Die NATO werde eine Antwort auf die Verschiebung der Machtgewichte und die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Welt bieten. Das erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit der Welt am Sonntag anlässlich des bevorstehenden NATO-Gipfels in einer Woche in Brüssel. Die Ergebnisse des Gipfels sollen in einer "Agenda 2030" festgeschrieben werden.
Angesichts wandelnder Bedrohungen werde auch das transatlantische Militärbündnis ihren "Begriff von Sicherheit erweitern und ihre Resilienz stärken". Dazu gehöre auch ein besserer Schutz von Infrastruktur, Lieferketten und Abwehr gegen Hackerangriffe. "Traditionelle Muster von Abschreckung und Verteidigung" sollen weiter angepasst werden, weil es neuartige Bedrohungen auch durch die sogenannte hybride Kriegsführung gebe, die unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Angriffs liegen.
Peking rückt näher
Auch Nicht-NATO-Länder werden künftig enger an die Allianz gebunden werden. Dazu soll die militärische Ausbildung von Partnerländern außerhalb des Bündnisses verbessert werden, um "mehr Sicherheit in unserer Nachbarschaft zu schaffen, weil Prävention in jedem Fall besser ist als Intervention". Besonders Partnerschaften im pazifischen Raum möchte Stoltenberg intensivieren. Er stelle sich eine Plattform zwischen den NATO-Staaten und Ländern in der Pazifikregion vor, die für gemeinsame Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Multilateralismus einstehe. Schließlich sei die NATO "die erfolgreichste Allianz in der Geschichte, weil sie immer bereit war, sich zu verändern, wenn die Welt sich verändert".
Die größte Sorge für Stoltenberg ist der Aufstieg Chinas: "China teilt unsere Werte nicht. Es glaubt nicht an die Demokratie, an die Rede- und Pressefreiheit. Peking rückt immer näher: China ist sehr aktiv in Afrika, auf dem Westbalkan und in der Arktis. China investiert massiv in kritische Infrastruktur in Europa." Dennoch betont er: "Wir betrachten China nicht als Feind."
Minsk und Moskau im Visier
Die Sanktionen der USA und der EU gegen Weißrussland findet Stoltenberg richtig. Als weitere Konsequenz haben Diplomaten aus Weißrussland nur noch einen sehr begrenzten und beaufsichtigten Zutritt zu den Hauptquartieren der NATO. Gleichzeitig seien die Alliierten misstrauisch gegenüber der wachsenden Kooperation zwischen Minsk und Moskau.
Auch eine mögliche Bedrohung der Nachbarländer deutet Stoltenberg an: "Wir haben in der Vergangenheit erfahren müssen, dass Russland die territoriale Integrität von Staaten wie der Ukraine, Georgien und Moldawien massiv verletzt hat." Er wolle nicht zu viel spekulieren, sagte der frühere norwegische Ministerpräsident und fügte hinzu: "Die NATO ist eine defensive Allianz." Die NATO-Länder Litauen, Lettland und Polen haben eine gemeinsame Grenze mit Weißrussland.
Stoltenberg sagte der Zeitung weiter, die Lage in Weißrussland werde auch Thema beim NATO-Gipfel in einer Woche in Brüssel sein, an dem neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch US-Präsident Joe Biden teilnehmen wird. Das bestehende Partnerschaftsabkommen (PFP) mit Weißrussland sei zuletzt deutlich zurückgefahren worden und werde weiterhin überprüft.
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