Vor seinem Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Genf sieht US-Präsident Joe Biden die Beziehungen zu Russland an einem Tiefpunkt. Biden sagte am Sonntag nach dem G7-Gipfel im englischen Cornwall, er stimme einer entsprechenden Aussage Putins aus den vergangenen Tagen zu. "Ich denke, er hat Recht, es ist ein Tiefpunkt." Laut dem US-Präsidenten verstößt Putin in vielen Fällen gegen internationale Normen. Es gehe darum, in diesen Fällen Lösungen zu finden. "Wir suchen keinen Konflikt", betonte Biden. Er werde Putin die Sorgen der USA aber "sehr direkt" mitteilen.
Biden sagte, es gebe "keine Garantie", dass Putin sein Verhalten ändern werde. "Autokraten haben enorme Macht, und sie müssen sich nicht in der Öffentlichkeit verantworten." Biden kommt am Mittwoch erstmals in seiner Amtszeit mit dem russischen Präsidenten zusammen. Anschließend sind getrennte Pressekonferenzen der beiden Präsidenten geplant. "Ich werde meine Sichtweise deutlich machen, wie dieses Treffen ausgegangen ist, und er wird natürlich aus seiner Sicht deutlich machen, wie es ausgegangen ist", sagte Biden.
Putin wirbt für "direkten Dialog"
Putin hatte jüngst in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC gesagt, dass die bilateralen Beziehungen zu den USA ihren Tiefpunkt erreicht hätten. In einem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen, das am Sonntag auszugsweise vorab veröffentlicht wurde, warb Putin vor dem anstehenden Treffen mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen für eine Zusammenarbeit bei Themen von gemeinsamem Interesse. Dazu zählten regionale Konflikte, die "Sorge um die Umwelt" und eine "strategische Stabilität". "Das heißt: Es gibt Themen, bei denen wir effektiv arbeiten können", so Putin.
Der erste russisch-amerikanische Gipfel nach dem Machtwechsel im Weißen Haus findet am Mittwoch in Genf statt. Auf die Frage nach seinen Erwartungen antwortete Putin, es gehe darum, "unsere persönlichen Kontakte und Beziehungen wiederherzustellen, einen direkten Dialog aufzubauen".
Putin zufolge gibt es auch bei Fragen der Wirtschaft gemeinsame Interessen. "Viele amerikanische Unternehmen wollen mit uns zusammenarbeiten, aber sie werden an den Ohren aus unserem Markt gezogen", sagte der 68-Jährige. "Ist das wirklich vorteilhaft für die amerikanische Wirtschaft?" Falls in Genf eine Verständigung auf "Arbeitsmechanismen" für verschiedene Bereiche gelinge, wäre das Treffen "nicht umsonst", so der russische Präsident.
Der US-Präsident hatte am Mittwoch gesagt, die USA wollten eine "stabile, vorhersehbare Beziehung". Zugleich hatte Biden bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er gegenüber dem Kreml einen härteren Kurs einschlagen werde als sein Amtsvorgänger Donald Trump.
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