Vielversprechend, wenn auch kompliziert, seien die bisherigen Verhandlungen zur Wiederbelebung des Atomdeals, sagte der Chef des iranischen Präsidialamtes Mahmud Waezi am Donnerstag. Gegenüber der Nachrichtenagentur IRNA unterstrich Waezi die Bedeutung der Verhandlungen, da es innerhalb der Vereinigten Staaten und Israels sowie einiger regionaler Länder Gegner des Abkommens gebe, die Hoffnung auf das Scheitern der Verhandlungen setzen. Die dritte Runde der Gemeinsamen Kommission des Atomdeals JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action, Deutsch: Gemeinsamer Umfassender Aktionsplan) begann am Dienstag in Wien.
Die Biden-Administration hatte betont, zu dem Abkommen zurückkehren zu wollen, das Iran vom Bau einer Atombombe abhalten soll. Im Gegenzug sollte der Westen Beschränkungen im Handel abbauen, die die Wirtschaft Irans lähmen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte das Abkommen im Mai 2018 einseitig beendet und stattdessen auf eine Strategie maximalen Drucks gesetzt und erneut Sanktionen gegen Iran verhängt. Als Reaktion auf die vom Westen ausgebliebene Umsetzung der Zusagen verstößt Iran seit 2019 selbst Schritt für Schritt gegen Vertragsauflagen. Biden hat eine Rückkehr zum Vertrag in Aussicht gestellt, forderte aber zuerst von Iran die uneingeschränkte Einhaltung der Vorgaben. Teheran pochte seinerseits darauf, dass zunächst die von Trump verhängten Sanktionen aufgehoben werden müssten.
Laut einem Bericht der Associated Press vom Donnerstag unter Berufung auf nicht genannte US-Beamte, die mit der Angelegenheit vertraut seien, erwägt die Biden-Administration beinahe eine komplette Rücknahme einiger der strengsten Sanktionen gegen Iran. Noch Mitte April hieß es, dass die US-Seite dazu nicht bereit sei, nicht zuletzt, da regionale Kräfte, darunter Saudi-Arabien und Israel, sowie Republikaner dem Abkommen an sich entgegenstehen.
Welche Sanktionen für eine Aufhebung in Frage kommen, sagten die Beamten dem Bericht zufolge nicht, doch gebe es demnach in Washington die Bereitschaft, alle Sanktionen aufzuheben, die mit dem Atomabkommen unvereinbar sind oder auf die Iran Anspruch hätte, wenn er zur Einhaltung des Abkommens zurückkehren würde.
Aufgrund der komplexen Natur der Sanktionsarchitektur könnte das auch nicht-nukleare Sanktionen einschließen, beispielsweise solche, die mit Terrorismus, Raketenentwicklung und Menschenrechten verbunden sind. Im Rahmen des Abkommens von 2015 waren die Vereinigten Staaten nur verpflichtet, die an das iranische Atomprogramm gebundenen Sanktionen aufzuheben, nicht aber die nicht-nuklearen Sanktionen. Beamte der Biden-Administration begründeten die mögliche Aufhebung auch nicht-nuklearer Sanktionen damit, dass die Trump-Administration absichtlich versucht habe, jede Rückkehr zum Abkommen damit zu erschweren und gar zu verhindern. Damals verhängte Sanktionen wurden auf der Basis angeblicher Terrorunterstützung und anderer Gründe gegen viele derselben Einrichtungen gerichtet, trafen aber auch zuvor nicht sanktionierte Unternehmen.
Offiziell bestreiten Beamte der Biden-Administration, dass alle nicht-nuklearen Sanktionen aufgehoben werden könnten. Dabei haben sie jedoch abgelehnt, jene Maßnahmen zu identifizieren, die von der früheren Administration zu Unrecht verhängt worden sein könnten.
"Jede Rückkehr zum JCPOA würde Sanktionserleichterungen erfordern, aber wir erwägen, nur die Sanktionen zu beenden, die mit dem JCPOA unvereinbar sind", zitierte AP den Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. "Selbst wenn wir dem JCPOA wieder beiträten – was eine Hypothese bleibt –, würden wir die Sanktionen gegen Iran für Aktivitäten, die nicht vom JCPOA abgedeckt sind, beibehalten und weiter umsetzen, einschließlich der Verbreitung von Raketen durch Iran, der Unterstützung des Terrorismus und der Menschenrechtsverletzungen." Zugeständnisse der USA, die über nuklearspezifische Sanktionen hinausgehen, könnten von Gegnern der Wiederbelebung des Abkommens als Beweis ausgelegt werden, dass Washington zu sehr nachgibt.
Teheran hatte zuvor betont, dass die USA schnell zum Deal zurückkehren und die Sanktionen gegen Iran aufheben könnten. In diesem Fall würde auch Iran seine Verpflichtungen in dem Vertrag von 2015 wieder einhalten. Der stellvertretende iranische Außenminister für politische Angelegenheiten Abbas Araghtschi unterstrich am Mittwoch, dass Iran seine Haltung nicht geändert habe. Die USA sollten zuerst alle Sanktionen aufheben, dann werde Iran zu seinen Verpflichtungen zurückkehren, nachdem die Aufhebung der Sanktionen überprüft wurde, fügte er hinzu.
Laut einem US-Beamten, der unter der Bedingung der Anonymität mit AP sprach, besteht die Bereitschaft, Sanktionen aufzuheben, die Iran die Vorteile des Abkommens verwehren würden. Dies könnte Beschränkungen für den Zugang Irans zum internationalen Finanzsystem beinhalten, einschließlich des Handels mit dollarbasierten Transaktionen.
Auch Price hatte in der vergangenen Woche Sanktionen erwähnt, die mit dem Atomabkommen unvereinbar seien und die bei der vollen Rückkehr Teherans zum Abkommen zurückgenommen werden könnten. Welche Sanktionen das sind, erklärte er nicht.
Sanktionen, die beispielsweise die iranische Zentralbank, die nationalen Öl- und Schifffahrtsgesellschaften sowie die Produktions-, Bau- und Finanzsektoren betreffen, wurden von der Trump-Administration mit Verweis auf Terrorunterstützung, Raketenprogramme und Menschenrechtsprobleme in Iran verhängt, betreffen jedoch auch die Aufhebung der nuklearen Sanktionen. Laut US-Beamten wurden noch keine Entscheidungen getroffen, und in Wien könne nichts vereinbart werden, bis alles bezüglich der Sanktionserleichterung und der Rückkehr Irans zur Einhaltung des Atomabkommens geklärt ist. Am Donnerstag äußerte sich auch Michail Uljanow, der russische Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), positiv über die Verhandlungen in Wien. Ein Gespräch des russischen Teams mit dem US-Sondergesandten für Iran, Robert Malley, bezeichnete er als "ausführlich und sehr ergiebig".
Waezi betonte, dass bei den Wiener Gesprächen nichts überstürzt werde und in der Zwischenzeit keine Chancen verschenkt würden. Derweil bemühen sich in den USA Gegner des Atomabkommens darum, die harte Haltung der Vorgängerregierung gegenüber Iran durch neue Gesetze zu kodifizieren. Am Mittwoch wurde eine Resolution mit mehr als 220 demokratischen und republikanischen Mitunterzeichnern in den Kongress eingebracht. Die Unterzeichner fordern die Regierung auf, "die Rechte des iranischen Volkes und seinen Kampf für die Errichtung einer demokratischen, säkularen und nicht-nuklearen Republik Iran anzuerkennen und gleichzeitig das herrschende Regime für sein zerstörerisches Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen". Im Juni stehen in Iran Präsidentschaftswahlen an. Präsident Hassan Rohani kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren.
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