Erstmalig in diesem Jahr unternimmt die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (Ejército Zapatista de Liberación Nacional, EZLN) eine Tournee durch verschiedene Länder, die sie "Reise für das Leben" getauft hat. Die Reise mit Stationen in über 30 Ländern steht unter dem Motto: "Wir sind nicht erobert worden. Wir leisten weiter Widerstand und rebellieren."
In dieser Woche erreichte eine Delegation Deutschland, nachdem sie sich zuletzt in Österreich aufgehalten hatte.
Am Mittwoch starteten die Zapatisten mit Besuchen in Frankfurt am Main und Leipzig. Weitere Stationen sollen folgen, unter anderem in Münster, Kassel, Hannover, Berlin, Hamburg, Bremen, Freiburg und Chemnitz sowie im Rheinland, in Bayern, Ostsachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.
Laut nd sind die Mexikaner zu verschiedenen Aktionen eingeladen worden. Unter anderem zur Teilnahme am bundesweiten Klimastreik, zu einem Fußballspiel mit der Frauenmannschaft des Hamburger Vereins St. Pauli und zu Protesten der Initiative "Rheinmetall Entwaffnen", die für den 8. Oktober geplant sind. Inwieweit Treffen und Begegnungen stattfinden, sei aber nicht klar.
"Die Compas wollen nicht die großen Events, sondern lieber kleinere Gesprächsrunden mit politischen Gruppen und Bewegungen", so Katja Berg vom Ya-Basta-Netz gegenüber nd.
Die Kampagne "Rheinmetall entwaffnen" hat mit dem Hinweis darauf, dass vom deutschen Konzern Heckler und Koch illegal Kleinwaffen nach Chiapas geliefert wurden, die Teilnahme der Zapatisten an dem sogenannten "Tribunal gegen Heckler und Koch" angekündigt.
Am 10. Oktober wird die Delegation dann voraussichtlich in andere Länder weiterreisen.
Das derzeit durch Europa tourende Kontingent der Zapatisten wurde "La extemporánea" (die Unzeitgemäßen) getauft. Damit spielen sie ironisch auf die Vorwände der mexikanischen Behörden an, unter denen die Aushändigung der Pässe von 62 Reisenden verzögert wurden. Die Behörden hatten ihnen gesagt, dass sie "extemporánea" seien, was in vielen Fällen bedeutet, dass ihre Geburtsurkunde nach dem dritten Lebensjahr ausgestellt wurden. Das ist bei indigenen Völkern zwar durchaus üblich. Aber in diesem Fall diente es als Vorwand, um die Antragsverfahren zu behindern. Geleitet wird "La extemporánea" von Subcomandante Moisés, dem Hauptanführer der Zapatisten. Er erklärte dass die Delegation in zwei Gruppen unterwegs sei. Außerdem sei sie in 28 Teams für Zuhören und Sprechen, ein Team für Spiel und Unfug und ein Koordinatorenteam unterteilt. Alle Teams sind auf dem ganzen Kontinent verstreut, um auf diese Weise 28 Ecken Europas gleichzeitig abzudecken.
"Wenn wir schon 500 Jahre gewartet haben”
Bereits früher in diesem Jahr hatte eine Delegation, die Escuadrón 421, Spanien, Frankreich und die Schweiz besucht, um "den Schmerz und die Wut" zu teilen und die Beziehungen zu sozialen Kollektiven wie auch zur allgemeinen Bevölkerung zu stärken. Die Reise über den Atlantik sollte symbolisch zudem als umgekehrte "Invasion", als Umkehrung der spanischen Conquista, verstanden werden.
Die Delegation verließ am 3. Mai 2021 die mexikanische Küste, überquerte den Atlantik und landete 52 Tage später in der spanischen Provinz Galicien. Verzögerungen durch "bürokratische" Probleme und Corona-Tests kommentierte der Anführer Subcomandante Galeano (ehemals Subcomandante Marcos) wie folgt:
"Ich meine, wenn wir schon mehr als 500 Jahre auf die Rückgabe der Ohrfeige gewartet haben, können wir auch ein oder zwei Tage auf das warten, was wirklich wichtig ist, nämlich einen Tanz zu organisieren."
Danach konnte der Höhepunkt der Reise, eine Gedenkfeier zum 500. Jahrestag des Falls der Aztekenhauptstadt Tenochtitlán am 3. August in Madrid, also im Zentrum des Landes der Invasoren, stattfinden.
Diese Gruppe aus vier Frauen, zwei Männern und einer Transgender-Person – allesamt Indigene und Zapatisten – kehrte mittlerweile nach Mexiko zurück, um den Kampf und die Organisation von Chiapas aus fortzusetzen. In den Bergen Mexikos, wo 1994 eine Guerillabewegung aus Protest gegen das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta entstand, die heute zu einer sozialen Bewegung geworden ist.
Subcomandante Insurgente Galeano warnte jüngst vor zunehmend bürgerkriegsähnlichen Zuständen im mexikanischen Bundesstaat Chiapas. Kürzlich waren dort zwei Mitglieder der zapatistischen Bewegung für 8 Tage entführt worden. Der Subcomandante ordnete dies als versuchte Sabotage der Rundreise einer zapatistischen Delegation durch Europa ein, wie das Nachrichtenportal amerika21 berichtete.
Vor dem Hintergrund der Entführung hatten Aktivisten vom Ya-Basta-Netz für den 24.09.2021 Kundgebungen vor mexikanischen Botschaften und Konsulaten durchgeführt. Dabei rechneten sie auch mit der Teilnahme der Zapatisten. Insgesamt erhoffen sich Aktivisten wie Manu Fürtig vom Ya-Basta-Netz, dass die Reise durch Europa unterschiedliche Menschen zusammenbringt und hilft, linke Grabenkämpfe zu überwinden.
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