Der türkische Geheimdienst hat den Neffen des in der Türkei gesuchten islamischen Predigers Fethullah Gülen im Ausland "geschnappt". Das berichtet die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı am Montag unter Berufung auf eine Geheimdienstquelle. Er soll zurück in die Türkei gebracht worden sein.
Selahaddin Gülen wird in der Türkei die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, dessen Führungsperson Fetullah Gülen sei. Der Neffe des Predigers sei "mithilfe der geheimen Struktur der Terrorgruppe ins Ausland geflohen".
Er habe Beziehungen zu Mitgliedern des sogenannten Beratungsausschusses des angeblichen Terrornetzwerkes.
Wo die Festnahme erfolgte, ist nicht bekannt. Er soll sich zuletzt in Kenia aufgehalten haben. Seine Frau Serriye, eine Lehrerin in Kenia, erklärte in einem Video, das in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, dass ihr Mann Anfang Mai in der kenianischen Hauptstadt Nairobi verschwunden ist.
Die Entführungs-Operation sei von der Nationalen Nachrichtenorganisation der Türkei durchgeführt worden. Anadolu veröffentlichte ein Bild von ihm, auf dem er zwischen zwei türkischen Fahnen zu sehen ist. Es ist nicht bekannt, ob die Operation im Einverständnis mit den kenianischen Behörden erfolgte.
Die türkische Regierung wirft der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unter anderem vor, hinter dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 zu stehen. Seine Bewegung wird dort als Terrororganisation eingestuft.
Gülen selbst lebt seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten. Die türkische Regierung verlangt von Washington seine Auslieferung. Er bestreitet sämtliche Vorwürfe gegen ihn seitens der türkischen Regierung. Über einen längeren Zeitraum förderte die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğans die Gülen-Bewegung, bis es jedoch Anfang der 2010er-Jahre zunehmend zu Spannungen kam.
In vielen Staaten betreibt die Gülen-Bewegung ein Netzwerk von Schulen und anderen sozialen Einrichtungen. Kritikern zufolge dient dies der politischen Unterwanderungen der Gesellschaften, in denen das Netzwerk aktiv ist. Aufgrund dieser Beschuldigungen wurde die Bewegung in mehreren Staaten bereits verboten.
Nach dem Putschersuch im Jahr 2016 wurden mehrere Säuberungswellen des Staatsapparates durchgeführt, der 100.000 Staatsbedienstete zum Opfer fielen. Sie wurden entweder entlassen oder suspendiert – viele auch angeklagt. Gegen 2.500 Verdächtige wurden lebenslange Haftstrafen verhängt.
Bereits in der Vergangenheit nahmen türkische Sicherheitskräfte Personen im Ausland fest, denen sie eine Mitgliedschaft in der Gülen-Organisation vorwarfen, etwa in Afrika oder auf dem Balkan.
Ein prominenter Fall ereignete sich im Jahr 2018, als sechs türkische Staatsbürger im Kosovo verhaftet wurden. Das führte zu einer politischen Krise, die zum Rücktritt des Innenministers und des Geheimdienstchefes des Territoriums führte.
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