Das "Ozonloch" über der Arktis galt vor 20 Jahren noch als eine der größten ökologischen Bedrohungen. Durch ein internationales Abkommen (Protokoll von Montreal) wurden die FCKW-Verbindungen weitgehend aus der industriellen Produktion verbannt - und das Problem verschwand aus den Schlagzeilen. Jetzt hat die Universität Maryland in Kooperation mit Forschungseinrichtungen in den USA, in Deutschland und Finnland eine Studie veröffentlicht, die eine dramatische Rückkehr des Ozonschwundes prognostiziert.
Veröffentlicht wurde die Studie in Nature Communications am 23. Juni 2021. Die aktuellen Messwerte wurden auf der MOSAIC-Expedition unter Leitung des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) im vergangenen Jahr gewonnen. Das Institut hat die wichtigsten Ergebnisse in einer Pressemeldung zusammengefasst.
Danach ist im Frühjahr 2020 das größte Ozonloch seit Beginn der Messungen in der Arktis aufgetreten. Eine Analyse hat gezeigt, dass dieses Ozonloch auch auf die Klimaveränderungen zurückzuführen ist. Expeditionsleiter Markus Rex vom AWI:
"Messungen während der Expedition haben gezeigt, dass der chemische Ozonverlust über der Arktis im Frühjahr 2020 größer war als jemals zuvor. Eine umfassende Analyse hat nun ergeben, dass dies auch das Resultat von Klimaveränderungen war. Unsere Arbeiten zeigen leider, dass trotz des weltweiten Verbots der ozonzerstörenden Substanzen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts mit weiter zunehmenden Ozonverlusten über der Arktis zu rechnen ist, wenn der Klimawandel ungebremst weiter voranschreitet."
Durch den Rückgang des Ozons in der Stratosphäre um bis zu 95 Prozent hat sich die Dicke der Ozonschicht auf weniger als die Hälfte reduziert. Basierend auf Simulationen haben die Forschenden den Ozonabbau im arktischen Polarwirbel bis zum Jahr 2100 abgeschätzt.
Beim Polarwirbel handelt es sich um ein relativ abgeschlossenes Tiefdruckgebiet in der Stratosphäre in 15 bis 50 Kilometern Höhe, das sich in jedem Herbst über der Arktis bildet und unterschiedlich lange über den Winter bis in das Frühjahr hinein bestehen bleibt. "Damit es zu einem Abbau von Ozon in der Arktis kommt, muss sich die Stratosphäre im Bereich der Ozonschicht stark abkühlen", sagt Peter von der Gathen, Erstautor der Studie.
"Bei tiefen Temperaturen wird Chlor, das normalerweise in unschädlichen Substanzen gebunden ist, freigesetzt. In der Folge zerstört es zusammen mit Brom bei Sonneneinstrahlung Ozon. Das geschieht nur, wenn die Temperaturen im Winter tief genug fallen. Bei unserer Studie haben wir deshalb auf Basis der langfristigen Temperaturentwicklung im Polarwirbel und dem erwarteten Rückgang der Chlor- und Bromverbindungen auf die Ozonverluste der kommenden Jahrzehnte geschlossen."
Würde die Erde sich nicht erwärmen könnte mit einem stetigen Rückgang des Ozonschwundes ab Mitte dieses Jahrhunderts gerechnet werden. Bis dahin würden die "restlichen" Chemikalien, die seit Montreal verboten sind, immer noch für den temporären Rückgang sorgen. Der Klimawandel, gerade in der Arktis nicht zu leugnen, verkehrt diese Entwicklung in ihr Gegenteil, nach wissenschaftlicher Voraussicht.
Markus Rex erklärt: "Wenn wir unsere Treibhausgasemissionen nicht schnell und umfassend reduzieren, könnte der arktische Ozonverlust trotz des großen Erfolgs des Montrealer Protokolls bis zum Ende des laufenden Jahrhunderts immer schlimmer werden, statt der allgemein erwarteten Erholung zu folgen." Und er fügt hinzu: "Dies stellt einen fundamentalen Paradigmenwechsel in unserer Beurteilung der Zukunft der arktischen Ozonschicht dar."
Der temporäre Schwund des Ozons über der Arktis ist seit den 1970-er Jahren Wissenschaftlern bekannt. Im folgenden Jahrzehnt wurde er auch von Umweltschutzorganisationen in die Öffentlichkeit gebracht. Am 16. September 1987 haben die Mitgliedsstaaten des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht das Protokoll von Montreal angenommen. Es gilt als ein Meilenstein im Völkerrecht mit Bezug zur Umwelt.
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