Wegen der angespannten Situation an der Grenze zu Belarus hat Polen am Dienstag einen Grenzübergang zu dem östlichen Nachbarland geschlossen. Der Grenzverkehr für Waren und Personen am Übergang Gmina Kuźnica sei wie angekündigt seit 7:00 Uhr eingestellt, bestätigte eine Sprecherin des polnischen Grenzschutzes gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Reisende wurden gebeten, auf die Grenzübergänge in Terespol und Bobrowniki auszuweichen – rund 230 und 70 Kilometer von Kuźnica entfernt. Am Montag hatten größere Gruppen von Migranten in der Nähe von Kuźnica vergeblich versucht, die EU-Außengrenze von weißrussischer Seite aus zu durchbrechen.
Nach Erkenntnissen der polnischen Behörden halten sich gegenwärtig zwischen 3.000 und 4.000 Migranten im weißrussisch-polnischen Grenzgebiet auf – viele kommen aus Krisengebieten wie Afghanistan und dem Irak. Auf am Montagabend in sozialen Netzwerken veröffentlichten Videos war zu hören, wie polnische Beamte Menschen in einem provisorischen Zeltlager über Lautsprecher vor illegalen Grenzübertritten in die EU warnten. Weißrussische Medien berichteten unter Berufung auf den Grenzschutz des Landes von angeblichen Schüssen auf polnischer Seite. Aus Polen gab es dazu zunächst keine offiziellen Angaben.
Die Regierung in Warschau und die EU werfen dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus verschiedenen Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Lukaschenko hatte bereits Ende Mai angekündigt, dass sein Land Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde – als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen. Mitte September kündigte Lukaschenko an, sein Land sei bereit, mit dem Westen über illegale Migration zu sprechen – aber nur, wenn die Sanktionen gegen Minsk aufgehoben würden.
Fluggesellschaften im Visier
Angesichts der Lage an der polnisch-weißrussischen Grenze forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusätzliche Sanktionen. Weißrussland müsse mit der "zynischen Instrumentalisierung von Migranten" aufhören, sagte von der Leyen am Montagabend. "Ich fordere die Mitgliedsstaaten auf, die erweiterte Sanktionsregelung gegen die belarussischen Behörden, die für diesen hybriden Angriff verantwortlich sind, zu billigen." Die EU arbeite insbesondere daran, Fluggesellschaften von Drittstaaten zu sanktionieren, die am Transport von Migranten nach Weißrussland beteiligt seien. Der EU-Kommissions-Vizepräsident und für Migration zuständige EU-Kommissar Margaritis Schinas sagte, er werde in den kommenden Tagen in die Herkunfts- und Transitländer der Migranten reisen.
Auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, sprach sich für "verschärfte Sanktionen gegen Lukaschenko und sein Umfeld" aus. "Die europäische Botschaft muss sein: Es reicht!", sagte Weber der Zeitung Bild am Dienstag. Die Reaktion der Europäischen Union auf Lukaschenkos Vorgehen müsse "geschlossen und entschlossen" sein.
Kritisch äußerte Weber sich mit Blick auf die Türkei – als eines der Länder, von denen aus laut Weber Migranten mit Flügen nach Weißrussland gelangten. "Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun mittels zahlreicher Migranten-Flüge aus der Türkei nach Belarus neue Erpressungsversuche gegen die EU unternimmt, braucht es eine unmissverständliche Antwort", sagte Weber.
"Damit wird er genauso scheitern wie mit seinem Versuch, Migranten über die griechisch-türkische Grenze zu schleusen. Die Kommission muss umgehend Gespräche mit der türkischen Regierung aufnehmen."
Auch der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer forderte Engagement aus Brüssel: "Wir müssen der polnischen Regierung bei der Sicherung der Außengrenze helfen", sagte der CSU-Politiker gegenüber der Bild am Dienstag.
"Das wäre eigentlich Aufgabe der EU-Kommission. An die appelliere ich jetzt, dass sie aktiv wird."
Die Situation könnten Polen und Deutschland nicht alleine bewältigen. Die EU-Kommission hat jedoch nach eigener Aussage Polen bereits mehrfach ermuntert, Hilfe anzunehmen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO und die Polizeibehörde Europol stünden bereit, bei der Registrierung von Migranten, Bearbeitung von Asylgesuchen und beim Kampf gegen Schmuggel zu helfen, hieß es am Montag.
Die EU-Staaten Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet. Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten. Menschenrechtsorganisationen fordern immer wieder Hilfe für die im Wald gestrandeten Menschen und warnen vor einer humanitären Katastrophe. In der Grenzregion sind bereits mehrere Migranten gestorben.
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(rt/dpa)