Anfang März verkündeten die USA auch neuerliche Sanktionen gegen Russland. Hintergrund war der nach Ansicht Washingtons auf Geheiß des Kremls durchgeführte Nowitschok-Anschlag auf den Politikblogger und vermeintlichen "russischen Oppositionsführer" Alexei Nawalny. Nach Informationen der US-Regierung seien US-Geheimdienste zu dem Schluss gekommen, dass mit hoher Sicherheit Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB einen Giftanschlag verübt hätten. Moskau habe also obendrein Chemiewaffen eingesetzt.
Bei den verkündeten Sanktionen handelte es sich um eine koordinierte Aktion mit der Europäischen Union (EU). Denn in Brüssel hatte man bereits zuvor aus gleichem Grund neue Strafmaßnahmen gegen russische Staatsbedienstete verhängt. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte noch wenige Tage zuvor verkündet, dass man auf EU-Ebene aber auch Wege erörtern werde, wie man mit Russland in einem "konstruktiven Dialog" bleiben könne.
"Wir brauchen Russland, um viele internationale Konflikte beizulegen."
Jetzt dreht die EU – wiederum konzertiert – weiter an der Sanktionsschraube. Diesmal geht es jedoch um den "systemischen Rivalen" China. Die Volksrepublik steht schon seit geraumer Zeit wegen ihres mutmaßlichen Vorgehens gegen die Minderheit der Uiguren am Pranger der transatlantischen Wertegemeinschaft.
Wegen der "Internierung muslimischer Uiguren" könne man nicht länger wegsehen und mache daher nun ernst. Am Mittwoch bestätigten die EU-Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten in Brüssel ein entsprechendes Sanktionspaket.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters sieht das nun geschnürte Sanktionspaket Strafmaßnahmen gegen elf chinesische Diplomaten wegen "schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen" in Chinas Autonomer Region Xinjiang vor. Das ist eine westlich gelegene Provinz, in der die USA und ihre Verbündeten den in Peking Regierenden die angebliche Verfolgung muslimischer Minderheiten vorwerfen. Laut der Zeitung South China Morning sehen die Sanktionen Reisebeschränkungen und die Beschlagnahmung von Vermögenswerten vor.
Das Sanktionspaket soll am Montag auch noch von den EU-Außenministern angenommen werden. Es wären die ersten Sanktionen nach der gewaltsamen Beendigung von Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989. Seinerzeit hatte die EU ein Waffenembargo verhängt.
Neben China zielt das Sanktionspaket zudem auf weitere Staaten in mehreren Weltregionen, denen die EU-Staaten ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Dies sind EU-Diplomaten zufolge neben China also Libyen, Nordkorea, Eritrea, Südsudan und – Russland. Zwei russische Einzelpersonen werden demzufolge wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Schwulenrechte in Tschetschenien belangt.
Die neuen Strafmaßnahmen sollen mit einem erst im vergangenen Jahr eigens geschaffenen Sanktionsinstrument zur Ahndung von "schweren Menschenrechtsverletzungen" verhängt werden. Dieses kam bislang erst einmal zum Einsatz, um – wie erwähnt – russische Staatsbedienstete für die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexei Nawalny nach den jüngst in Russland abgeschlossenen Gerichtsverhandlungen zu sanktionieren.
Am 25. Februar gingen die Niederlande bei ihren Vorwürfen an die Adresse Pekings noch einen entscheidenden Schritt weiter und bezeichneten die Situation in Xinjiang als "Genozid" an der uigurischen Volksgruppe:
"In China findet ein Völkermord an der uigurischen Minderheit statt".
Auch die US-Regierung zögerte nicht, die Situation als Genozid zu bezeichnen. In Peking bezeichnete man diese massiven Vorwürfe als "blanke Lüge".
Nun wies China erneut die Anschuldigungen zurück, wonach Hunderttausende der Uiguren in Umerziehungslager gesteckt worden wären. Angesichts der EU-Sanktionen ergriff am Donnerstag der EU-Botschafter der Volksrepublik Zhang Ming das Wort. Nach Ansicht des Top-Diplomaten könnten "Sanktionen, die auf Lügen beruhen", als Versuch interpretiert werden, "Chinas Sicherheit und Entwicklung zu untergraben":
"Wir wollen Dialog, nicht Konfrontation. Wir bitten die EU-Seite, sich das zweimal zu überlegen. Wenn einige auf Konfrontation beharren, werden wir nicht nachgeben, da wir keine anderen Optionen haben, als unsere Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem Land zu erfüllen."
Bei den vermeintlichen "Internierungslagern" handelt es sich laut der chinesischen Regierung um "freiwillige Fortbildungseinrichtungen" oder "Deradikalisierungszentren". Diese seien in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Aktionsplans der Vereinten Nationen zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus als Reaktion auf das Erstarken muslimischer Separatistengruppen eingerichtet worden.
Peking macht die Gruppierungen für eine Reihe von tödlichen Terroranschlägen verantwortlich, darunter ein Massaker in der Provinz-Hauptstadt Ürümqi im Jahr 2009, bei dem 197 Menschen getötet und weitere 1.700 Menschen verwundet wurden.
Botschafter Zhang warnte Brüssel zudem davor, das sogenannte Comprehensive Agreement on Investment, auf das man sich im Dezember geeinigt hatte, mit mutmaßlichen Menschenrechtsfragen zu verknüpfen. "Wirtschaftliche Fragen" sollten nach Ansicht Chinas "nicht politisiert werden":
"Das bahnbrechende Abkommen wird Hindernisse für EU-Firmen, die auf dem chinesischen Festland investieren, beseitigen und unter anderem die Tür für die Automobil- und Elektronikindustrie öffnen."
Dies geschehe im Lichte der Tatsache, dass China die USA als größten Handelspartner im vergangenen Jahr überholt habe. Das Vertragswerk wurde noch nicht ratifiziert.
Inzwischen halten Beobachter die verlautbarte Begründung für die Verhängung von Sanktionen gegen China im Namen der Menschenrechte der muslimischen Uiguren für wenig glaubwürdig. Sie verweisen nicht nur auf die Kriege der USA und ihrer Verbündeten in mehreren vorrangig von Muslimen bewohnten Ländern. Auch
Gefangenenlager, wie das auf der Guantanamo Bay Naval Base, und US-Geheimgefängnisse auf europäischem Boden, errichtet nach der US-Invasion in den Irak, ließen die Argumentation wenig glaubwürdig erscheinen.
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