Bereits vor fast zwei Jahren hatte der Stammzellenforscher Juan Carlos Izpisúa Belmonte eine Ankündigung gemacht, die für einige Kontroversen sorgte: Im Juli 2019 erklärte Ispizúa der spanischen Zeitung El País, dass er zusammen mit chinesischen Wissenschaftlern Embryonen gezüchtet habe, die teils Mensch, teils Affe waren. Nun erschien die dazugehörige Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Cells, die die Debatte um ethische Fragen bei dieser Art der Forschung erneut entfachen dürfte.
Mit seinem Team hatte der Stammzellenforscher Embryonen von Javaner-Affen angezüchtet. Diesen pflanzten sie nach sechs Tagen in sehr wandlungsfähige menschliche Stammzellen ein. Die Zellen fusionierten dann tatsächlich, und es entstanden 132 Embryonen aus Teilen von Mensch und Affe. Nach zehn Tagen lebten noch 103 der Mensch-Affen-Chimären, nach 19 Tagen immerhin noch drei.
Erstaunlich ist der Versuch nicht nur wegen der damit verbundenen ethischen Fragen, sondern auch, dass er überhaupt funktionierte. Bisher haben Chimären-Embryonen noch nie so lange überlebt. Frühere Versuche von Misch-Embryonen aus Mensch und Maus sowie Mensch und Schwein waren gescheitert. Grund dafür war vermutlich die hohe Artenbarriere. Die Chimäre aus Affe und Mensch überlebte hingegen recht lange. Doch dies weckt natürlich auch die Befürchtung, dass diese Entdeckung für ethisch mehr als fragwürdige Zwecke missbraucht werden könnte: Würde man den Chimären-Embryo einer menschlichen oder tierischen Leihmutter einpflanzen, könnte darauf möglicherweise eine neue, eigenständige Lebensform entwickeln.
Izpisúa versicherte, dass er dies nicht vorhabe, zudem hätten Ethikkommissionen seine Experimente zuvor begutachtet. Mit seinen Experimenten verfolge er das Ziel, die Embryonalentwicklung besser zu verstehen. Er arbeite zudem seit Langem daran, in Schweinen menschliche Organe und Gewebe für kranke Menschen zu züchten:
"Es ist unsere Verantwortung als Wissenschaftler, unsere Forschung gut zu durchdenken und allen ethischen, rechtlichen und sozialen Richtlinien zu folgen."
Nach Aussage des Direktors des Zentrums für Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum Münster, Stefan Schlatte, stellt die Arbeit "in der Chimärenforschung einen Durchbruch dar". Dank der Grundlagenforschung in diesem Bereich werde man die Bildung von Organen und Geweben im menschlichen Embryo viel besser verstehen. Solche Studien müssen jedoch unter dem strikten Vorbehalt stattfinden, dass keinesfalls die Geburt eines Mischwesens angestrebt wird. Rüdiger Behr, der Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen am Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen, erklärte der Süddeutschen Zeitung, dass in einen Affenembryo eingebrachte menschliche Stammzellen möglicherweise Organe mit völlig neuen Eigenschaften entstehen:
"Und niemand vermag die Eigenschaften eines solchen Lebewesens vorherzusagen."
In solchen Chimären, beispielsweise Schwein-Mensch-Mischwesen, bestünden jedoch gut Chancen, "Organe für Transplantationen herzustellen". Ob die Rettung solcher todkranken Menschen jedoch als Rechtfertigung für die Erschaffung solcher Chimären ausreiche, sei noch eine offene Frage. Dies müsse "jeder einzelne für sich, die Gesellschaft als Ganzes und dann schließlich rechtlich verbindlich der Gesetzgeber entscheiden", so Behr.
Doch Michael Coors, Leiter des Instituts für Sozialethik an der Universität Zürich, fordert, dass dieser Entscheidungsprozess nun endlich beginnen müsse, denn es bestehe "ein dringender rechtlicher Regelungsbedarf für diese Art der Forschung". Angesichts der Tatsache, dass Izpisúa seinen Versuch bereits vor zwei Jahren ankündigte, kommen die Tatsachen nun nicht gerade überraschend. Umso erstaunlicher sei, dass der Prozess kaum fortgeschritten sei. Dabei gehe es nicht nur um Mischwesen, sondern auch um die Instrumentalisierung der verwendeten Tiere und das potenzielle Leid, die man solchen Chimären möglicherweise zufüge.
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