Am 26. Dezember hatte das chinesische Parlament das Auslieferungsabkommen zwischen China und der Türkei ratifiziert. Vor dem chinesischen Konsulat in Istanbul protestieren nun seit Tagen Dutzende Uiguren, viele inzwischen mit türkischer Staatsbürgerschaft. In der Türkei leben etwa 50.000 Uiguren.
Die Türkei versucht derzeit, die uigurische Diaspora im Land zu beruhigen: Der 2017 unterzeichnete türkisch-chinesische Vertrag zur Auslieferung werde nicht zur Massendeportation von Uiguren nach China führen. Jeder einzelne Fall werde mit Sorgfalt und Umsicht geprüft.
Die Türkei ratifizierte den Vertrag noch nicht. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoǧlu machte keine zeitlichen Angaben zu einer Besprechung und Ratifizierung des Vertrags in der türkischen Nationalversammlung. Çavuşoǧlu sagte nur, eine Ratifizierung bedeute nicht, dass die Türkei Uiguren nach China ausliefern werde.
Ankara lässt sich Zeit mit der parlamentarischen Einwilligung. Zum einen wird mit großen Protesten der Nationalisten gerechnet, vor allem der MHP (der rechtsextremen "Partei der Nationalistischen Bewegung"), mit der sich die regierende AKP Recep Tayyip Erdoǧans seit 2016 in einer politischen Allianz befindet. Außerdem soll das Image Erdoǧans mit seiner islamisch-konservativen AKP als Beschützer aller Muslime weltweit – und somit auch der Uiguren – möglichst intakt bleiben.
"Bis jetzt gab es keine Forderungen aus China zur Rücksendung von Uiguren in der Türkei. Und Sie wissen, dass die Türkei keine Schritte in diese Richtung unternommen hat", so Çavuşoǧlu bei einer Pressekonferenz in Ankara.
Es wäre "falsch und ungerecht, zu sagen, es sei eine Übereinkunft zur Auslieferung von Uiguren. Wir sind gegenüber solchen Themen empfindlicher als andere", sagte er.
Uiguren sprechen eine Turksprache und sind Muslime. Aus diesem Grund ist die Türkei ein bevorzugtes Fluchtziel vieler Uiguren aus der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas vor mutmaßlicher Verfolgung und Unterdrückung.
Dennoch gibt es Berichte über verdeckte Auslieferungsoperationen, in denen Uiguren über Drittländer nach China deportiert werden.
Menschenrechtsaktivisten teilen mit, in Xinjiang gebe es ein riesiges Netzwerk von außergerichtlichen Internierungslagern, in denen mindestens eine Million Menschen inhaftiert sei. Nach chinesischen Angaben sind diese Camps berufliche Ausbildungszentren zur Vorbeugung vor Extremismus.
Die beschwichtigenden Äußerungen des türkischen Außenministers ändern nichts an der Tatsache einer türkisch-chinesischen Annäherung auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet. Ein letztes Beispiel: Am Mittwoch trafen drei Millionen Dosen des chinesischen COVID-19-Impfstoffs Sinovac in Ankara ein.
Auf die wachsende Bedeutung des türkisch-chinesischen Verhältnisses in einer wirtschaftlich und damit auch politisch kritischen Lage in der Türkei dürfte sich die zunehmende Unsicherheit und Alarmstimmung unter den Uiguren im Land zurückführen lassen.
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