Über 10.000 Tonnen an Kunststoffmüll, verursacht durch Amazon, gelangten 2019 weltweit in die Meere und Süßwassersysteme – "das entspricht einer Lieferwagenladung alle 70 Minuten". Diese Zahlen veröffentlichte die Umweltorganisation Oceana am 15. Dezember in einer Studie mit dem Titel "Amazons Kunststoffproblem aufgedeckt" ("Amazon's Plastic Problem Revealed").
Der Studie zufolge habe Amazon im Jahr 2019 etwa 211.000 Tonnen Kunststoffverpackungsabfall erzeugt. Der Müll bestehe "aus Luftkissen, Luftpolsterfolie und anderen Plastikverpackungen" der insgesamt "etwa 7 Milliarden Amazon-Pakete", die 2019 weltweit verschickt wurden. Der Plastikmüll würde ausreichen, um "in Form von Luftkissen die Erde mehr als 500 Mal" zu umschließen.
Matt Littlejohn, Vizepräsident von Oceana äußert sich besorgt:
"Die Menge an Amazon-Plastikabfall ist erschreckend und wächst mit beängstigender Geschwindigkeit... Unsere Studie ergab, dass die Plastikverpackungen größtenteils nicht beim Recycling, sondern auf Mülldeponien enden, verbrannt werden oder die Umwelt verschmutzen. Plastik gelangt unter anderem in die Wasserwege und Ozeane, wo es Fischen und Meerestieren schadet."
Nach Oceana sei Kunststoff "eine Hauptquelle von Umweltverschmutzung und schadet den Weltmeeren". Besonders dramatisch ist die Lage für die Lebewesen am und im Meer. Nach aktuellen Studien haben 90 Prozent aller Seevögel und 52 Prozent aller Meeresschildkröten Plastik im Magen. Die von Amazon verwendeten Kunststoffartikel werden besonders häufig von Meeresschildkröten und anderen Meerestieren für Nahrung gehalten und deswegen verschluckt. Besonders häufig sind das vom Aussterben bedrohte Tierarten.
Die Umweltorganisation gibt an, dass nur neun Prozent "aller jemals produzierten Kunststoffe recycelt wurden". Dagegen landeten 91 Prozent in Deponien, wurden verbrannt oder verschmutzten die Umwelt – "einschließlich der Ozeane". Von Amazon verwendete Plastikfolien seien – trotz anderslautender Angaben des Unternehmens – nicht recycelbar: "Die meisten kommunalen Recyclingprogramme in den Vereinigten Staaten, Kanada und Großbritannien akzeptieren diese Art von Kunststoff nicht".
Anne Schroeer, Direktorin des Global Strategic Initiative Teams von Oceana, macht deutlich:
"Amazon-Plastik-Verpackungen können in den Ozeanen landen, denn sie werden in den meisten Märkten, die Amazon bedient, so gut wie nie recycelt. Nur eine Plastiktüte kann schon zum Tod einer Meeresschildkröte führen. Amazon sollte jetzt das tun, was es am besten kann: Das Undenkbare denken, erfinden und entwickeln, reduzieren und wiederverwenden – um aus Plastik auszusteigen".
Das US-Unternehmen Amazon wehrt sich gegen die Anschuldigungen und erklärte in einer Mitteilung, dass die Berechnungen von Oceana "drastisch falsch berechnet" seien und zu hoch ausfallen.
Bei tagesschau.de nimmt der Meeresbiologe Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven zu den Statements von Amazon und Oceana Stellung. Er hält die Berechnungen von Oceana für nachvollziehbar. Zudem gebe es mehrere Studien der vergangenen Jahre, die belegten, dass "die Menge des gesamten Mülls in den Meeren nahezu exponentiell wächst": "Wir haben die Mengen des anfallenden Mülls nicht ausreichend unter Kontrolle".
Für Amazon steigen die Gewinne
Rasant steigen auch die Gewinne von Amazon an – insbesondere seit Beginn des Jahres 2020. Der Trend zum Online-Einkauf in der Corona-Krise beschert dem US-Konzern die höchsten Gewinne seiner Geschichte.
Im dritten Quartal des Jahres 2020 stiegen die Umsätze von Amazon im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent auf 96,1 Milliarden US-Dollar. Der Gewinn verdreifachte sich dabei auf einen Rekordwert von 6,3 Milliarden US-Dollar. Und für das vierte Quartal 2020 rechnet das Unternehmen mit einem neuerlichen Rekordwert von sogar bis zu 120 Milliarden US-Dollar an Umsatz.
Der Amazon-Chef Jeff Bezos gilt mittlerweile als der reichste Mensch der Welt – mit einem geschätzten Vermögen von 121 Milliarden US-Dollar, das sind 16 Milliarden US-Dollar mehr als Bill Gates besitzt.
Mit den gesteigerten Amazon-Umsätzen – basierend auch auf gesteigerten Zahlen von Paketsendungen – steigt proportional auch die Menge des Verpackungsmülls. Die Zahlen für 2020 dürften die für 2019 genannten noch weit übersteigen.
Umweltschutzforderungen an Amazon
Eine Umfrage der Umweltorganisation Oceana bei mehr als 5.000 Amazon-Kunden in Großbritannien, Kanada und den USA ergab, dass 86 Prozent der Kunden durchaus über die Kunststoffverschmutzung und deren Auswirkung auf die Ozeane besorgt waren. 92 Prozent waren verärgert, dass sich von Amazon verwendete Plastikfolien nicht recyceln lassen. 87 Prozent forderten, dass Amazon plastikfreie Verpackungen verwenden solle.
Die realen Möglichkeiten zur Veränderung der Verpackungsmethoden hat Amazon bereits notgedrungen selbst demonstriert. Nachdem in Indien ein Gesetz zur Bekämpfung von Plastikverschmutzung verabschiedet wurde, hat Amazon dort Einweg-Plastikverpackungen gestrichen. Alternativ habe das Unternehmen zudem auch "einen papierbasierten, leichten, gefütterten Briefumschlag aus Papier eingeführt". Dennoch weigert sich das Unternehmen aber bislang, diese Standards weltweit einzuführen.
Oceana fordert daher Amazon auf, Verantwortung "für einen Plastik-Fußabdruck und die Umweltauswirkungen" zu übernehmen. Als Sofortmaßnahme sollte den Amazon-Kunden eine "plastikfreie Option" der Verpackung angeboten werden. Perspektivisch gehe es darum, "Plastikverpackungen zu eliminieren, wie es bereits in Indien geschehen ist".
"Amazon sollte Produkte in wiederverwendbaren Behältern liefern und Management-Richtlinien einführen, die Plastikverschmutzung reduzieren, anstatt leere Behauptungen über die 'Recyclingfähigkeit' aufzustellen."
Oceana ist nach eigenen Angaben "die größte internationale Umweltschutz-Organisation, die sich ausschließlich dem Schutz der Meere widmet". Sie widmet sich "der Wiederherstellung von Biodiversität und Artenreichtum in den Meeren und fördert eine wissenschaftlich fundierte Politik in den Ländern, die ein Drittel des weltweiten Wildfischfangs kontrollieren".
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