Anfang Juli verkündeten Pharma-Primus Pfizer und dessen deutscher Partner BioNTech, dass man von einem Rückgang der Schutzwirkung des gemeinsamen Coronavirus-Vakzins nach einem halben Jahr ausgehe, was eine dritte Impfung erforderlich machen werde. Laut Daten des israelischen Gesundheitsministeriums sinke die Schutzwirkung des mRNA-Impfstoffs BNT162b2 binnen sechs Monaten nach der zweiten Impfung. In einer Presseerklärung des deutschen Unternehmens BioNTech hieß es:
"Deshalb sind wir nach wie vor der Ansicht, dass es auf Basis der uns bisher vorliegenden Daten wahrscheinlich ist, dass eine dritte Dosis innerhalb von 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung notwendig sein wird."
Bei einer laufenden Studie zu einer dritten Impfung seien "ermutigende Daten" zu beobachten, teilten beide Firmen mit. Außerdem sei geplant, die Daten in den kommenden Wochen bei der US-Arzneimittelbehörde FDA, dem europäischen Pendant EMA und bei anderen Zulassungsbehörden einzureichen. Man gehe davon aus, dass eine dritte Dosis den besten Schutz gegenüber allen bisher getesteten Coronavirus-Varianten biete. Das gelte auch für die sich ausbreitende Delta-Variante.
Gleichzeitig hatte Pfizer-CEO Albert Bourla gegenüber den Investoren und Aktionären des Konzerns bereits positive Aussichten verkündet. Anfang Mai 2021 stand der US-Amerikaner griechischer Abstammung den Konzern-Aktionären Rede und Antwort und machte dabei deutlich, dass vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie weiterhin mit satten Gewinnen zu rechnen sei.
Zunächst verwies Bourla auf das gute Geschäftsergebnis im ersten Quartal des laufenden Jahres. So hätten die Erlöse aus dem Vertrieb des eigenen Corona-Impfstoffs weitere 3,5 Milliarden US-Dollar zu den weltweiten Umsätzen des Pharmakonzerns im ersten Quartal beigetragen. Mit Stand 3. Mai habe man gemeinsam mit BioNTech etwa 430 Millionen Impfdosen an 91 Staaten und Regionen verkauft und ausgeliefert.
Nun hoffe man, weiterhin einen globalen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie leisten zu können. Man wolle dabei helfen, Volkswirtschaften "nicht nur zu öffnen, sondern offen zu halten". Dadurch werde ein Szenario geschaffen, "in dem Pfizer weiterhin sowohl eine Führungsposition einnehme als auch Nutznießer sei".
In diesem Zusammenhang, so Bourla weiter, werde aktuell die Sicherheit "einer dritten Dosis der bestehenden Formel unseres Impfstoffs COVID-19" untersucht, um "die Wirkung einer Auffrischung auf die Immunität gegen die im Umlauf befindlichen Varianten" des Erregers SARS-CoV-2 zu verstehen. Mit der israelischen Regierung stehe man bereits in Kontakt, um Millionen Impfdosen für Auffrischungsimpfungen (Booster) zur Verfügung zu stellen.
Tatsächlich bietet Israel seit Anfang Juli eine dritte Impfung mit dem Pfizer-Vakzin für immungeschwächte Bürger und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ein. Israel ist damit das erste Land der Welt, das Auffrischungsimpfungen einführte. Der israelische Gesundheitsminister Horowitz erklärte an anderer Stelle, das Coronavirus werde "uns noch lange begleiten". Nun gehe es darum, mittels einer "Corona-Routine" einen Weg finden, ohne zu starke Einschränkungen in seinem Schatten zu erleben. Am Dienstag berichtete dann u.a. Ynet:
"Vorläufige Daten einer vom Gesundheitsministerium durchgeführten Analyse zeigen einen Rückgang des Impfschutzes vor Infektionen um 42 Prozent und vor schweren Erkrankungen um bis zu 60 Prozent unter den Geimpften; Israel erwägt eine dritte Auffrischungsimpfung für alle über 65-Jährigen."
Inzwischen traf sich – wie die Times of Israel berichtet – der ehemalige israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mutmaßlich hinter dem Rücken seines Nachfolgers Naftali Bennett in den vergangenen Tagen mehrmals mit Pfizer-CEO Bourla und dem Chef des Pharmaunternehmens Moderna Stéphane Bancel, um den Weg für die dritte Impfung weiter zu ebnen. Nach Ansicht Netanjahus müssten erwachsene Israelis "umgehend" mit einer Auffrischungsimpfung versorgt werden.
Am selben Tag der Einführung der dritten Impfung in Israel trafen sich – wiederum nach Informationen der Washington Post – Pfizer-Offizielle mit Vertretern der US-Regierung, "um ihre Argumente für die Verabreichung einer dritten Dosis bei einigen Amerikanern – vor allem bei älteren und immungeschwächten Menschen – 6 bis 12 Monate nach der Zweitimpfung vorzubringen".
Während seiner Mai-Präsentation wurde Pfizer-Chef Bourla auch mit der Frage konfrontiert, wie er über das langsamer werdende Impftempo in den USA denke. Zunächst hätte die US-Regierung sehr gute Arbeit geleistet, so Bourla. Es sei eine Impfquote erreicht worden, die man nicht erwartet hätte. Zudem stelle vor allem die jüngere Bevölkerung ein Reservoir für Impfungen dar, das für einen weiteren Anstieg der Impfrate sorgen werde. Nun gehe es auch darum, mögliche Impfskeptiker davon zu überzeugen, "das Richtige zu tun".
Neben der guten Performance der US-Regierung sei die Aussicht auf die dritte Impfung ebenfalls nicht zu verachten. Pharma-Visionär Bourla erklärte:
"Über die Jahre '22 und '23 hinaus, glauben wir zunächst einmal, wie wir schon mehrfach gesagt haben, dass es einen Bedarf an Auffrischungsimpfungen (Booster) geben wird."
Letztendlich werde es wohl auf "jährliche Impfungen, oder sagen wir regelmäßige Impfungen" hinauslaufen, zeigte sich Bourla zuversichtlich.
Auf die Frage der Preisgestaltung, was die Anti-Corona-Impfdosen anbelangt, wollte der ebenfalls anwesende CFO und Chef des globalen Vertriebs, Frank A. D'Amelio, nicht konkret antworten. Nur so viel verriet D'Amelio: Man sei in der Lage im laufenden Jahr 2,5 Milliarden Impfdosen zu produzieren. Im nächsten Jahr können die Produktion 3 Milliarden Dosen erreichen.
Allerdings trifft die vermutete Notwendigkeit einer dritten Impfung auf Skepsis und Wiederstand. So etwa zeigte sich die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) keinesfalls überzeugt von der unterstellten Notwendigkeit. In einer gemeinsamen Erklärung mit den US-Gesundheitszentren (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) wurde am 8. Juli festgehalten:
"Amerikaner, die bereits vollständig geimpft sind, benötigen zu diesem Zeitpunkt keine Auffrischungsimpfung."
Dennoch sei man jedoch auf die Verabreichung von Auffrischungsimpfungen vorbereitet, sollten die entsprechenden wissenschaftlichen Daten dies anzeigen. Die US-Gesundheitsbehörden untersuchten die Frage eigenständig und verließen sich dabei nicht ausschließlich auf Daten von Pharmafirmen.
Auch die Europäische Arzneimittelbehörde zeigte sich, im Gegensatz zu den Erkenntnissen von Pfizer und BioNTech, gegenüber den Booster-Impfungen bislang zurückhaltend und forderte weitere wissenschaftliche Analysen. Wie Euractiv am 12. Juli berichtete, sei laut EU-Quellen die Einführung einer dritten Corona-Impfung dennoch "sehr wahrscheinlich".
"Dieselbe Quelle schließt nicht aus, dass es diese dritte Dosis gegen COVID-19 sogar noch im Jahr 2021 geben kann, je nach Fortschritt der verschiedenen Varianten."
Demzufolge werde sich Pfizer bald an die EU-Behörde zur Autorisierung EMA wenden, um die eigenen Argumente vorzutragen. Wie Euractiv weiter berichtet, habe die EU-Kommission mit Pfizer ohnehin bereits eine Vereinbarung über den Kauf von 1,8 Milliarden Dosen getroffen, die bis 2023 verabreicht werden sollen.
Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim RKI Thomas Mertens bereits im Mai:
"Das Virus wird uns nicht wieder verlassen. Die aktuellen Corona-Impfungen werden deswegen nicht die letzten sein. Grundsätzlich müssen wir uns darauf einstellen, dass möglicherweise im nächsten Jahr alle ihren Impfschutz auffrischen müssen."
Die Ärztezeitung wiederum berichtete, dass die Bundesregierung offenbar "eine Fortsetzung der COVID-19-Impfkampagne mit Auffrischungsimpfungen" vorbereite. Und der Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte:
"Die Bürger können sicher sein, dass Bund und Länder sich vorbereiten auf das, was vorbereitet werden muss."
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