Der US-Luftangriff gegen von Iran unterstützte Milizen am Samstag in Syrien war das letzte Kapitel im angespannten Verhältnis zwischen Iran und den USA, das US-Präsident Joe Biden von seinem Amtsvorgänger Donald Trump erbte. Vor etwa dreizehn Monaten kamen die beiden Länder einem Krieg gefährlich nahe: Alles begann mit einem US-Drohnenangriff nahe dem Flughafen Bagdad, bei dem der iranische Generalmajor Qassem Soleimani ermordet wurde, und endete mit einem Angriff iranischer ballistischer Raketen auf den Luftwaffenstützpunkt Al Asad im Irak, wo US-Truppen stationiert waren. Es sei der größte ballistische Raketenangriff gewesen, der jemals gegen Amerikaner verübt wurde, so die US-Armee.
CBS-Korrespondent David Martin sprach kürzlich mit den überlebenden US-Soldaten, die sich zum Zeitpunkt des iranischen Raketenangriffs auf der Al Asad-Basis befanden.
Armeemajor Alan Johnson sagte, dass jede iranische Rakete einen Sprengkopf mit einem Gewicht von mehr als 1.000 Pfund mit sich geführt habe. Johnson und seine Soldaten hätten kurz vor dem Angriff Zuflucht in einem Bunker gesucht, der im Grunde dafür ausgelegt gewesen sei, die Truppen vor wesentlich kleineren Sprengköpfen mit einem Gewicht von nur 60 Pfund zu schützen. Johnson habe sich außerdem mit einer aufgezeichneten Abschiedsbotschaft an seine Familie am Abend des Angriffes gewandt.
Nach der Explosionswelle und dem Trümmerschutt sei Feuer ausgebrochen. Die Soldaten seien 135 Meter hinabgestiegen und hätten Deckung gesucht. Johnson erzählt zur Lage während der iranischen Raketenbeschüsse:
"Es sind sechs Leute, die um ihr Leben rennen, um in den nächsten Bunker zu gelangen. Wir kommen am Bunker an und stellen fest, dass ungefähr 40 Leute versuchen, sich in diesen Bunker zu zwängen, der im Grunde für etwa zehn Leute gedacht ist. Und ich schnappte mir den Kerl vor mir und sagte: Du musst in den Bunker!"
Der oberste US-Kommandant im Nahen Osten, General Frank McKenzie, verfolgte den Angriff aus seinem Hauptquartier in Tampa, Florida. Er erklärte: "Es sind unerwartete Momente für mich gewesen, als echte Raketen auf die US-Streitkräfte abgefeuert wurden und die Risiken dabei so hoch gewesen sind."
Während der US-Präsenz im Irak habe Soleimani Angriffe orchestriert, bei denen mehr als 600 US-Soldaten getötet worden seien. Er habe geplant, erneut Angriffe gegen US-Ziele zu lancieren, behauptete McKenzie im Interview mit CBS.
Am 3. Januar letzten Jahres zeichnete eine Überwachungskamera Soleimanis Ankunft am Bagdader Flughafen auf. McKenzie betrachtete dies allerdings aus einem anderen Blickwinkel. Als Soleimani und seine Begleiter aus dem Flugzeug ausstiegen, gab McKenzie dem Kommandanten, der die Drohnen leitete, den Mordbefehl. McKenzie war sich jedoch sicher, dass Iran in irgendeiner Weise Vergeltung üben würde. "Wir sahen, dass sie begannen, ihre ballistischen Raketen in Stellung zu bringen."
Johnson soll kurz vor dem Angriff darüber unterrichtet worden sein, dass Irans mächtigste Waffen Al Asad zum Ziel hätten.
"Wir hatten Informationen, dass Iran 27 ballistische Mittelstreckenraketen betankt. Deren Absicht ist es, diese Basis dem Erdboden gleichzumachen. Wir werden möglicherweise nicht überleben."
Auf die Frage, ob die Al Asad-Basis ein Abwehrsystem gegen ballistische Raketen in Betrieb gesetzt habe, sagte Oberstleutnant Tim Garland, der ein Bataillon in Al Asad kommandierte:
"Es war eine so beispiellose Bedrohung. Ich glaube nicht, dass es jemals berechnet wurde, also die Fähigkeit, einen ballistischen Raketenangriff abzuwehren. Es war einfach nicht da."
Die einzige wirkliche Verteidigung gegen einen ballistischen Raketenangriff habe darin bestanden, Schaden aus dem Weg zu gehen. Das US-Militär soll versucht haben, mehr als 50 Flugzeuge und 1.000 Soldaten zu evakuieren, bevor die Raketen einschlugen. Die Basis hätte jedoch noch besetzt bleiben müssen, sagte Oberstleutnant Staci Coleman. "Wir mussten noch in der Lage sein, unsere Mission zu erfüllen." Den besten Schutz hätten Luftschutzbunker geboten, die während der Herrschaft Saddam Husseins gebaut worden seien. Jedoch habe es nicht genug davon gegeben. Von seinem Hauptquartier in Tampa aus soll General McKenzie versucht haben, die Evakuierung selbst zu organisieren.
Iran habe insgesamt 16 Raketen von drei Orten abgefeuert – fünf Raketen hätten die Basis verfehlt, elf seien aber in Al Asad eingeschlagen. McKenzie kommentierte, es habe sich um einen Angriff gehandelt, "den ich noch nie gesehen oder erlebt habe". Er räumte ein, dass die iranischen Raketen sehr genau ihre Ziele erreicht hätten.
"Sie feuerten diese Raketen auf eine beträchtliche Reichweite ab. Und sie schlugen ziemlich genau dort ein, wo sie es sollten."
Zwischen dem ersten Start und dem letzten Aufprall hätten 80 Minuten gelegen. Auf irgendeine Weise sei jedoch niemand getötet worden. Als die Sonne aufgegangen war, hätten die Überlebenden den Schaden begutachtet. "Es sah aus wie eine Szene aus einem Film, in der alles um dich herum zerstört wurde, aber dennoch wurde niemand getötet." Die USA sollen eine Vergeltungsschlag geplant haben, wären bei dem Angriff US-Soldaten getötet worden.
General Alan Johnson erklärte, man habe Stunden nach dem Angriff festgestellt, dass es eine hohe Zahl an Opfern gegeben habe, die traumatische Hirnverletzungen erlitten hätten. Militärärzte diagnostizierten mehr als 100 Fälle. Johnson und 28 weitere Soldaten erhielten das Verwundetenabzeichen der Streitkräfte der Vereinigten Staaten "Purple Heart".
Auf die Frage, ob er irgendwelche Schäden davongetragen habe, erwiderte Johnson: "Täglich auftretende Kopfschmerzen, schrecklicher Tinnitus oder Ohrenpfeifen. Ich habe noch immer Albträume."
Nachdem Iran die US-Militärbasis im Irak angegriffen hatte, spielten die USA die Folgen zunächst herunter. Das Pentagon sprach anfangs von elf Verletzten, dann von 34 und schließlich von 64 betroffenen Soldaten. Das US-Verteidigungsministerium korrigierte die Zahl der verletzten Soldaten später erneut nach oben. Etwas 109 Soldaten hätten bei dem Angriff auf die Al Asad-Basis ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Die Iranische Revolutionsgarde ging in ihrer Erklärung jedoch von mehreren toten US-Amerikanern aus.
General Soleimani befand sich auf diplomatischer Mission auf irakischem Territorium, als er von einer US-Drohne nahe dem Flughafen in Bagdad ermordet wurde. Er überbrachte eine Antwort der Islamischen Republik auf eine geheime Initiative Saudi-Arabiens an die irakische Seite, die darauf abzielte, die Spannungen in der Region abzubauen.
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