In einer Rede vor anderen Staats- und Regierungschefs während einer virtuellen Konferenz des Weltwirtschaftsforums am Dienstag forderte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa wohlhabendere Nationen auf aufzuhören, Coronavirus-Impfstoffe zu hamstern, damit andere Länder eine faire Chance bekommen, den hochansteckenden Erreger und seine Varianten zu bekämpfen.
Die reichen Staaten hätten große Mengen an Impfdosen erworben, erklärte Ramaphosa, der gegenwärtig das Amt des Vorsitzenden der Afrikanischen Union ausübt. Er fuhr fort:
"Einige erwarben sogar bis zum Vierfachen dessen, was ihre Bevölkerung braucht [...], unter Ausschluss anderer Länder."
Die Europäische Union hat derzeit etwa 2,3 Milliarden Dosen verschiedener COVID-19-Impfstoffe für ihre geschätzte Bevölkerung von etwa 450 Millionen Menschen bestellt, wie die Nachrichteagentur Reuters berichtet. Die Afrikanische Union hingegen konnte nur 270 Millionen Impfungen für den gesamten afrikanischen Kontinent mit einer Bevölkerung von über 1,2 Milliarden Menschen sichern, zusätzlich zu den 600 Millionen Dosen, die von der Weltgesundheitsorganisation und der Impfstoffallianz Gavi versprochen wurden.
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Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock reagierte am selben Tag auf die harsche Kritik Ramaphosas. Er erklärte gegenüber Reportern, seine Hauptaufgabeufgabe sei es eben, britische Staatsbürger zu schützen, nicht die Bürger anderer Staaten. Allerdings räumte er während einer virtuellen Veranstaltung der Denkfabrik Chatham House auch ein:
"Aber wir müssen sicherstellen, dass es eine breite Verfügbarkeit von Impfstoffen für den Rest der Welt gibt."
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels wurden in Südafrika mehr als 1,4 Millionen Fälle von COVID-19 registriert, und mindestens 41.117 damit verbundene Todesfälle sind laut Statistik der Johns Hopkins University dort zu verzeichnen.
Die Kommentare des südafrikanischen Präsidenten wurden zu einer Zeit getätigt, in der einige Länder eine Reihe von Einreiseverboten verhängten, weil sie die neu identifizierte Variante des Coronavirus fürchten, die bis zu 50% infektiöser sein soll und bereits in etwa 20 Staaten nachgewiesen wurde, darunter auch in Südafrika. Dr. Anne Schuchat, stellvertretende Hauptdirektorin des US-Zentrums für Krankheitskontrolle und -vorbeugung, erklärte am Sonntag gegenüber Reuters:
"Wir setzen Südafrika auf die Liste der eingeschränkten Einreise wegen der besorgniserregenden Variante, die sich bereits über Südafrika hinaus ausgebreitet hat."
Eine Studie, die von der Internationalen Handelskammer finanziert und diese Woche veröffentlicht wurde, schätzt ab, dass die Weltwirtschaft bis zu 9,2 Billionen Dollar einbüßen könnte, wenn der Impfstoff COVID-19 zu langsam verteilt würde. Sogenannte "fortgeschrittene Volkswirtschaften", also etwa die westlichen Staaten oder Japan, würden die Hauptlast von bis zur Hälfte dieser Verluste zu tragen haben, prognostiziert die in Paris ansässige Nichtregierungsorganisation.
"Keine Wirtschaft kann sich vollständig erholen, solange wir nicht weltweit einen gerechten Zugang zu Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika haben", erkläte die Mitautorin der Studie Ṣebnem Kalemli-Özcan, Professorin für Wirtschaft und Finanzen an der University of Maryland. "Der Weg, auf dem wir uns befinden, führt zu weniger Wachstum, mehr Todesfällen und einer längeren wirtschaftlichen Erholung."
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