In Deutschland werden die Corona-Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson nur noch für Personen ab 60 Jahren empfohlen. Zuvor war im Frühjahr ein gehäuftes Auftreten von Hirnvenenthrombosen als seltene Nebenwirkung der Impfung festgestellt worden. Seit dies bekannt ist, suchen Forscher nach einer möglichen Erklärung für die Komplikation. Nun haben britische Forscher der Universität Cardiff offenbar den Auslöser für die Blutgerinnsel gefunden: In einer im Fachmagazin Science Advances veröffentlichten Studie berichten die Forscher, dass demnach der sogenannte Plättchenfaktor 4, der ein Teil des menschlichen Gerinnungssystems ist, in Kombination mit den als Impfstoff-Vektoren verwendeten Adenoviren eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Blutgerinnsel spielt.
Bei dem AstraZeneca-Vakzin handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Der Vektor besteht dabei aus nicht vermehrungsfähigen Adenoviren, die in Schimpansen vorkommen und in die ein Teil der Erbinformation des SARS-CoV-2-Erregers eingebracht wurde. Werden die Vektoren in die menschlichen Zellen eingeschleust, sorgen sie dafür, dass aus der genetischen Information ein Teil des Spike-Proteins des Corona-Virus hergestellt wird. Der Körper soll daraufhin durch die Auslösung einer Immunantwort Antikörper gegen den Erreger bilden.
In den Untersuchungen der Forscher zeigte sich, dass die Oberfläche des beim AstraZeneca-Impfstoff verwendeten Adenovirus stark negativ geladen ist. Dadurch zieht es den Plättchenfaktor 4 an, ein positiv geladenes Protein, wodurch es zu einer Kettenreaktion kommen kann, bei der im Rahmen des sogenannten TTS-Syndroms (Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie, also eines Blutplättchenmangels) Gerinnungsprozesse einsetzen. Bei diesem Prozess entstehen Gerinnsel, während gleichzeitig Blutungen auftreten, da Blutplättchen, die für die Blutstillung verantwortlich sind, verbraucht werden. Laut eines Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts wurden in Deutschland bisher 189 Fälle von TTS nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin gemeldet. Die Wissenschaftler vermuten zudem, dass das Immunsystem den Komplex aus dem Plättchenfaktor 4 und dem Adenovirus als fremd einordnet und der Körper den Plättchenfaktor angreift. Hierzu sind jedoch noch weitere Untersuchungen notwendig.
Bereits im März hatten Forscher der Universität Greifswald in Untersuchungen Autoimmunprozesse als mögliche Ursache für die Blutgerinnsel ausgemacht (RT DE berichtete). Unklar war jedoch, ob eine starke Entzündungsreaktion nach der Impfung oder der Impfstoff selbst der Auslöser war. Mit der Arbeit der britischen Forscher ist man nun einen Schritt weiter, allerdings sei diese Erkenntnis noch keine vollständige Erklärung für die Blutgerinnsel. Alan Parker, einer der Studienautoren, sagte gegenüber BBC, dass man den Auslöser für die Komplikation gefunden habe, "aber es gibt viele Schritte, die als Nächstes passieren müssen". Laut Will Lester, einem beratenden Hämatologen am Universitätsklinikum Birmingham NHS Foundation Trust, der nicht an der Studie beteiligt war, tragen die Forschungsergebnisse dazu bei, den wahrscheinlichsten ersten Schritt bei der Entstehung der Gerinnsel zu erklären. Er sagte:
"Viele Fragen sind noch offen, zum Beispiel, ob manche Menschen anfälliger sind als andere und warum die Thrombose (Gerinnung) am häufigsten in den Venen des Gehirns und der Leber auftritt, aber das kann mit der Zeit und weiteren Forschungen geklärt werden."
Neben den Blutgerinnseln nach der Verabreichung des Vektorimpfstoffs von AstraZeneca traten auch bei den Impfungen mit den mRNA-Vakzinen der Pharmakonzerne Pfizer/BioNTech und Moderna Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen auf, deren Ursache noch weitgehend unklar ist.
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