Im Interview mit RT DE gibt die Korrespondentin Karin Leukefeld eine erste Einschätzung der aktuellen Situation in Afghanistan.
Sie sieht die jüngsten Ereignisse als deutliche Belege von "einem militärischen und politischen Scheitern der USA, der EU und der NATO". Sie fügt hinzu: einem Scheitern nicht nur in Afghanistan, sondern auch "in den eigenen Ländern und Bündnissen".
"Es ist den USA und der NATO nicht gelungen, Vertrauen in Afghanistan zu schaffen. Ich glaube, sie haben das Land nicht verstanden, und sie haben sich nicht darum bemüht. Es ging ihnen darum, die eigenen strategischen und politischen Interessen durchzusetzen."
Nach ihrer Ansicht kann es lange dauern, bis sich die krisenhafte Lage beruhigen wird. Es wird zu einer erheblichen Unsicherheit in den Nachbarländern kommen. Das betrifft die zentralasiatischen Länder im Norden Afghanistans und die Nachbarn im Süden. Leukefeld nennt besonders Iran und die Türkei.
Von den USA wurde sogar den Menschen, die das Land verlassen wollen, der Weg in die Türkei empfohlen. Diese Empfehlung ist für Leukefeld ein weiterer Beleg für die Ignoranz der USA, die die Bedingungen von Flüchtlingen in der Türkei nicht in Betracht ziehe.
Kurz geht sie auf die Auswirkungen des Erstarkens dschihadistischer Gruppen in Afghanistan auf Russland und China ein. Sie erwähnt auch wirtschaftliche Folgen. Europäische Länder, auch Deutschland, hätten Pläne für Flüchtlingslager in der Region entwickelt.
Afghanistan wird von einem "konservativen Islam" beherrscht, der sich säkularen Verfassungen nicht unterwerfen werde. Die Jugend heute hätte eine größere Nähe zum Islam als vor 20 Jahren.
Die Mehrheit der Bevölkerung, etwa drei Viertel, lebt auf dem Land. Dort hat sie in den 20 Jahren von den Angeboten und Versprechungen seitens der USA und der EU "nicht viel mitbekommen". Die Ideen, die die Militärmächte dort hingebracht haben, sind nicht weithin angenommen worden.
Leukefeld betont: "Es muss ein grundsätzliches Umdenken einsetzen. Ein Umdenken in Afghanistan und in den Ländern, deren Armeen dort einmarschierten".
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