziehen. Sie können die Leute querversetzen und neu ausbilden. Sie können Leute entlassen. Sie können eine ganze Reihe verschiedener Dinge tun."
In einem ersten Bericht der New York Times wurde ein hoher Beamter zitiert, der anonym bleiben wollte. Pentagon-Sprecher John Kirby bestätigte jedoch später, dass McKenzie und Clarke keinerlei Empfehlungen zur Rechenschaftspflicht abgegeben hätten, sondern nur zur Verbesserung der Verfahren.
Nach dem Angriff behauptete das US-Militär über zwei Wochen hinweg, dieser sei "gerechtfertigt" gewesen und habe einen "Vermittler" der Terrormiliz Islamischer Staat Chorasan (ISIS-K) getötet. Diese Terrorgruppe hatte die Verantwortung für das Selbstmordattentat auf dem Kabuler Flughafen übernommen, bei dem fast 200 Menschen, darunter 13 US-Soldaten, getötet worden waren.
Am 17. September räumte McKenzie jedoch ein, dass der Drohnenangriff "ein Fehler" gewesen sei. Er sprach den Hinterbliebenen der afghanischen Wohltätigkeitsarbeiter Zemari Ahmadi und neun weiteren Opfern, darunter sieben Kindern, sein Beileid aus.
Ahmadi arbeitete für Nutrition & Education International (NEI), eine in Kalifornien ansässige Wohltätigkeitsorganisation. Sein weißer Toyota war nicht mit Sprengstoff, sondern mit Wasserkanistern beladen und die Kinder waren in Scharen gekommen, um ihn bei seiner Ankunft zu begrüßen.
Steven Kwon, der Gründer und Präsident von NEI, bezeichnete die Entscheidung des US-Militärs der NYT gegenüber als schockierend:
"Wie kann unser Militär zehn afghanischen Menschen zu Unrecht ihr wertvolles Leben nehmen und niemanden in irgendeiner Weise zur Rechenschaft ziehen?"
Kwon gab an, die US-Regierung "seit Monaten angefleht" zu haben, die NEI-Mitarbeiter aus Afghanistan zu evakuieren. Dies sei offenbar noch nicht geschehen. Pentagon-Sprecher John Kirby erklärte vergangene Woche, dass das Militär "versucht hat, alle notwendigen Informationen zu beschaffen", um sowohl die Evakuierung durchzuführen als auch sogenannte Beileidszahlungen an Ahmadis Hinterbliebene zu leisten.