Westliche Staaten versuchen seit dem Einmarsch der Taliban in Afghanistans Hauptstadt Kabul, ihre Staatsbürger und ehemalige Ortskräfte auszufliegen. Die Bundeswehr soll bislang mehr als 3.650 Menschen evakuiert haben. Nach Angaben des Weißen Hauses seien vom US-Militär und den Truppen verbündeter Staaten bereits 48.000 Menschen ausgeflogen worden. Auf dem Flughafen herrschen allerdings weiterhin chaotische Zustände. Zudem soll das US-Militär laut dem ursprünglichen Plan des US-Präsidenten Joe Biden das Land in einer Woche endgültig verlassen.
Ein NATO-Diplomat sagte am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Evakuierungen unter "Kriegsbedingungen" durchgeführt würden, da die ausländischen Streitkräfte versuchten, die Frist bis zum 31. August einzuhalten.
Mehrere europäische Staaten - darunter auch Deutschland - sind für eine Verlängerung der Evakuierungsaktion. Doch die Taliban bestehen darauf, dass alle Truppen westlicher Staaten bis zur genannten Frist Afghanistan verlassen müssen. Auch die Evakuierungsmission könne nicht verlängert werden, sagte Talibansprecher Suhail Schahin. Dies sei "eine rote Linie". Sie zu verschieben, käme einer Verlängerung der militärischen Besatzung seines Landes gleich, so Schahin weiter. Dazu gebe es keinen Grund. Er fügte mit einem drohenden Unterton hinzu:
"Es wird Misstrauen schaffen zwischen uns. Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen."
Doch laut einem Bericht von Reuters geht der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses, Adam Schiff, nicht von einem Abschluss der Evakuierungen bis zum 31. August aus. Der US-Abgeordnete der Demokraten habe laut Reuters nach einem Briefing von Geheimdienstmitarbeitern über Afghanistan gegenüber Reportern erklärt:
"Ich halte es zwar für möglich, aber angesichts der Zahl der Amerikaner, die noch evakuiert werden müssen, für sehr unwahrscheinlich."
Auch US-Präsident Biden soll offenbar erwägen, die US-Truppen über den Stichtag hinaus in Afghanistan zu lassen. Doch Biden soll betont haben, dass die Evakuierung "hart und schmerzhaft" sein werde und noch viel schief gehen könne. Laut Reuters wolle der US-Präsident binnen 24 Stunden über eine Verlängerung der Abzugsfrist entscheiden. Die Nachrichtenagentur beruft sich dabei auf einen namentlich nicht genannten Insider.
Die USA haben derzeit über 6.000 Soldaten auf dem Flughafen von Kabul stationiert. Nach ihrem Abzug vom Airport sehe der britische Verteidigungsminister Ben Wallace wenig Aussicht, dass die britischen Streitkräfte die Evakuierungen fortsetzen würden. Mit dem Abzug der USA würden die Rahmenbedingungen wegfallen, die den anderen G7-Staaten das Ausfliegen von Menschen ermöglichen. "Dann werden wir auch gehen müssen", zitiert Reuters den britischen Verteidigungsminister.
Heute wollen die Staats- und Regierungschefs der sieben westlichen Industrienationen sowie Vertreter der EU über die Lage am Hindukusch beraten. Bei der virtuellen Konferenz soll es auch um die Frist zur Evakuierung gehen. Weiterhin versuchen Tausende von Menschen, mit einer Evakuierungsmaschine von diesem Flughafen aus dem Land zu fliehen. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson, der die Sitzung leiten wird, will sich nach Regierungsangaben aus London für eine Verlängerung der Mission bei US-Präsident Biden stark machen.
Bei dem G7-Sondergipfel soll es zudem auch um die Frage gehen, ob die Staaten eine Taliban-Regierung anerkennen oder sanktionieren sollen.
Am Montag hatte auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gefordert, dass sich die G7-Staats- und Regierungschefs bei ihrer Schalte über die Frage absprechen, wie lange Menschen noch aus Kabul evakuiert werden können. Zudem müsse man über die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge sprechen und auch die Frage, wie man mit "Migrationsströmen" umgehen sollte, sagt der SPD-Politiker. Derzeit redet Berlin laut Maas mit den USA und der Türkei darüber, ob der Flughafen in Kabul auch zivil weiter betrieben werden kann.
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