Grönland ist von einem enormen geostrategischen und ökonomischen Interesse. Auf der größten Insel der Welt gibt es reiche Vorkommen von Seltenen Erden – vor allem hat Grönland eine immense Ausdehnung in die Arktis hinein – und damit Anspruch auf die Gewässer und die Schürfrechte. Das gilt zumindest theoretisch, denn die Autonomie der Insel ist begrenzt durch seine offizielle Zugehörigkeit zu Dänemark. Die dänische Regierung ist zuständig für die Sicherheits- und Außenpolitik Grönlands und ebenso für die Färöer Inseln.
Im Fall von Grönland ist die dänische Hegemonie jedoch keineswegs unbestritten. Das Nachrichtenmagazin Telepolis berichtet, dass nach der grönländischen Parlamentswahl im April sich eine Mehrheit zweier Parteien – die regierende linken Partei Inuit Ataqatigiit ("Gemeinschaft der Inuit") unter Premierminister Mute Egede und die Partei "Naleraq", die Fischfang-Interessen vertritt – gefunden hat, die gemeinsam die Unabhängigkeit Grönlands erwirken wollen. Damit einher geht eine volle Selbstverwaltung der grönländischen Bodenschätze.
Die Ressourcenfrage war das vornehmliche Thema der Parlamentswahlen. Die nun regierende Inuit Ataqatigiit war angetreten, um die von der vormaligen Regierungspartei Siumut befürwortete Vergabe von Schürfrechte an das australisch-chinesische Bergbauunternehmen Greenland Minerals zu verhindern. Mit der Regierungsantritt von Mute Egede hat sich die politische Ausrichtung Grönlands verändert. Es zeichnet sich eine verstärkte Ausrichtung zu den USA ab.
Nicht zufälligerweise fand in der vergangenen Woche ein Gipfeltreffen zwischen dem US-Außenminister Antony Blinken mit seinen dänischen, grönländischen und färöischen Amtskollegen in Kopenhagen statt. Die dänische Regierung war sichtlich bemüht war, die Beziehungen zu den USA als harmonisch darzustellen. Der dänische Außenminister Jeppe Kofod äußerte laut der Nachrichtenagentur Associated Press:
"Heute ist Amerika zurück – auf mehr als nur einer Art. Lassen Sie mich sagen, Amerika ist vermisst worden."
Für die neue grönländische Regierung ging es aber um mehr. Der Außenminister Grönlands, Pele Broberg, betonte auf dem Treffen, eine dänische Einmischung in die Beziehungen Grönlands zu den USA verbiete sich. Broberg prägte den Satz:
"Nichts über uns und ohne uns."
Wachsender Einfluss der USA – Stoßrichtung gegen Russland
Gegenüber dänischen Medien erläuterte Broberg, Grönland beabsichtige, sich direkt unter amerikanischen Militärschutz zu stellen. Das dänische Militär wäre zu schwach, sie vor einer Invasion zu schützen und sollte daher bald aus Grönland abziehen. Dabei hatte Dänemark erst Anfang dieses Jahr beschlossen rund 240 Millionen US-Dollar in die Verteidigungsfähigkeit Grönlands zu investieren. Überhaupt ist die Frage der grönländischen Unabhängigkeit nicht von dem finanziellen Aspekt zu trennen, da Dänemark laut Medienberichten jährlich etwa 500 Millionen Euro in die Insel investiert, obwohl dort nur etwa 56.000 Menschen leben.
Telepolis berichtet unter Berufung auf grönländische Quellen, dass sich bereits seit dem vergangenen Jahr die US-Präsenz in den grönländischen Gemeinden verstärkt habe. Während im Jahr 2019 noch durch die Medien geisterte, der damalige US-Präsident Donald Trump plane, die Insel Grönland zu kaufen und den USA einzuverleiben, scheint die US-Regierung 2020 und nun auch nach Übernahme durch US-Präsident Joe Biden zu einer anderen Vorgehensweise gewechselt zu haben. Beispielsweise richteten die USA im Sommer 2020 ein Konsulat in der grönländischen Hauptstadt Nuuk ein. Zudem erklärte der grönländische Außenminister Broberg, zukünftig werde Grönland in wirtschaftlichen Belangen direkt mit den USA verhandeln und nicht dem Weg über Kopenhagen nehmen.
Mit dem Wunsch der USA auf die Ressourcen Grönlands zugreifen zu können – und damit den Konkurrenten China aus dem Rennen zu stechen –, verbindet sich ein klares geopolitisches Kalkül, das gegen Russland gerichtet ist. Es geht dabei um die Zugriffsmöglichkeiten auf die Arktis, aber auch um militärische Belange. Während des Kalten Krieges war die sogenannte GIUK-Lücke von großem strategischen Interesse – eine Linie gezogen von Grönland über Island bis nach Schottland. Entlang dieser Linie sollte ein Durchbrechen der sowjetischen Marine bzw. der U-Boote verhindert werden, um die USA zu verteidigen.
Die USA scheinen nun an einer Neuauflage dieser Konzeption zu arbeiten. In diesem Zusammenhang steht auch ein verstärktes Interesse der USA an den Färöer Inseln, die wie Grönland mit Dänemark assoziiert sind. Ende 2020 unterzeichneten beide Seiten ein Abkommen, das vordergründlich Handel und Forschung betrifft. Laut Telepolis bekundeten die USA dabei ein reges Interesse, die zwischen Island und Schottland gelegenen Inseln – mitten in der GIUK-Lücke – als Militärstützpunkt nutzen zu können. Auf Grönland verfügen die USA bereits seit 1951 eine Militärbasis, die Thule Air Base, die auf grönländisch Pituffik genannt wird ("Wo man etwas festmacht").
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