Umstrittener Warnhinweis zu "gehacktem Material" bei Twitter

"Diese Materialien könnten durch Hacken erlangt worden sein", heißt es neuerdings in einem Warnhinweis auf Twitter. Die Warnung taucht ausgerechnet bei einem Beitrag von "The Grayzone" auf, der die geheime Kooperation zwischen der britischen Regierung und den Medien zwecks "Schwächung des russischen Einflusses" zum Thema hat.

Der Tweet von The Grayzone wurde am 20. Februar gepostet und bewirbt einen Artikel der Newsseite, bei dem es um eine mutmaßliche verdeckte Kooperation zwischen der britischen Regierung und der BBC sowie der Nachrichtenagentur Reuters und der Rechercheplattform Bellingcat geht. Ziel sei es, den "Einfluss des russischen Staates auf seine Nachbarländer zu schwächen".

Wann genau der Warnhinweis zu dem Tweet hinzugefügt wurde, ist noch unklar. Doch er wurde relativ schnell von aufmerksamen Twitter-Nutzern entdeckt. Zudem fügte Twitter einen Zwischenschritt für Nutzer ein, die den Beitrag retweeten wollten. Es erschien ein Pop-up, das den Warnhinweis wiederholte und die Nutzer aufforderte, "dabei zu helfen, dass Twitter ein Ort für zuverlässige Informationen bleibt". Zudem wurde ein Link hinzugefügt, der die Nutzer zu Twitters Richtlinien zur "Verbreitung von gehacktem Material" weiterleitet.

Dies scheint der erste Fall zu sein, in dem Twitter diesen speziellen Warnhinweis für einen englischsprachigen Kanal verwendet. Bekannt ist bis jetzt nur eine italienische Version des Warnhinweises, die im Januar auf einen Tweet aus Italien bezüglich des COVID-19-Impfstoffes von Pfizer angewendet wurde.

Der neue Warnhinweis ist offenbar eine Reaktion auf die scharfe Kritik an Twitter, nachdem der Kurznachrichtendienst im Oktober 2020 Links zu einem Artikel der New York Post blockierte. Dieser enthielt Daten von einem Laptop, der dem Sohn von Präsident Joe Biden, Hunter Biden, gehörte. Bei der Story ging es um dubiose Geschäfte von Hunter Biden in der Ukraine und in China. Twitter aktualisierte anschließend seine Richtlinien in Bezug auf "gehacktes Material" und entsperrte die Links zu der Story. Der neue Warnhinweis ist offenbar ein nächster Schritt.

Allerdings scheint die Anwendung der neuen Regel nicht sehr ausgewogen vonstattenzugehen. Der Journalist Dan Cohen merkte an, dass eine kritische Story über China, die vom Newsportal Intercept im Januar veröffentlicht wurde und ebenfalls auf durchgesickerten Dokumenten basierte, keinen Warnhinweis bekommen habe. Das zeige einen "doppelten Standard".

Max Blumenthal, Herausgeber von The Grayzone, merkte an, dass sich sein Artikel, den Twitter mit dem Etikett "gehackte Materialien" markiert hat, auf eine Einheit der britischen Armee beziehe, die soziale Medien nutze, um Kriege zu unterstützen. Der Twitter-Redaktionsleiter für Europa, den Nahen Osten und Afrika, Gordon MacMillan, sei ein Reservist für diese Einheit. Blumenthal erklärte zudem gegenüber dem Onlineportal Mashable:

"Indem Twitter einen Warnhinweis ausschließlich auf meinen Artikel anwendet, hat Twitter nichts zum Verständnis der Öffentlichkeit für Nachrichten oder Desinformation beigetragen. Stattdessen hat Twitter die Wahrhaftigkeit meiner Berichterstattung bestätigt."

Der palästinensisch-amerikanische Journalist Ali Abunimah erklärte, dass Twitter durch die Kennzeichnung des Beitrages als "gehackt" darauf abziele, die Geschichte als Ganzes zu diskreditieren. Andere kritische Stimmen sind weniger besorgt über den Warnhinweis als vielmehr über die Drohung Twitters, diejenigen Accounts zu sperren, die sogenanntes gehacktes Material teilen.

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