Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund ist eine österreichische Astrobiologin und verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung in mehreren internationalen Raumfahrtorganisationen. Als erste Frau an der Spitze einer deutschen Großforschungseinrichtung leitete sie zwischen 2015 und 2020 das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 2018 hat sie den Vorsitz in der International Astronautical Federation (IAF) inne.
Im Laufe ihrer Berufslaufbahn nahm Ehrenfreund an zahlreichen wissenschaftlichen Studien und Experimenten zur Erforschung des Weltraums teil und arbeitete an mehreren Raumfahrtmissionen wie der Cassini-Huygens-Mission zur Erforschung des Saturn und seiner Monde und der Rosetta-Mission zur Erkundung des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko mit. Sie traf sich auch persönlich mit vielen renommierten Raumfahrern. Zu Gast bei RT DE setzte sich die Wissenschaftlerin über die Tätigkeit und die Missionen internationaler Weltraumorganisationen sowie die Ansehnlichkeit des Raumfahrerberufs vor allem für die heutige jüngere Generation auseinander.
Erster bemannter Flug ins Weltall und "Yuri's Night"
In wenigen Tagen wird in Russland und in aller Welt der 60. Jahrestag des ersten Fluges eines Menschen ins All begangen. Prof. Dr. Ehrenfreund sprach im Interview mit RT DE über die Bedeutung dieses historischen Ereignisses für die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft und die damit verbundenen Traditionen:
"Es ist ein Ereignis, das die Technologie und auch weitere Raumfahrtaktivitäten enorm beschleunigt hat. Ich habe natürlich in der Schule darüber gelernt, und das war faszinierend. Und wenn man später, so wie ich, an Raumfahrtmissionen und -aktivitäten arbeitet, dann ist dieser Erstflug ins Weltall wirklich ein Bestandteil dieser spannenden Geschichte des Weltraums."
"Das feiern wir natürlich auch immer mit 'Yuri's Night' jedes Jahr am Starttermin von Juri Gagarin am 12. April. Ich persönlich habe auch noch diese Traditionen miterlebt, die vor jedem Kosmonautenstart in Baikonur stattfinden: dass eben die Kosmonauten zuvor einen Baum pflanzen, dass sie an ihrer Tür unterschreiben. Viele Traditionen werden hier seit Jahrzehnten gepflegt, um natürlich Juri Gagarin zu ehren. Und wenn man bei einem Start dabei ist, dann kann man das natürlich miterleben."
"Dieses Jahr ist ein spezielles Jahr – der 60. Jahrestag. Es gibt viele Veranstaltungen weltweit. Auch die International Astronautical Federation wird eine Konferenz zum Thema 'Internationale Forschung für den Weltraum' in Sankt Petersburg in Zusammenarbeit mit Roskosmos organisieren. Da wird es sicher auch ein Thema sein, und wir werden das feiern."
Begegnungen mit deutschen Astronauten
Im Zuge ihrer Berufskarriere hatte Ehrenfreund das Glück, viele der insgesamt zwölf deutschen Astronauten persönlich kennenzulernen, darunter Alexander Gerst, Matthias Maurer und auch Sigmund Jähn, der es 1978 als erster Deutscher ins Weltall geschafft hatte. Dabei hatte sie auch die Möglichkeit, mitzusehen, wie sich die Astronauten auf ihren Flug vorbereiten und wie die letzten Tage vor dem Start ablaufen. Diese Begegnungen hinterließen bei der Forscherin einen tiefen Eindruck:
"Das sind natürlich wirklich schöne Erlebnisse, die man niemals vergisst."
Sigmund Jähn, der seit 1990 das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und später auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA beraten hatte, hat außerdem laut Ehrenfreund als ein "Brückenbauer und Türöffner zur russischen Raumfahrt" einen wichtigen Beitrag zu der Zusammenarbeit beider Länder und dem erfolgreichen Ausgang vieler Raumfahrtmissionen geleistet. Jähn setzte zudem ein großes Beispiel, indem er viele europäische Astronauten zu ihrem Flugstart nach Baikonur begleitet hat.
International Astronautical Federation
Als Präsidentin der International Astronautical Federation (IAF) ging Ehrenfreund auf die Geschichte und die Rolle der Organisation für die internationalen Weltraumakteure näher ein. Die IAF wurde vor 70 Jahren gegründet und ist mittlerweile mit 407 Mitgliedern aus 71 Ländern die größte Dachorganisation für die weltweite Raumfahrt. In Bezug auf die Tätigkeit und globalen Ziele der IAF erklärte die Wissenschaftlerin, dass die Organisation einen großen Wert auf die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und die Unterstützung der jungen Space Generation für den Raumfahrtsektor sowie der Schwellenländer legt, die in Raumfahrtaktivitäten mitarbeiten wollen. Zu den künftigen Bestrebungen der IAF gehört es laut Ehrenfreund auch, noch mehr Mitglieder für die Plattform zu gewinnen und die Raumfahrttechnologien für den Vorteil der Gesellschaft mehr zu nützen. Dazu zählt es unter anderem, sich an die neuen Trends im Weltraumsektor zu halten und sich damit weiterzuentwickeln.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich viele neue Industrie- und Schwellenländer und auch private Unternehmen der Zusammenarbeit mit der IAF angeschlossen. Solche Kooperation ist laut Ehrenfreund vor allem für die Umsetzung langfristiger Weltraummissionen, zum Beispiel zum Mond oder Mars, entscheidend. Als bestes Beispiel dafür nannte die Forscherin die Internationale Raumstation (ISS), an der seit bereits mehr als 20 Jahren internationale Expeditionen erfolgreich gemeinsam operieren:
"Wir haben, glaube ich, 108 Länder und 3.000 Experimente, die von Astronauten und Kosmonauten in den letzten 20 Jahren auf der Internationalen Raumstation durchgeführt wurden. Und ich glaube, das ist ein wirkliches Zeugnis, wie erfolgreich internationale Kooperation sein wird, und das ist auch ein wichtiges Element für zukünftige langfristige Raumfahrtmissionen."
Neue Aufrufe und Durchbrüche
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) bemüht sich durchgehend um die Aufstockung ihres Astronauten-Corps. Dies soll unter anderem durch stärkere Einbeziehung von Frauen erzielt werden, die bisher nur sehr spärlich im Vergleich zu anderen Ländern bei internationalen Raumfahrtmissionen vertreten sind. Als ein bahnbrechender neuer Aufruf kündigte die ESA außerdem kürzlich an, auch Menschen mit Behinderungen für einen Job im Weltall bewerben zu lassen. Dazu kommentierte Ehrenfreund wie folgt:
"Das ist jetzt mal ein Prozess, und jetzt können sich die Leute bewerben. Das ist immer, glaube ich, für die neue Space Generation und für die jungen Leute sehr aufregend, und ich hoffe, dass sich sehr viele junge Leute auf diesen Aufruf bewerben werden."
Im Gespräch mit Ehrenfreund fragte RT DE, was heute der Weltraumforschung passieren müsste, was mit Gagarins damaligem Erstflug vergleichbar wäre. Die Astrobiologin thematisierte diesbezüglich:
"Ein Durchbruch wäre wirklich, wenn wir zum Beispiel primitives Leben auf dem Mars finden würden. Ich glaube, das ist ganz was Besonderes. Auch wenn wir Proben vom Mars auf die Erde zurückbringen können, um sie in Labors auf der Erde zu analysieren, das wäre auch wirklich etwas ganz Spannendes. Und bemannte Missionen haben natürlich eine ganz andere Dimension. Hier können wir so viele Dinge machen, wir haben so viele neue Technologien entwickelt, die wir ausprobieren können, um die Mondoberfläche besser zu charakterisieren und Mondstationen aufzubauen, aber auch um uns auf eine Reise zum Mars vorzubereiten. Also, ich glaube, hier sind wirklich wichtige und spannende Möglichkeiten in der Zukunft."
Mittlerweile beteiligt sich die ESA laut Ehrenfreund an gleich mehreren großangelegten Projekten zur Erkundung vom Mars und Mond, die von maßgeblicher Bedeutung für die internationale Weltraumforschung sind. Dazu gehört die Vorbereitung auf die Teilnahme am US-amerikanischen Artemis-Mondprogramm. Des Weiteren arbeitet die Organisation mit Russland an den künftigen "Luna"-Missionen zum Mond sowie auch an dem Raumsondenprojekt ExoMars, dessen Start für das Jahr 2022 geplant ist, zusammen. Die ExoMars-Mission soll mithilfe eines Mars-Rovers durchgeführt werden, der zum ersten Mal tief in den Mars-Untergrund bohren und Proben aus der Tiefe des Roten Planeten entnehmen wird. Zu den weiteren ambitionierten Missionen der ESA gehören die "Hera"-Mission zur Asteroiden-Abwehr und die Mars Sample Return-Mission zur Rückführung von Proben vom Mars zur Erde in Kooperation mit der NASA.
Beteiligung privater Unternehmen
Im Raumfahrt-Sektor werden staatliche Konzerne zunehmend von kommerziellen Unternehmen wie SpaceX unterstützt. Dies schafft immer mehr Möglichkeiten zum Beispiel für den Einsatz innovativer Technologien, Produkte und Dienstleistungen, steigert die Wettbewerbsfähigkeit der Weltraumakteure und zeugt zugleich von der wachsenden Bedeutung der Raumfahrt in der Weltwirtschaft, meint Ehrenfreund. Zudem wirkt sich deren Beteiligung auch auf andere Sektoren außerhalb der Raumfahrtbranche aus, wie zum Beispiel Mobilität. Die Wissenschaftlerin erklärte ferner:
"Diese kommerziellen Unternehmen – und darunter sind sehr viele Start-Ups – sind risikofreudiger, arbeiten auf den Serien-Produktionen und bieten neue Geschäftsmodelle an. Das macht an und für sich den Raumfahrtsektor und den Weltraum billiger, zugänglicher und weitaus dynamischer. Wir sehen ja auch, dass einige dieser kommerziellen Unternehmen schon wichtige Leistungen liefern, wie zum Beispiel die Versorgung der Internationalen Raumstation."
Die junge Generation der Astronauten
Für den heutigen Weltraumsektor ist es extrem wichtig, junge Kräfte für die künftigen Raumfahrtmissionen einzubinden, die sich den Herausforderungen der Zukunft stellen können. Leider gibt es Ehrenfreund zufolge mittlerweile einen spürbaren Mangel an Absolventen der für diese Branche essentiellen Studiengänge in Natur- und Technikwissenschaften. Eine Lösung des Problems sieht die Forscherin darin, bereits mit frühen Ansätzen, etwa bei Schülern und Schülerinnen, durchzugreifen, um die junge Generation für die Weltraumforschung zu inspirieren und sich dadurch neue Talente für die künftige Arbeit im Ressort zu sichern. Zu diesem Zweck wurden inzwischen viele Initiativen für junge Leute und Studenten, darunter auch von der IAF, ins Leben gerufen. Ehrenfreund fasste zusammen:
"Ich glaube, es ist wahnsinnig wichtig, diese Generation zu inspirieren, damit wir auch wirklich genug Absolventen und Talente für den Weltraumsektor in der Zukunft haben."
Zum Schluss könnte man laut Ehrenfreunds Meinung sicher sagen, dass der Beruf eines Raumforschers oder eines Astronauten heutzutage genauso renommiert und angesehen ist wie früher. Die Anzahl der an der Weltraumforschung beteiligten Nationen vergrößert sich durchgehend, was neue Möglichkeiten für die Umsetzung noch kühner und spannender Missionen und Experimente im All in der Zukunft eröffnet. Und wobei die Anforderungen an Astronauten immer noch sehr streng bleiben, gibt es die Hoffnung, dass die internationalen Raumfahrtakteure mit großer Unterstützung von Privatunternehmen etwa durch Projekte für den Weltraumtourismus es bald ermöglichen werden, den Weltraum für den Menschen zugänglicher zu machen.
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