Wenn man per WhatsApp eine Nachricht versendet, erhält man automatisch auf dem Bildschirm die Zusicherung: "Niemand außerhalb dieses Chats, nicht einmal WhatsApp, kann sie lesen oder abhören". Dies stimmt nur zu einem gewissen Grad, wie die US-Investigativ-Seite ProPublica nun enthüllt.
Der Messaging-Dienst WhatsApp, den Mark Zuckerbergs Facebook schon im Jahr 2014 gekauft hat, erfreut sich in vielen Teilen der Welt als bevorzugte Plattform für privaten oder auch beruflichen Online-Austausch großer Beliebtheit, mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit kommunizieren über die App.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg erklärte im März 2019 eine neue "datenschutzfokussierte Vision" für Facebook und betonte, dass sich die Zukunft der Kommunikation zunehmend auf private, verschlüsselte Dienste verlagern wird, "bei denen die Menschen sicher sein können, dass das, was sie einander sagen, sicher bleibt und ihre Nachrichten und Inhalte nicht für immer bleiben. Das ist die Zukunft, die wir hoffentlich mitgestalten werden. Wir planen, sie so zu gestalten, wie wir WhatsApp entwickelt haben".
Damit bewarb er die besondere Funktion von WhatsApp, die demnach auch Instagram- und Facebook-Chats erhalten sollten – eine End-zu-Ende-Verschlüsselung, die alle Nachrichten in ein unlesbares Format umwandelt, das erst entsperrt wird, wenn sie ihren Bestimmungsort erreichen, unterwegs also von niemandem entziffert werden können.
Laut Zuckerberg seien WhatsApp-Nachrichten dadurch so sicher, dass niemand und auch nicht das Unternehmen mitlesen könne. Selbst in einer Aussage vor dem US-Senat im Jahr 2018 versicherte Zuckerberg:
"Wir sehen keinen der Inhalte in WhatsApp."
Doch das stimmt nur indirekt. Peter Elkind, Reporter bei ProPublica, macht klar, dass Nachrichten bei WhatsApp zwar verschlüsselt seien, doch durchforsten mehr als 1.000 indirekt von WhatsApp beschäftigte Vertragsarbeiter Millionen von Inhalten des Messaging-Dienstes, sei es in Form von Text, Sprachnachrichten oder andere Formen des Austausches. Anhand von einer spezielle Facebook-Software untersuchen sie Ströme privater Nachrichten, Bilder und Videos, die von WhatsApp-Nutzern als unangemessen gemeldet und dann von den Systemen der künstlichen Intelligenz des Unternehmens überprüft wurden.
Diese oft nur stundenweise eingesetzten Auftragnehmer – Zeitarbeiter, die über externe Firmen und nicht über WhatsApp eingestellt sind – erhalten so offenbar sehr konkrete Einblicke in Messaging-Inhalte und beurteilen alles von angeblichem Betrug oder Spam bis zu Kinderpornografie und möglichen terroristischen Verschwörungen innerhalb kürzester Zeit, üblicherweise in weniger als einer Minute, so ProPublica.
ProPublica prangert an, dass mitunter hochsensible Daten somit in die Hände extern Beschäftigter gelangen, und zwar wohl mehr, als die Nutzer erfahren: "WhatsApp legt zwar offen, dass man die letzten paar Nachrichten zur Begutachtung freigibt. Wie viele es genau sind, sagt es aber nicht. Unseren Recherchen zufolge sind es fünf. Was sie auch nicht sagen: Ein Heer von vielleicht 1.000 externen Content-Moderatoren sehen sich die gemeldeten Chats an, nachdem ein KI-System sie vorab überprüft hat."
Zudem kritisiert die ProPublica, die nach eigenen Angaben investigativen Journalismus im öffentlichen Interesse produziert, dass Zuckerbergs Vorzeige-Messenger ebenfalls im Widerspruch zu den öffentlichen Aussagen ungewöhnlich viele Meta-Daten seiner Nutzer sammle, sogar mehr als andere Dienste:
"Mark Zuckerberg führt WhatsApp immer als Beispiel an, dass immer weniger Meta-Daten nötig seien. In Wahrheit sammelt WhatsApp mehr dieser Daten als jeder andere vergleichbare Dienst."
Dazu zählt sowohl die Identität von Absender und Empfänger, Telefonnummer, Profilfoto, Statusnachricht, Akkustand des Telefons, Sprache sowie Zeitzone und zugehörige Facebook-Konten. Das Unternehmen Facebook beruft sich laut ARD auf Sicherheitsvorkehrungen. In einer Stellungnahme gegenüber dem Sender hieß es, die Meldefunktion verhindere den schlimmsten Missbrauch.
ProPublica sieht die aktuelle Problematik – wie schon frühere Skandale des Unternehmens – auch dem Bedürfnis von Facebook geschuldet, mit WhatsApp Geld zu verdienen. Seitdem das Unternehmen vor rund sieben Jahren 22 Milliarden Dollar für den Kauf von WhatsApp bezahlt hat, sucht es nach Wegen, mit dem Dienst, der die Nutzer keinen Cent kostet, Gewinne zu erzielen.
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