Nach Vorbild der USA: Britischer Verteidigungsminister kündigt präventive und geheime Kriege an

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hat bei seinem Besuch in den USA in einer Rede im American Enterprise Institute nicht nur dargelegt, wie bedeutend Washington für London ist, sondern auch, dass vor allem das Militär eine besondere Rolle spiele.

Es sei großartig, nach ganzen 18 Monaten wieder in den USA zu sein, begann der britische Verteidigungsminister Ben Wallace seine Grundsatzrede in der "Denkfabrik" American Enterprise Institute (AEI) in Washington. Diese sei "ein Ort, der sich seit neun Jahrzehnten konsequent und überzeugend für die Ausweitung von Freiheit, Chancen und Unternehmertum einsetzt", so Wallace.

Zudem ist die neokonservative Denkfabrik ein Ort, der nicht nur von der ExxonMobil-Öl-Industrie gefördert worden war, sondern auch mit notorischen Kriegstreibern verbunden ist, darunter jene, die den völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak im Jahr 2003 vorangetrieben haben, etwa George W. Bush, Dick Cheney und Paul Wolfowitz. Diesen allgemein bekannten Subkontext ließ der britische Verteidigungsminister unerwähnt, betonte jedoch die Verbundenheit auf Basis gemeinsamer Werte und Feinde, die es militärisch zu bekämpfen gelte.

Dass es sein Anliegen und der Fokus der überarbeiteten britischen Sicherheits-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik sei, diese Werte zu betonen um die gemeinsamen Anstrengungen "zu mobilisieren", habe er bereits in der letzten Rede erwähnt; diesmal wolle er darauf eingehen, wie man dem "sich verschlechternden Umfeld" entgegentritt. Man habe schließlich bereits viel zusammen durchgemacht, darunter der Angriff auf Pearl Harbor, das Bündnis der US-amerikanischen und britischen Streitkräfte auf der Koreanischen Halbinsel, "um die kommunistischen und die ersten Stellvertreter-Scharmützel des Kalten Krieges" abzuwehren, sowie vor drei Jahrzehnten die Befreiung Kuwait von Saddams Tyrannei, bei der "unsere Tomahawks und Panzer durch die Wüste gerast waren". Als nächsten bedeutenden Meilenstein erwähnte Wallace den 11. September.

Heute sei man "in ein neues 'Wettbewerbszeitalter' eingetreten", so Wallace und ging sogleich auf den aktuellen Fokus der gemeinsamen Zusammenarbeit ein, darunter vermeintliche Widersacher wie Russland und China, denn man befinde sich "im Zeitalter des Wiedererstarkens autoritärer Staaten mit einem immer aggressiveren (und regressiven) Russland und einem wirtschaftlich und militärisch expansiven China".

Zu den weiteren, sich ständig weiter diversifizierenden Bedrohungen zählte der britische Verteidigungsminister außerdem Nordkorea und den Iran, die demnach "die regionale Sicherheit destabilisieren". Außerdem nannte Wallace die diffuseren Herausforderungen, die seit Langem einen Großteil der horrenden Aufrüstung und Kriegseinsätze der transatlantischen Partner rechtfertigen – "Extremismus und Terrorismus". Des Weiteren stünden Regierungen weltweit unter Druck in Problembereichen wie Klimawandel, globale Gesundheit, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Migration. Was auch immer die Probleme sein mögen, die Lösung ist laut Wallace, der vor seiner Amtszeit unter anderem für die Rüstungsindustrie tätig war, militärischer Natur.

"Unsere Streitkräfte müssen dabei unbedingt eine Rolle spielen – Hard Power untermauert Soft Power – und diese Werte verteidigen, wo immer sie herausgefordert werden, sei es auf den Weltmeeren, wie wir es letzten Monat im Schwarzen Meer gesehen haben, oder beim Schutz unserer Gesellschaften vor Subversion im Cyberspace, wie wir es während der COVID-19-Pandemie getan haben."

Entsprechend habe Großbritannien – ein Land, in dem jüngst erstmals das UNO-Kinderhilfswerk wegen hungernder Kinder tätig war und die Lebenserwartung aufgrund armutsfördernder Politik gesunken ist – seinen Verteidigungshaushalt für die nächsten vier Jahre um 14 Prozent erhöht, einschließlich fast 120 Milliarden Dollar für neue Ausrüstung und Unterstützung, frohlockte Wallace und verwies auch auf US-Rüstungsgüter.

Darunter fällt die Anschaffung brandneuer F35-Lightning-Tarnkappenjäger, aufgerüsteter Typhoon-Kampfflugzeuge, neuer unbemannter Protector-Systeme, die in der Lage sind, aus der Ferne zuzuschlagen, Kampfjets der nächsten Generation und Schwarmdrohnen in der Luft, zu Land außerdem eines neuen Regiments, das von der für zahlreiche, destabilisierende Geheimoperationen bekannten US-Spezialeinheit Green Berets beeinflusst wurde, so Wallace.

"An Land wird die Armee mobiler, geschützter und tödlicher sein, mit einem neuen Ranger-Regiment, das in der Lage ist, unsere Partner zu trainieren, zu beraten und – wenn nötig – an ihrer Seite in komplexen, hochgefährlichen Umgebungen zu operieren. Ihre Ausbildung wurde zum Teil von Ihren berühmten Green Berets beeinflusst, und ich werde sie morgen in Fort Bragg besuchen, um zu sehen, was wir noch lernen können."

Die berühmt-berüchtigten US-Spezialeinheiten, Green Berets genannt, bewegen sich unter anderem in "unkonventioneller" oder "asymmetrischer" Kriegsführung – sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten – oft in fernen Ländern. In diesen Bereichen sind Völkerrechtsbrüche entsprechend schwer nachweisbar oder auf die jeweilige entsendende Regierung zurückzuführen. Und wenn in der Geschichte Rechtsbrüche durch transnationale Gerichte nachgewiesen worden waren, beispielsweise in der Iran-Contra-Affäre, hat die US-Regierung diesen Teil der oft betonten sogenannten gemeinsamen Werte, die Rechtsstaatlichkeit, geflissentlich verworfen. Wallace hindert das offenbar keineswegs daran, sich die USA in diesem Bereich zum Vorbild zu nehmen.

Auf See werde die Royal Navy von der ersten Vergrößerung der Flotte seit dem Kalten Krieg profitieren, mit neuen Fregatten und U-Booten, die sich zu unseren mächtigen Flugzeugträgern der HMS-Queen-Elizabeth-Klasse gesellten und aktiver sowie globaler eingesetzt würden.

Insgesamt gehe es außerdem um Schnelligkeit sowohl in der Entscheidungsfindung und der Reaktion, sodass man sich auf entsprechende digitale Informationsspeicher verlasse – ein Bereich der Digitalisierung, der international und auch hierzulande höchst umstritten ist. Großbritannien wolle eine Cyber-Truppe etablieren, die die besten Operatoren aus der Verteidigung und den Nachrichtendiensten zusammenbringt, und weiterhin als Streitmacht im "Informationszeitalter" auch im Weltraum "Fortschritte machen".

Wallace deutet auch die Verschiebung des Fokus auf die präventive Bekämpfung von Bedrohungen an – die die Geschichte der US-geführten Kriege vor allem seit diesem Jahrhundert durch folgenreiche Einsätze wie im Irak geprägt hat. Denn, so Wallace, alte Bedrohungsszenarien machen das Militär eher träge:

"Schon jetzt zeigt sich, dass wir nicht länger eine Kontingentsarmee bleiben können, die sich ausschließlich auf die Vorbereitung des 'großen Krieges' konzentriert, der, um ehrlich zu sein, zur 'Komfortzone' unserer Streitkräfte werden kann und genau der Konflikt ist, den unsere Gegner zu vermeiden suchen.

Anstatt also darauf zu warten, dass die Bedrohungen akut werden – wie bei der Geschichte mit dem langsam gekochten Frosch –, müssen wir abschrecken und sie an der Quelle bekämpfen, indem wir uns stärker nach vorne orientieren, präsenter werden und uns beharrlich engagieren, ständig Kampagnen führen, unaufhörlich gegen unsere Gegner vorgehen und gleichzeitig die Fähigkeiten unserer Verbündeten ausbauen.

Moderne Abschreckung muss intelligenter werden und sich ebenso sehr auf den Wettbewerb unterhalb wie oberhalb der Schwelle eines offenen Konflikts konzentrieren. Ich freue mich, sagen zu können, dass dies genau die Richtung unserer doktrinären Entwicklung ist."

Um diesen Wettbewerb zu gewinnen, müsse man auch auf Partnerschaften setzen.

"Deshalb stärkt das Vereinigte Königreich nicht nur unsere Stellung als führender europäischer NATO-Verbündeter, was Ausgaben und Fähigkeiten angeht, sondern auch die konzeptionelle Entwicklung der 'NATO 2030'."

Regionen, in denen sich der "strategische Wettbewerb" abzeichne, seien der hohe Norden, Afrika, Mittel- und Südamerika und insbesondere der indopazifische Raum. Wallace erklärte seinem Publikum zudem, dass eine "strategischere, ganzheitliche Kampagne, die wirtschaftliche, kulturelle und diplomatische Instrumente einschließt", gefragt sei, und zwar permanent. Dabei müsse man – wenn man es ernst meine – fragen, wie weit man bereit ist zu gehen, so Wallace, der im Weiteren die Notwendigkeit von Gesetzesreformen unterstrich:

"Werden wir unsere Gesetze ändern und unsere Strukturen reformieren? Werden wir ausweiten, mit wem wir unsere kostbare Intelligenz teilen? Werden wir denjenigen, die mit der Führung dieser Kampagnen beauftragt sind, die Autorität geben, sie mit derselben Entschlossenheit durchzuführen wie unsere traditionellen Operationen?"

Wallace deutete zudem an, dass die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen London und Washington künftig stärker offensiv betont werden müsse, dabei setze man bereits jetzt auf militärische Kooperation, etwa mit der "Carrier Strike Group", die jetzt in den Indopazifik eintritt. "Der Zerstörer USS The Sullivans der Arleigh-Burke-Klasse versorgt unsere Strike Group mit Luftabwehr- und U-Boot-Abwehrfähigkeiten", erörterte Wallace und schwärmte weiter: "Ein Geschwader von zehn F-35B Lightnings des US Marine Corps – die Wake Island Avengers – fliegt stolz Seite an Seite mit ihren britischen Kollegen."

Im April war angekündigt worden, dass eine Carrier Strike Group auf einem 28-wöchigen Kurs über Europa, Afrika und den Nahen Osten nach Asien reisen werde, wo im Indopazifik Militärübungen entsprechende Reaktionen der chinesischen Regierung hervorriefen: Durch diese werde eine "angespannte Situation" verschärft und "Instabilität und Sicherheitsrisiken" geschaffen. Nachdem die an den Übungen teilnehmenden Streitkräfte behauptet hatten, sie verteidigten lediglich freie und offene Gewässer in der indopazifischen Region, hat Peking seine eigenen militärischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer zum Schutz seiner "nationalen Souveränität, souveränen Rechte und Gerichtsbarkeit" in der Region verstärkt. Wallace jedoch lobte in der vergangenen Woche die Carrier Strike Group als "die Verkörperung all dessen, was der britische Verteidigungssektor im Rahmen der Integrated Review anstrebt – ein großer multilateraler Einsatz modernster militärischer Fähigkeiten und die Zusammenarbeit mit unseren engsten Verbündeten, nicht um in einer Krise einem Gegner gegenüberzutreten, sondern um unsere gemeinsamen Werte selbstbewusst zu vertreten".

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