Wenn du etwas nicht verhindern kannst, solltest du es anführen. In seiner Politik zur Verhinderung des Pipeline-Projektes Nord Stream 2 hält sich der US-Präsident Joe Biden offenbar immer mehr an diese politische Faustregel. Aus US-Medien ist nun bekannt geworden, dass US-Präsident Joe Biden einen Sondergesandten für das Projekt Nord Stream 2 ernannt hat, nämlich Amos Hochstein. Der ist als Vorstandsmitglied des NATO-nahen Thinktanks Atlantic Council seit jeher ein erbitterter Gegner der Gasleitung – und dürfte darauf achten, dass Berlin alle gemachten Zusagen an die USA auch wirklich einhält.
Amos Hochstein war schon Bidens Berater in Energiefragen, als er nämlich von 2014 bis 2017 als Sonderbeauftragter des Außenministeriums für internationale Energiefragen tätig war. Im Jahr 2017 wurde er in den Aufsichtsrat des ukrainischen Gasunternehmens Naftogaz berufen, wo er an Reformen zur Korruptionsbekämpfung bei einem staatlichen Energieriesen arbeiteten sollte.
Im Oktober 2020 kündigte Hochstein in einem Meinungsartikel seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat an und begründete dies mit dem Rückfall der ukrainischen Regierung in die Korruption. Die ganze Zeit über war Hochstein eine führende Stimme gegen Nord Stream 2 – die Welt bezeichnete ihn sogar als den "Pipeline-Killer" und das US-Nachrichtenportal Axios titulierte ihn als "Russland-Falken". Im Projekt sieht er vor allem ein strategisches Ziel des Kremls, die Ukraine zu umgehen und Gas direkt in das Herz Europas zu liefern. Ihm zufolge stellt diese Pipeline "die existenzielle Krise der Ukraine" dar. Dem Land würden bei einem Stopp der Transit-Lieferungen mehr als eine Milliarden Dollar an Transit-Gebühren jährlich entgehen.
Wie Axios berichtet, könnte die Ernennung Hochsteins wohl eine Beschwichtigungsgeste der Biden-Regierung gegenüber den erbittertsten Gegnern des Projekts im US-Kongress und in Osteuropa sein – um dem "Deal" mit den Deutschen durch diese Person etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Denn dem ursprünglichen Plan zufolge sollte ja ausgerechnet Amos Hochstein die Pipeline stoppen, da er dafür "der richtige Mann gewesen wäre".
Die deutsche Regierung mache sich mit dem Projekt erpressbar, behauptete Hochstein immer wieder. Schließlich könne Wladimir Putin das Gas jederzeit abstellen. Doch weil die Bunderegierung trotz Drohungen und Widerstand aus Washington auf dem Projekt beharrte, ließ Joe Biden den Zankapfel durch die getroffene Einigung beseitigen – um auch so den zu Trumps Zeiten arg beschädigten deutsch-US-amerikanischen Beziehungen aus der Krise zu helfen.
Im Gegenzug zu dem "Entgegenkommen" Bidens solle die Bundesregierung Russland mit Strafen belegen, sollte Putin tatsächlich das Erdgas als "Waffe" einsetzen. So verpflichtete sich Angela Merkel für die Bundesregierung, "alle Hebel" zu nutzen, um eine Verlängerung des 2024 auslaufenden ukrainisch-russischen Gastransitabkommens zu erreichen. Gazprom hat noch am selben Tag, als die gemeinsame Erklärung Deutschlands und der USA zu Nord Stream 2 veröffentlicht wurde, signalisiert, dass die Verlängerung des ukrainischen Transits durchaus eine Option sei, "wenn das aus kommerzieller Sicht interessant sein werde". Gleichzeitig teilte der Gazprom-Chef Alexei Müller seinen umweltbewussten Partnern mit, dass das ukrainische Transitnetz wegen des Pumpenantriebs etwa 5,6 Mal mehr CO₂-Emissionen verursacht als Nord Stream 2.
Nicht nur deshalb sieht Russland wenig Spielraum für das Ausüben eines von der US-Seite erhofften Drucks auf seine Energiepolitik. Die Einigung zwischen den USA und Deutschland sei für die beiden Unterzeichner nicht einmal rechtsverbindlich, sagte der russische Botschafter in Deutschland Sergei Netschajew in einem Interview dem Nachrichtenportal Iswestija und wies auch darauf hin, dass das Gaspipeline-Projekts in wenigen Wochen fertiggestellt sein werde.
"Erstens ist es wichtig, die Terminologie zu klären. Die USA und Deutschland haben keine 'Vereinbarung' über Nord Stream 2 getroffen. Sie haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die für die Unterzeichner kein rechtsverbindliches Dokument ist", erklärte Netschajew und fügte hinzu: "Und es bringt sicherlich keine Verpflichtungen für Russland mit sich."
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