"Keine Rückkehr zu 2015": Schweden will nur afghanisches Botschaftspersonal evakuieren

Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven will keine neue Flüchtlingswelle wie im Jahr 2015. Seine Regierung bereitet die Evakuierung von 41 Personen und deren Familien vor, die für die diplomatische Vertretung Schwedens tätig waren. Hierbei soll die deutsche Bundeswehr helfen.

Am Mittwoch teilte der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist mit, man werde versuchen, afghanischen Mitarbeitern der schwedischen diplomatischen Vertretung zu helfen. Die schwedischen Staatsbürger, die sich in dem Land aufhielten, wurden bereits ausgeflogen. 

Insgesamt 41 lokal Angestellte und deren Familien sollen aus Afghanistan nach Schweden geholt werden. Eigentlich hätte dies nach Regierungsplänen bereits am Dienstag geschehen sollen. Man stünde seit drei Wochen in einem Dialog mit der deutschen Bundeswehr, erklärte Hultqvist. Aber der überraschend schnelle Einmarsch der Taliban in Kabul führte zu einer Verzögerung. Die schwedische Opposition kritisiert das langsame Handeln der Regierung. 

Die Taliban, die nach dem Abzug der US-Amerikaner eine Offensive gestartet hatten, marschierten am vergangenen Sonntag in Kabul ein und hissten ihre Fahnen in der Hauptstadt des kriegsversehrten Landes. Seit Sonntag wurden nach Angaben der NATO rund 18.000 Menschen evakuiert. Rund um den Flughafen herrschen chaotische Zustände, welche die Evakuierungen erschweren. Zur Sicherung des Flughafens sind 5.200 US-Soldaten im Einsatz. Der erste Evakuierungsflug der deutschen Regierung konnte nur sieben Personen mitnehmen, da die anderen Menschen auf der Evakuierungsliste nicht unter den Massen ausfindig gemacht werden konnten.

Der Sozialbürgerstadtrat Stockholms, Jan Jönsson, teilte dem schwedischen Radio Ekod mit: 

"Stockholm ist es gewohnt, Menschen, die auf der Flucht sind, willkommen zu heißen, und wir haben ein Programm mit bewährten Routinen für den Empfang der Menschen. Das Besondere an diesem Fall ist, dass es sehr, sehr kurzfristig ist." 

Auch Schweden befürchtet, dass die Krise in Afghanistan zu einem erhöhten Flüchtlingsstrom nach Europa führen wird. Eine Situation wie durch den Syrienkrieg will der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven mit allen Mitteln verhindern. Gegenüber den schwedischen Dagensnyheter erklärte er: 

"Um es ganz klar zu sagen: Wir werden nie wieder ins Jahr 2015 zurückkehren." 

Das kleine skandinavische Land Schweden sah sich im Jahr 2015 mit 163.000 Asylbewerbern konfrontiert. Syrische Staatsbürger stellten mit 51.000 den größten Anteil, gefolgt von 42.000 Afghanen. Eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhielt rund die Hälfte von ihnen. 

Zu der Kritik, dass die Regierung zu spät gehandelt hätte, sagte Löfven: 

"Das ging sehr schnell. Sie machen es sich leicht, wenn Sie sagen, dass es ungeschickt war – niemand hat es vorhergesehen. Es gab einen Plan, aber er konnte nicht ausgeführt werden, weil alles auf den Kopf gestellt wurde und sich die Bedingungen geändert haben."

Die größte Herausforderung für die Evakuierung ist der Weg der Menschen zum Flughafen. Ein ehemaliger afghanischer Angestellter der diplomatischen Vertretung in Kabul klagt die Regierung Schwedens an: 

"Wir wissen nicht, was los ist, und sie haben uns im Büro zurückgelassen, während wir arbeiteten. Wir haben versucht, sie zu kontaktieren, aber sie antworten nicht auf unsere Anrufe und haben unsere E-Mail-Adressen blockiert. Bitte schreiben Sie über uns, unser Leben ist in Gefahr und Schweden sollte sein bürokratisches System verlassen und unser Leben vor seine Gesetze stellen."

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