US-Präsident Donald Trump wollte dem längsten und teuersten Militäreinsatz der US-Geschichte ein Ende setzen und schloss ein Friedensabkommen mit den militant-islamistischen Taliban. In diesem verpflichteten sich die Taliban dem friedlichen Abzug der ausländischen Militärs. Trumps Nachfolger Joe Biden setzte den Rückzug der US-Truppen nach 20 Jahren Einsatz in Afghanistan um.
Insgesamt 145 Milliarden Dollar waren in den Wiederaufbau des Landes geflossen, 837 Milliarden Dollar sollen die 20 Jahre Militäreinsatz gekostet haben. Dabei ließen 2.443 US-Soldaten ihr Leben, 1.144 verbündete Soldaten wurden getötet und 20.666 Soldaten der USA verletzt. Über die Zahl der Verletzten und getöteten afghanischen Zivilisten gibt es keine verlässlichen Angaben. Nach Zählung der USA sind es 48.000.
Dem Rückzug der USA folgte eine Offensive der Taliban. Früher als US-Experten vermuteten, erreichten die Taliban am Sonntag scheinbar ohne Gegenwehr die Hauptstadt Kabul. Der afghanische Präsident Aschraf Ghani floh ins Ausland, um nach eigenen Angaben ein Blutbad zu vermeiden. Die Taliban hissten ihre Flaggen und kündigten an, das Gesetz der Scharia einzuführen. Der Krieg sei nun beendet, versprachen sie. Auf dem Kabuler Flughafen spielen sich chaotische Szenen ab. Der zivile Luftverkehr ist zusammengebrochen, ausländische Regierungen versuchen, Staatsangehörige und Ortshelfer zu evakuieren.
Der demokratische US-Präsident Joe Biden verteidigte am Montag den Abzug seiner Soldaten. Es spiele keine Rolle, erklärte er, wie lange die US-amerikanischen Soldaten noch in Afghanistan verbleiben. Das Ergebnis wäre das gleiche. Die Afghanen wollten einfach nicht kämpfen. Und dennoch sei der Einsatz ein Erfolg gewesen. Al-Qaida habe man zerschlagen und ihnen die Möglichkeit genommen, die USA angreifen zu können.
Aus dem Bericht des US-Generalinspekteurs für den Wiederaufbau in Afghanistan (SIGAR) lässt sich kein Erfolg der USA in den 20 Jahren Afghanistan herauslesen. "Was wir lernen müssen: Lehren aus zwanzig Jahren des Wiederaufbaus Afghanistans", lautet der Titel. Die düstere Erkenntnis des Berichts ist die Unkenntnis der US-Amerikaner über das Land:
"Nachdem sie 20 Jahre und 145 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau Afghanistans ausgegeben haben, muss die US-Regierung viele Lektionen lernen. Die Umsetzung dieser entscheidenden Lehren wird Leben retten und Verschwendung, Betrug und Missbrauch in Afghanistan und bei künftigen Wiederaufbaumissionen in anderen Teilen der Welt verhindern."
Für die Regierung in Washington war Afghanistan nichts als ein anderes Irak. Es werden konkrete Projekte genannt, die nicht wegen des fehlenden Willens scheiterten, sondern aufgrund von Unkenntnis. So sollte eine mit US-Mitteln gebaute Schule ein Dach erhalten, was mit einem Kran montiert werden sollte. Kräne konnten jedoch in dem bergigen Gelände nicht eingesetzt werden. Viele der Gelder für den Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes versickerten durch die weitverbreitete Korruption.
Die US-Regierungen hätten die Zeit für den Wiederaufbau unterschätzt, unrealistische Pläne gemacht und zu schnell zu viel Geld fließen lassen. Dies habe die Korruption noch mehr geschürt und die Aussicht auf Erfolg der Programme geschmälert. Die Politik habe nur zu kurzwährenden Erfolgen in Afghanistan geführt:
"US-Beamte schufen explizite Zeitvorgaben in dem irren Glauben, dass eine Entscheidung in Washington das Kalkül komplexer afghanischer Institutionen, Machthaber und von den Taliban angefochtener Gemeinschaften verändern könnte."
Die Voraussetzungen für einen siegreichen Abzug der USA wurden nicht geschaffen.
Die USA begehen immer wieder den gleichen Fehler und verwandeln Konfliktgebiete in "Sümpfe"
In den Medien wurden Vergleiche mit dem Vietnam-Krieg gezogen, als Bilder auftauchten, wie die USA mit einem Helikopter ihr Botschaftspersonal evakuierten. Auch der SIGAR-Bericht endet mit diesem Vergleich. In Vietnam hatte ein "kriegsmüdes und gespaltenes Land wenig Lust, sich auf einen weiteren ähnlichen Konflikt einzulassen".
Die mangelnde Vorbereitung nach Vietnam habe die Kriege im Irak und in Afghanistan nicht verhindert, sondern die Länder in einen "Sumpf verwandelt". Es sei wahrscheinlich, dass die USA in Zukunft den gleichen Fehler erneut begehen werden. Trotz der weitverbreiteten Erkenntnis unter den US-Beamten habe dies bisher keinen davon abgehalten, den Fehler erneut zu begehen. Ein erfolgreicher Abzug aus Afghanistan wäre unmöglich gewesen.
Der nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley teilte SIGAR mit:
"Wir haben einfach kein funktionierendes Modell für die Stabilisierung nach Konflikten. Jedes Mal, wenn wir eine dieser Aufgaben haben, ist es ein Anfängerspiel. Ich habe nicht die Zuversicht, dass wir es besser machen würden, wenn wir es noch einmal tun würden."
Für den Bericht wurden 760 Interviews mit Mitarbeitern derzeitiger und ehemaliger politischer Entscheidungsträger, Botschaftern, Generälen, Militäroffizieren, Entwicklungsexperten und anderen Fachleuten geführt. SIGAR begann mit seinem "Lessons Learned"-Programm Ende 2014. Damals wurde dies auf Drängen des ehemaligen Generals der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, Ryan Crocker, und anderen hochrangigen Beamten, die in Afghanistan gedient hatten, eingeführt:
"Sie wiesen uns auf die Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung unserer dortigen Bemühungen hin, um ähnliche Anstrengungen in Zukunft zu verbessern."
Mehr zum Thema -US-Elitesoldat, der bin Laden tötete, zu Afghanistan: "Größter Misserfolg der US-Geschichte