"Fühlt sich nicht gut an, recht zu behalten" – Diether Dehm zum Abzug aus Afghanistan

Dr. Diether Dehm, Liedermacher und Politiker, sitzt seit 2005 für Die Linke im Bundestag. Die SPD hatte er wegen der Jugoslawienkriege 1998 verlassen. Den Einsatz in Afghanistan hat er immer abgelehnt. Im Gespräch mit RT DE kommentiert er das Ergebnis.

Herr Dr. Dehm, Sie haben immer wieder erklärt, der Krieg in Afghanistan sei nicht zu gewinnen, und den Abzug der Bundeswehr gefordert. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?

Es fühlt sich nicht gut an, da recht zu behalten. "Die Verteidigung unserer Grundrechte am Hindukusch" (Bundesregierung 2002) mündet gerade – nach monströser Menschen- und Dollar-Vernichtung – in einem Albtraum.

Vor nicht ganz zehn Jahren, im Januar 2012, haben Sie gesagt, nach zehn Jahren Kriegseinsatz sei keines der benannten Ziele – Freiheit, Demokratie, Bildung, Gesundheit und Frauenrechte – erreicht worden. Welche Bilanz würden Sie heute ziehen?

Zum Vergnügen des Weißen Hauses hatten 1996 die islamistischen Vernichter aller Frauenrechte, Bücher, Musik und Gewerkschaftsfreiheiten den humanistischsten Präsidenten, den dieses geschundene Land je hatte, Mohammed Nadschibullāh, aus dem UN-Hauptquartier in Kabul gezerrt. Hernach folterten und hängten sie ihn an den Füßen auf eine Verkehrsinsel. Und diese Taliban sollen nun dem Pentagon und Westmedien Besserung gelobt haben? Und diesen Taliban haben jetzt die US-Truppen ihr schweres Kriegsgerät "dagelassen"? Einfach so?

Welche blutigen Deals sind da in den letzten Wochen hintenherum gelaufen? Wie hängt die Bundeswehr mit drin? Finden wir die NATO-Mörser, Rheinmetall-Sturmgewehre und Panzerspähwagen demnächst in den Händen anderer islamistischer Terroristen? Etwa bei den Uiguren? Gegen chinesische Handelswege? Oder den Tschetschenen? Gegen die russische Regierung? Um die Region nebst Pipelines weiter zu "destabilisieren"?

In den fast 20 Jahren, in denen die US-Armee, die Bundeswehr und eine ganze Reihe weiterer westlicher Staaten in Afghanistan waren, gab es dennoch im Grunde nie ein Entwicklungskonzept, das die Armut in Afghanistan wirklich verringert hätte. Glauben Sie, es gäbe nun eine Möglichkeit für eine friedliche Entwicklung, so wie in Vietnam nach dem US-Abzug?

Nein, eine Parallele zur Flucht der US-Armee aus Saigon ist das nicht! Denn die vietnamesische Armee hatte ihr Land vom US-Terrorismus befreit. Die Taliban-Terrortruppen hingegen waren einst vom US-Imperialismus hochgerüstet worden. Gegen die Russen. Da war bin Laden noch CIA-Kommandeur.

Wer hatte eigentlich die Taliban derart zum Blitzkrieg hochfinanziert? Etwa die ans Westherz gewachsenen Muslimbrüder und Opiumdealer, wie die Saudis?
Oder wäre, allein solche Fragen zum imperialistischen Zynismus zu stellen, bereits "Verschwörungstheorie" (im Auge des BND-Organs "DER SPEICHEL")?!

Die Linke ist nicht ganz einheitlich, was die Haltung zu Auslandseinsätzen angeht. So hat André Brie, damals einer der Vordenker, schon 2009 die Bundeswehr in Afghanistan gelobt. Wie, glauben Sie, wird sich die Haltung zu dieser Frage in der Partei weiter entwickeln? Wird das Ergebnis des Afghanistan-Einsatzes, das nun ja feststeht, da irgendeine Auswirkung haben?

Es ist für Linke nie gut, dem westlichen Imperialismus auf den Leim zu gehen. Selbst der kluge André Brie war damals gutgläubig, wollte wohl Distanz zur SED-Propaganda. Ich hatte im Westen bereits als 16-Jähriger gegen das Pentagon demonstriert.

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