Seit seinem Amtsantritt hat der 78-jährige US-Präsident Joe Biden ein knapp zwei Billionen Dollar schweres Konjunkturprogramm in Gang gesetzt, mit dem er die marode Infrastruktur in seinem Land erneuern will. Auch ein soziales Programm zur Verbesserung der Gesundheitsvorsorge und zur Eindämmung der CO2-Gase kam hinzu. Die Ausgaben beflügeln seitdem die Wall Street. Nach Daten der US-Bank JP Morgan hat Biden die seit 75 Jahren stärkste Kursrally an der Börse ausgelöst. Seit vergangenem November hat der US-Index S&P 500 mehr als 20 Prozent zugelegt.
Bidens Plan ist zwar, einen Teil der Ausgaben über höhere Firmensteuern von 21 auf 28 Prozent zu deckeln. Anleiheexpertin Pilar Gomez-Bravo von der Fondsgesellschaft MFS sieht in Bidens Politik ein "Experiment".
Die Angst: Die Erhöhung würde direkt auf das Ergebnis je Aktie der Unternehmen durchschlagen. Doch bisher steckte die Börse das weg. Die Aussicht auf steigende Gewinne durch die Öffnung der Wirtschaft wurde durch eine von Bidens Vorgänger Donald Trump eingeleitete Impfstrategie ermöglicht. Aktien, die von einem Anspringen der Konsumlaune profitieren, sind derzeit besonders gefragt. Bleibt die aus, könnte aus der Kursrally schnell ein Absturz werden.
Bidens Vorschläge zur Anhebung des Grenzsteuersatzes auf 39,6 Prozent trifft die Anleger. Für Personen mit einem Einkommen von über einer Million US-Dollar soll sich der Steuersatz auf Kapitalgewinne verdoppeln. Dazu kommt noch eine Extrasteuer auf Investmenteinkommen. So steigt die Gesamtbelastung auf über 40 Prozent. Darüber hinaus will Biden auch die Erben für die Kapitalgewinne des Vorbesitzers besteuern.
Die Analysten von Goldman Sachs warnen, dass der Höhepunkt des Wachstums der US-Wirtschaft bald erreicht sein dürfte. Die US-Investmentbank Morgan Stanley spricht von Gegenwind an der Börse. Die Deutsche Bank erwartet einen Einbruch um zehn Prozent und die Bank of America sieht den S&P 500 am Jahresende niedriger als zurzeit.
Wie lange die Rally noch dauert und wie schnell sich die Anleger trotz der angedrohten Steuern trauen, liegt an weiteren Rahmenbedingungen. Die Ökonomen von Goldman Sachs halten es für wahrscheinlich, dass Investitionen mit rund 28 Prozent besteuert werden.
Anfang Mai wird die US-Regierung ihr Budget vorstellen. Die Ausgabenpläne der Regierung weckten Inflationssorgen. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bewegt sich zwischen 1,5 und 1,6 Prozent.
Die US-Politik hat weltweite Auswirkungen. Die DZ Bank sieht gut Chancen für deutsche Autobauer, den Maschinenbau und die Pharmaindustrie, am Aufschwung in den USA zu profitieren. Mit einem Anteil von 8,1 Prozent an deutschen Exporten waren die USA 2020 der wichtigste Abnehmer – vor China, Frankreich und den Niederlanden.
Die USA bleiben auch für Anleger ein Abenteuer. Biden setzt darauf, so das Wall Street Journal, dass sich in vielen Branchen einige Spitzenfirmen an den Weltmärkten behaupten und sich trotz höherer Gesundheitsausgaben und Steuern der Dienstleistungssektor als Jobmaschine durchsetzt.
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