Am Montag ist in Kiew die sogenannte "Krim-Plattform" eröffnet worden. Das ist ein neues internationales diplomatisches Format – einzig zum Zweck der "Rückholung der Krim" in die Ukraine –, an dem laut ukrainischen Angaben Vertreter aus 46 Ländern und internationalen Organisationen teilnehmen, darunter 12 Präsidenten oder Premierminister.
Von nun an laufe der "Countdown für die Deokkupation" der Schwarzmeer-Halbinsel, sagte der ukrainische Präsident Selenskij in seiner Eröffnungsrede vor Plattform-Teilnehmern. Aus ukrainischer Sicht hatte Russland das Gebiet 2014 infolge einer militärischen Invasion okkupiert. Als Annexion bewerten auch die UNO, die Europäische Union (EU) und die OSZE den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation.
Selenskij sagte, dass die Krim-Frage zum ersten Mal seit der angeblichen Besetzung der Halbinsel auf ein so hohes Niveau gebracht wurde. "Die Krim war ein Garant für internationale Stabilität, und jetzt ist sie ein Pulverfass", meinte er. Er sagte, Russland habe seine militärische Präsenz auf der Halbinsel verdreifacht. Selenskij warf Russland "erzwungene demografische Veränderungen" und "Kriegspropaganda in Schulen" vor.
Die Ukraine werde alle rechtlichen, politischen und vor allem diplomatischen Mittel einsetzen, um die Krim zurückzuholen, betonte er. Als einen dieser Wege nannte er das sogenannte Stammvölker-Gesetz, das insbesondere auch die Rechte der Krimtataren in der Ukraine stärkt.
"Aber bis jetzt haben wir die Krim leider nicht in die Ukraine zurückgeholt", erklärte der Präsident und sagte, dass kein weiterer Tag verschwendet werden dürfe. "Die Synergie unserer Bemühungen sollte Russland an den Verhandlungstisch zwingen", umriss Selenskij das Ziel dieses Gipfeltreffens.
Ein spezielles Büro in Kiew wird die Arbeit der Plattform koordinieren. "Heute, am 23. August, beginnt der Countdown für die Befreiung unserer Halbinsel. Die Besetzung begann in Moskau und wird in Kiew enden", so der Präsident abschließend. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte:
"Unsere Aufgabe ist es, dass die Annexion niemals legalisiert wird."
Die deutsche Seite war durch den Wirtschaftsminister Peter Altmaier vertreten. Deutschland habe und werde die illegale Annexion der Krim durch Russland nicht anerkennen, sagte Altmaier in seiner Rede auf dem Eröffnungsgipfel. Die Annexion habe ein riesiges Problem in der Region geschaffen, weshalb die Europäische Union mehrmals Sanktionen verhängt und verlängert hat. Er betonte, dass die Annexion der Krim einen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit darstelle.
"Wir sehen die Bedrohungen, die dies insbesondere für die Krimtataren und andere Einwohner mit sich bringt. Wir werden nicht zulassen, dass die Krim zu einem blinden Fleck auf der Karte wird. Wir sind voll und ganz bei der Ukraine und mit ihr, und gemeinsam verurteilen wir diese Annexion, fordern neue Verhandlungen, die Erneuerung der Staatsgrenzen."
Der deutsche Wirtschaftsminister drückte seine Hoffnung auf weitere Bemühungen um eine Zusammenarbeit mit der Ukraine im Rahmen der Dekarbonisierung, der Bekämpfung des Klimawandels, der Energieeffizienz und der Gewährleistung einer zuverlässigen Energieversorgung aus. "Wir möchten bekannt geben, dass der Gastransit durch die Ukraine nach 2024 fortgesetzt wird", fügte Altmaier hinzu.
"Wir wollen Russland in die Schranken weisen, und wir wollen ein Ende des Konflikts in der Ostukraine und der Annexion der Krim", sagte die Vertreterin der USA, die Energieministerin Jennifer Granholm. In Kiew trifft sie sich mit Peter Altmaier und ihrem ukrainischen Kollegen, um die Situation mit der Pipeline Nord Stream 2 und dem Gas-Transit durch die Ukraine zu besprechen.
Ukrainische Medien weisen darauf hin, dass die Schlüsselstaaten des Westens USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland keine Fachminister für internationale Diplomatie zur Krim-Plattform geschickt haben. Am Sonntag teilte so etwa die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer gemeinsamen Presse-Konferenz mit Wladimir Selenskij in Kiew mit, dass Außenminister Heiko Maas aufgrund der Ereignisse in Afghanistan nicht anreisen könne.
Das ukrainische Nachrichtenportal strana.ua berichtet, dass alle Forum-Teilnehmer einen dreiminütigen Kurzauftritt am Runden Tisch des Forums absolvierten. "Es gab viele gleichlautende, allgemeingehaltene Statements". Der ungarische Staatspräsident János Áder trat dabei durch seine kritischen Äußerungen gegenüber der Ukraine hervor.
János Áder sagte, dass "einzelne Länder versucht haben, das Erlernen der ungarischen Sprache einzuschränken". "Wer ihre Sprache lernt, dem droht eine Geldstrafe. Dies steht im Widerspruch zu den Idealen der Demokratie und ehrt die Titularnationen nicht", sagte er im Hinblick auf das ukrainische Bildungsgesetz, das die Abschaffung des Unterrichts in Sprachen der Minderheiten vorsieht. "Wir hoffen, dass die Ukraine allen ihren Bürgern eine sichere Zukunft bieten kann und dass sich die Ungarn in der Ukraine zu Hause fühlen können", so der ungarische Präsident. Am Ende seiner Rede rief Áder die Ukrainer zu mehr Geduld auf, um die Frage nicht nur der Krim, sondern auch des Donbass auf friedliche Weise zu lösen.
Die Russische Föderation hat diese "Krim-Plattfirm" bereits im Vorfeld als Angriff auf Russlands territoriale Unversehrtheit verurteilt. "Wir lehnen solche Aussagen über die russische Region Krim kategorisch ab. In dieser Hinsicht ist unsere Haltung absolut eindeutig – es handelt sich um eine antirussische Veranstaltung", sagte der Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag.
Zuvor hatte auch der russische Außenminister Sergei Lawrow den Gipfel als einen "Hexensabbat" bezeichnet. "In einer Woche wird ein weiterer Hexensabbat, die 'Krim-Plattform', stattfinden, bei dem der Westen weiterhin als Förderer der neonazistischen und rassistischen Gesinnung der modernen ukrainischen Behörden auftreten wird, sagte der Minister am 12. August bei einem informellen Treffen auf der Halbinsel Krim. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte bereits im Juli in einem Interview das ukrainische Stammvölker-Gesetz als zutiefst nationalistisch kritisiert.
Als "beschämend" bezeichnete Lawrow die Haltung des Westens zur Ukraine. Der habe den Staatsstreich in Kiew unterstützt, wonach dann Anschuldigungen wegen der angeblichen Annexion der Krim gegen Moskau erhoben worden seien. "Seitdem sehen Sie, was mit der russischen Sprache in der Ukraine geschieht, wie sie auf jede Weise versuchen, die freie Willensäußerung der Menschen auf der Krim zu beleidigen", fügte er im Hinblick auf die in der Ukraine nunmehr gesetzlich festgeschriebene Verbannung des Russischen aus dem Bildungssystem, der Öffentlichkeit und den Medien und im Hinblick auf das Krim-Referendum der dortigen Bewohner am 16. März 2014 hinzu.
Am Montag beschloss die Werchowna-Rada einstimmig einen Appell der Ukraine an die Vereinten Nationen, die Parlamentarische Versammlung des Europarats, die Parlamentarische Versammlung der OSZE und an mehrere weitere internationale Organisationen und ausländische Parlamente "Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der Krim-Plattform zur Bekämpfung der Aggression der Russischen Föderation".
Kritische Beobachter bewerten diese Krim-Plattform jedoch als nutzlos. So bezeichnete der ukrainische Journalist und Chef einer politischen Partei Anatoli Scharij das laufende Forum als "Mini-UNO-Treffen", obwohl das Ergebnis seiner Meinung nach ein klassisches "viel Lärm um nichts" sein werde.
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