Konflikt mit Russland: "Klimawandel" legt potenzielle Handelsrouten in Arktis frei

In der Arktis prallen Ansprüche aufeinander. Die Rivalität um die Ressourcen im Meeresboden ist groß. Aus der Sicht der US-Regierung ist "ein Anlass zu Sorge", dass sich Russlands nördlicher Seeweg durch die Arktis als eine alternative Handelsroute durchsetzen könne.

Der Arktische Rat traf sich am Donnerstag in der isländischen Hauptstadt Reykjavík. Das Land gab den Vorsitz des Arktischen Rates ab, den es seit 2019 innehatte, denn der Vorsitz rotiert alle zwei Jahre unter den acht Mitgliedsländern. Den Arktischen Rat gibt es seit 1996, und er soll dabei helfen, die Interessen aller Staaten auszugleichen, die an die Arktis grenzen. Dem Rat gehören neben Island, Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen und Kanada auch die USA und Russland als die acht Mitglieder an, die Beschlüsse fassen können. Daneben gibt es noch dreizehn Staaten sowie einige Organisationen mit einem Beobachterstatus. Bislang hatte sich der Rat insbesondere auf die Forschung sowie die Seenotrettung in der Region konzertiert. Sicherheitsgeopolitische Fragen standen dabei noch nicht so sehr im Vordergrund. In diese Richtung bewegen sich jedoch stückweise nun insbesondere die westlichen Länder, denn es gibt mehr oder weniger deutliche Äußerungen von westlichen Politikern zu Arktis, die man in Bereich von Sicherheitsfragen einordnen sollte.

So machte Dänemarks Außenminister Jeppe Kofod bereits im Vorfeld des Treffens jüngst Stimmung gegen Moskau. Bezüglich einer angeblich "zunehmenden Aufrüstung Russlands in der Arktis" sei die "verstärkte Konzentration der NATO auf die Arktis und die nordatlantische Region" als "eine willkommene und natürliche Entwicklung angesichts der neuen Sicherheitsdynamik" in der Region zu begrüßen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung am Mittwoch vor dem Ministertreffen des Arktischen Rates an diesem Donnerstag. Dänemark ist durch die Hoheit über Grönland einer der sieben unmittelbaren Arktis-Anrainerstaaten (ohne Island).

Am Montag besuchte der US-Außenminister Antony Blinken Kopenhagen. Bei diesem Besuch ging es unter anderem um die Arktis und damit verbundene Sicherheitsfragen. Der vorige US-Präsident Donald Trump hatte laut darüber nachgedacht, ob man den Dänen nicht das zwar autonome, aber formal zum Königreich gehörende Grönland abkaufen könne. Blinken jedoch lobte nun die Rolle Dänemarks als ein enger Verbündeter der USA und als NATO-Mitglied dafür, dass das Land mehr in die Sicherheit der Arktis investieren wolle. 

Auf dem diesjährigen Ministertreffen übernahm Russland für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz über den Arktischen Rat. Das macht die Region rund um den Nordpol umso wichtiger für die westlichen Staaten – als "Russlands Rivalen". Kurz vor dem schon stattgefundenen Ministertreffen des Arktischen Rates an diesem Donnerstag veröffentlichte die FAZ einen Meinungsbeitrag über die zunehmende Bedeutung der Arktis in den nächsten Jahren bezüglich geopolitischer Fragen. Die zweifellos "transatlantisch" orientierte Zeitung fragt dabei, ob es in der Arktis zu einem Konflikt mit Russland kommen könne. Der FAZ-Beitrag mit der Überschrift "Die Sicherheit wird in der Arktis verteidigt" verknüpft die zunehmende Bedeutung der Arktis mit der Debatte über einen Klimawandel. "Der Klimawandel zeigt sich dort so deutlich wie an kaum einem anderen Ort." 

"Die Temperatur steigt schneller, das Eis schmilzt immer weiter. Dadurch weckt die Region aber auch extreme Begehrlichkeiten. So schnell wie das Eis schmilzt, nehmen die Spannungen zu. Es geht um wertvolle Rohstoffe, um Gas, Öl und seltene Erden. Und es geht um freigeschmolzene Handelsrouten. Weltmächte versuchen ihren Anspruch zu behaupten, ebenso wie kleine Länder des Nordens."

Der US-Außenminister Blinken machte schon vor dem Treffen in Reykjavík deutlich, er sehe "die Gefahr einer militärischen Aufrüstung" am Nordpol. Hintergrund sei laut FAZ die "zunehmende russische Präsenz in der Arktis".

"Nicht nur in Washington, auch in Kopenhagen oder Oslo verfolgt man diese [russische Präsenz] genau. Satellitenbilder zeigen, wie Russland Militärbasen an seiner Grenze zur Arktis aufbaut. Völkerrechtlich ist das unumstritten, doch ist die amerikanische Seite besorgt, dass der Kreml die Basen nutzen könnte, um jenseits seiner Grenzen aktiv zu werden und Kontrolle über Teile der Arktis zu gewinnen, die aufgrund des Klimawandels schon bald eisfrei sein könnten."

Abgesehen von den Mutmaßungen über zunehmende militärische Präsenz Russlands sieht die FAZ ganz aus dem Blickwinkel der US-Regierung als den anderen Anlass zu Sorge die russischen Ankündigung, eine Schiffsroute von Norwegen nach Alaska und zurück entlang der russischen Nordgrenze zu kontrollieren, welche künftig Europa und Asien verbinden könne, und zwar mit der Hälfte des bisherigen Zeitaufwandes, der für die Suezkanalroute benötigt wird.

"Der Klimawandel legt die russische Nordgrenze, die bisher durch Eis geschützt war, frei; inzwischen ist die Strecke schon einige Monate im Jahr eisfrei. Der Ausbau dieser sogenannten Nordostpassage mit neuen Häfen, Schiffen und Eisenbahntrassen bis 2035 ist eine Moskauer Priorität."

Die Nordostpassage könne selbst für China nun auch noch "eine polare Seidenstraße" werden. Auch USA und Kanada nutzen allerdings selbstverständlich die freigeschmolzenen Wasserwege als "Nordwestpassage".

Der russische Außenminister Sergei Lawrow sagte vor Kurzem, Russland höre sehr wohl ein "Wehklagen" darüber, dass Russland militärische Aktivitäten in der Arktis entfalte. "Wir sind verantwortlich dafür, dass unsere arktische Küste sicher ist, und alles, was unser Land dort macht, ist absolut gesetzmäßig und legitim." Andererseits jedoch versuche etwa Norwegen, die NATO in die Arktis hineinzuziehen, sagte Lawrow.

Angesichts der jüngsten Ereignisse im Suezkanal wurde der Bedarf an alternativen internationalen Routen für den Seetransport überdeutlich. China und Russland verfügen bereits über konkrete Pläne und sind damit bestens positioniert, um aus den neuen Optionen Gewinn zu ziehen. Eine erste Alternative war Chinas Belt and Road-Initiative. Im Rahmen des globalen Projekts unter der Federführung Pekings wurden und werden auf mehreren Kontinenten hunderte Milliarden US-Dollar in den Bau neuer Hafenanlagen, Eisenbahnverbindungen und Straßen investiert. Zweitens gibt es künftig Russlands Nördlichen Seeweg durch die Arktis, der durch die exklusive Wirtschaftszone dieses Landes verläuft und eine Durchgangsroute von einem Ende Eurasiens bis zum anderen Ende ermöglicht. Moskau investiert stark in die Infrastruktur sowie in Eisbrecher und weitere Schiffe und preist den Weg als Alternative zu der risikoreichen, längeren und teureren Route durch den Suezkanal an. Diese potenzielle alternative Handelsroute könnte die geopolitischen Kräfteverhältnisse weitreichend zugunsten Eurasiens ändern.

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