Um Nord Stream 2 zu retten: Berlin zeigt sich bereit, Zusammenarbeit mit Russland einzuschränken

Aus einem am Sonntag veröffentlichten Geheimdokument der deutschen Botschaft in Washington geht hervor, dass Deutschland den US-Kongress um den Verzicht auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 bittet. Diese könnten die Glaubwürdigkeit der USA schwächen und auch der transatlantischen Einheit schaden, heißt es darin.

Die deutsche Regierung hat den US-Kongress dringend gebeten, keine Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verhängen, da derartige Maßnahmen das Vertrauen in die USA schwächen und "letztlich der transatlantischen Einheit schaden" könnten. Dies geht aus einem geheimen Dokument hervor, das die deutsche Botschaft in Washington den dortigen Kongressabgeordneten übermittelt hatte. Der Bericht wurde am Sonntag von Axios veröffentlicht.

In dem Dokument heißt es, Berlin sei entschlossen, frühere bilaterale Vereinbarungen erfolgreich umzusetzen, um die Energiesicherheit in der Ukraine und in Europa zu stärken und Russland davon abzuhalten, die Pipeline für aggressive politische Zwecke (als "Waffe") zu missbrauchen. Nach Ansicht der deutschen Seite würden US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 die von Deutschland in der gemeinsamen Erklärung vom 21. Juli eingegangenen Verpflichtungen untergraben, das Vertrauen in die US-Regierung schwächen und die Umsetzung der gemeinsamen Erklärung einschließlich der Bestimmungen zur Unterstützung der Ukraine gefährden.

Die Autoren des Dokuments sind der Ansicht, dass Strafmaßnahmen letztlich der transatlantischen Einheit schaden würden. Ihrer Version zufolge wären Sanktionen gegen einen Verbündeten der USA nur ein Sieg für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Darüber hinaus heißt es in dem Dokument:

"Wir sind besorgt, dass verstärkte einseitige Maßnahmen des US-Kongresses die gemeinsamen deutsch-amerikanischen Bemühungen untergraben und die transatlantische Einigkeit gegenüber Russland ernsthaft schwächen werden."

Nach Ansicht Berlins ist die Umsetzung der im Juli getroffenen Vereinbarungen der beste Weg, um die Interessen der Ukraine zu schützen und sicherzustellen, dass Russland die Energieressourcen nicht als politische Waffe einsetzt. Die Bundesregierung betont zudem, dass Nord Stream 2 derzeit keine Gefahr für die Ukraine darstellt, solange ein angemessener Gastransit gewährleistet ist.

Außerdem, so heißt es in dem Dokument, sind die steigenden Energiepreise ein globales Phänomen und können nicht allein Russland angelastet werden. Die Verfasser der Erklärung merken an:

"Russland erfüllt derzeit alle seine Lieferverpflichtungen, einschließlich seines Gastransitabkommens mit der Ukraine, könnte aber noch mehr tun. Putins jüngste Äußerungen zur Erhöhung der Lieferungen an europäische Gasspeicher sind ein Schritt in die richtige Richtung."

In dem Dokument werden auch die Maßnahmen beschrieben, die Deutschland auf nationaler Ebene ergreifen wird, darunter deutliche öffentliche Erklärungen, in denen das Verhalten Russlands verurteilt wird. Die Bundesregierung werde auch die Möglichkeit prüfen, bestimmte bilaterale politische Treffen oder einzelne Formate der Zusammenarbeit mit Russland einzuschränken oder gegebenenfalls auszusetzen. Berlin werde mögliche Beschränkungen für künftige russische Projekte im Bereich fossiler Brennstoffe prüfen. Auf EU-Ebene, so heißt es in dem Dokument, ist Deutschland aktiv an der Ermittlung von Optionen für zusätzliche restriktive Maßnahmen beteiligt, ohne Einzelheiten zu nennen.

Wie Axios berichtete, versucht der leitende Berater des Außenministeriums für Energiesicherheit Amos Hochstein, die Demokraten im Senat davon zu überzeugen, einen Änderungsantrag zum Entwurf des Verteidigungshaushalts des Landes für das nächste Haushaltsjahr (das am 1. Oktober begann) zu blockieren. Durch diesen Antrag würden Sanktionen gegen Unternehmen verhängt, die sich an der Zertifizierung der Nord-Stream-2-Pipeline beteiligen. Das US-Außenministerium erklärte:

"Bei unserem Ansatz geht es um mehr als nur die Aufrechterhaltung des Bündnisses. Es geht darum, das zu tun, was am effektivsten ist, um die Energiesicherheit der Ukraine zu schützen und zu erhalten. Die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Berlin und die Verteidigung der ukrainischen Interessen sind keine 'Entweder-oder'-Position. Wir tun beides auf die effektivste Weise."

Am 21. Juli hatten die USA und Deutschland eine Einigung über Nord Stream 2 erzielt. Insbesondere hatte Washington eingeräumt, dass Sanktionen das Projekt nicht aufhalten würden, während Berlin sich für eine Verlängerung des russischen Gastransits durch die Ukraine eingesetzt hatte. Die US-Behörden hatten sich jedoch das Recht vorbehalten, Maßnahmen zu ergreifen, wenn Russland Energie als geopolitische Waffe in Europa und zur Aggression gegen die Ukraine einsetzt, so das US-Außenministerium.

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