Der 1. Mai steht vor der Tür. Das ist das Datum, an dem nach Ex-Präsident Donald Trump alle Truppen Afghanistan verlassen sollten. Obwohl das Militär und das Pentagon einen Kompromiss erzwungen haben und Präsident Joe Biden das Datum in seiner Pressekonferenz von Donnerstag effektiv für nichtig erklärt hat, steht der Abzug noch wie ein Schreckgespenst über der US-amerikanischen Verteidigungspolitik.
Doch ein anderes Problem ist für das Pentagon oder besser gesagt für den Steuerzahler mindestens ebenso groß. Denn Afghanistan ist nicht nur ein politischer Schauplatz, er ist auch eine vorzügliche Geldeinnahmequelle. Neben den US-Truppen befinden sich eine große Anzahl privater Sicherheitsunternehmen in dem Land.
Auf dem Höhepunkt der Truppenaufstockung in Afghanistan zwischen 2011 und 2012 waren nach Zahlen des Congressional Research Service 99.800 US-Soldaten und 117.227 Auftragnehmer im Land. Aber als die Zahl der Truppen in Afghanistan zurückging, begannen die Auftragnehmer, die Truppen zahlenmäßig weit zu übertreffen. Heute gibt es etwa 2.500 Truppen in Afghanistan, aber 18.000 Auftragnehmer. Fast die Hälfte dieser Auftragnehmer arbeitet in den Bereichen Basisunterstützung, Logistik oder Wartung, während der Rest Aufgaben in den Bereichen Sicherheit, Ausbildung, Bau und mehr übernimmt.
Am 12. März, genau 50 Tage vor dem Stichtag 1. Mai, unterzeichnete das Verteidigungsministerium einen Vertrag mit der Textron Systems Corporation über 9,7 Millionen Dollar für "Maßnahmen zum Schutz der Streitkräfte" auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan, einschließlich unbemannter Luftfahrtsysteme, Aufklärung und mehr. Die Arbeiten sollten bis März 2022 abgeschlossen sein, lange nach der angegebenen Frist.
Einen Tag zuvor unterzeichnete das Ministerium einen Vertrag mit Salient Federal Services über 24,9 Millionen Dollar für die informationstechnische Infrastruktur in Afghanistan. Der Vertrag hat dieselbe Fertigstellungsfrist von März 2022.
Präsident Biden hatte am Donnerstag bei seiner Pressekonferenz angemerkt, er könne sich nicht vorstellen, dass die US im nächsten Jahr noch in Afghanistan sein werden. Dann wäre auch das Ende der privaten Sicherheitsunternehmen gekommen. Im US-Taliban-Abkommen vom 29. Februar vereinbarten beide Seiten auch den Abzug von "nicht-diplomatischem zivilem Personal, privaten Sicherheitsfirmen, Ausbildern, Beratern und Personal der unterstützenden Dienste".
Privatunternehmen müssten sich dann ein neues Betätigungsfeld suchen. "Der allgemeine Trend bezüglich der Anzahl der Vertragspartner in Afghanistan geht weiter nach unten. Es ist noch zu früh, um darüber zu spekulieren, ob dies auch in Zukunft der Fall sein wird, da noch keine Entscheidungen über zukünftige Truppenstärken in Afghanistan getroffen wurden", sagte Pentagon-Sprecher Major Rob Lodewick.
Weiterhin Bedarf an privaten Unternehmen
Nicht alle sehen den Auftrag der privaten Sicherheitsunternehmen in Afghanistan als erledigt an. Sie könnten für die Stabilität des Landes und der afghanischen Regierung wichtiger sein als die US-amerikanischen und verbündeten Truppen, sagte der "Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction" (SIGAR) John Sopko.
"Im Dezember erledigte die afghanische Nationalarmee nur knapp 20 Prozent ihrer eigenen Wartungsaufträge und lag damit weit unter dem Ziel von 80 Prozent", sagte Sopko. Die afghanische Polizei war sogar noch weiter im Rückstand. Sie erledigte zwölf Prozent ihrer eigenen Wartungsarbeiten und verfehlte damit das viel bescheidenere Ziel von 35 Prozent.
Insgesamt gibt es mindestens 18 Verträge im Gesamtwert von 931 Millionen Dollar, die seit der Unterzeichnung des US-Taliban-Abkommens am 29. Februar 2020 ausgestellt wurden und sich auf Afghanistan beziehen und deren Fertigstellungstermin nach dem Abzugstermin am 1. Mai liegt. Einige Verträge, wie z. B. die Verträge für Textron Systems Corporation und Salient Federal Services, beziehen sich ausschließlich auf Afghanistan. Andere, wie ein 383,3-Millionen-Dollar-Vertrag vom April 2020, befassen sich mit der Produktion von M16A4-Militärgewehren für mehrere Länder, einschließlich Afghanistan.
Die überwiegende Mehrheit der Verträge – mit einem Umfang von 821,2 Mio. Dollar – war unter der Trump-Administration unterzeichnet worden, die nach der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Administration und den Taliban sehr schnell mit dem Abbau der Truppen begonnen hat.
Unklar ist, was passieren würde, sollte sich das Pentagon dazu entschließen, die Verträge aufzulösen. "Wenn sie Verträge im Wert von einer Milliarde Dollar haben, werden sie eine ganze Menge Klagen am Hals haben, es sei denn, sie sind bereit, sich auf einen Betrag zu einigen, den die Auftragnehmer verlangen können", sagte Dov Zakheim, der ehemalige Finanzchef des Verteidigungsministeriums.
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