Kanadas Parlament hat in einem Beschluss die Regierung aufgefordert, die Politik Chinas gegenüber der uigurischen Minderheit als "Genozid" einzustufen. Das kanadische Unterhaus verabschiedete die nicht bindende Resolution am Montag mit 266 zu null Stimmen. Außenminister Marc Garneau enthielt sich im Namen der Regierung. Alle anderen anwesenden Mitglieder der Liberalen Partei stimmten für die Resolution, während der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau sowie mehr als 60 andere Parlamentsabgeordnete seiner regierenden Liberalen Partei nicht zur Abstimmung erschienen waren.
Für die Resolution, die von der Konservativen Partei eingebracht worden war, stimmten außerdem die Abgeordneten des konservativen Bloc Quebecois, der sozialdemokratischen Neuen Demokratischen Partei sowie der Grünen Partei.
Der konservative Oppositionsführer Erin O'Toole kritisierte Trudeau dafür, dass er sich von der Abstimmung fernhielt und rief die Regierung dazu auf, den Willen des Parlaments zu respektieren. Zudem wiederholte er seine Forderung, die Olympischen Winterspiele 2022, die in Peking abgehalten werden, zu boykottieren. O'Toole erklärte:
"In China findet echtes Leid statt. Dort findet ein Völkermord statt. Unsere Werte sind nicht käuflich. Und Herr Trudeau brauchte, um diese Botschaft heute zu senden, und er versagte."
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Regierung einlenken wird. Regierungschef Trudeau hatte bereits im Vorfeld vor einem laxen Umgang mit dem Wort "Genozid" gewarnt. Für die Einstufung eines Vorgangs als Völkermord gebe es seitens des Völkerrechts strenge Vorgaben. Der Missbrauch des Begriffs führe zu seiner Schwächung.
Chinesische Stellen reagierten umgehend auf den Beschluss des kanadischen Parlaments. Chinas Botschaft in Kanada erklärte, dass der Beschluss eine "böswillige Provokation von 1,4 Milliarden Chinesen" darstelle. Die Botschaft verwies darauf, dass die uigurischen Bevölkerung zwischen 2010 und 2018 von zehn Millionen auf 12,7 Millionen angestiegen war. Dieser Anstieg um 25 Prozent sei wesentlich höher als der gleichzeitige Anstieg um zwei Prozent der Han-Chinesen, die in Xinjiang wohnen. Zudem erklärte die Botschaft, dass die Wirtschaft Xinjiangs in den letzten sechs Jahrzehnten um das Zweihundertfache gewachsen und die Lebenserwartung von 30 auf 72 Jahre gestiegen ist.
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Kanada solle seine Hand aufs Herz legen und die tragische Geschichte seiner indigenen Völker betrachten, erklärte der chinesische Botschaftssprecher. Die meisten Abgeordneten hätten Xinjiang nie besucht. Stattdessen nutzten sie "Menschenrechte" als Vorwand, um politische Manipulation mit dem Ziel zu betreiben, sich in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen.
Chinas Politik in Xinjiang drehe sich um gegen Terrorismus und Separatismus gerichtete Maßnahmen, die darauf abzielten, das Leben und die Sicherheit aller Ethnien in der Region sicherzustellen. Der Sprecher erklärte:
"Kanadas Vorstoß wird keinen Erfolg haben, und wir fordern diese Politiker dringend auf, die Realität anzuerkennen und sich nicht länger in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, keine persönlichen Interessen durch Xinjiang-Angelegenheiten zu verfolgen und ihre Anti-China-Farce zu beenden."
Kanada ist der zweite Staat, der die Vorgänge in der chinesischen Autonomen Provinz Xinjiang als Genozid einstuft. Weniger als 24 Stunden vor Ende seiner Amtszeit hatte der ehemalige US-Außenminister Mike Pompeo Chinas Politik gegenüber den Uiguren ebenfalls als "Genozid" eingestuft.
Die chinesisch-kanadischen Beziehungen sind schon seit Ende 2018 getrübt. Im Dezember 2018 hatten kanadische Behörden Meng Wanzhou, eine hochrangige Managerin des chinesischen Konzerns Huawei, aufgrund von Betrugsvorwürfen festgenommen.
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