Mit Geldern in Höhe von zunächst 1,5 Millionen Euro fördert die Bundesregierung ein Wasserstoffprojekt des Industriekonzerns ThyssenKrupp AG in Saudi-Arabien. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) übergab am Mittwoch den Förderbescheid an Martina Merz, die den Posten als Chefin des tief in den roten Zahlen steckenden Stahl- und Technologiekonzerns im Oktober 2019 übernommen hatte.
Mit den Fördermitteln soll ThyssenKrupps Tochtergesellschaft Uhde in der saudi-arabischen Stadt Neom einen Elektrolyseur errichten, mit dem Wasserstoff auf der Basis von Solar- und Windenergie gewonnen werden soll. Dies sei zunächst eine "sehr bescheidene Summe", sagte Altmaier bei einer Online-Pressekonferenz. Es gebe aber "Luft nach oben".
"Wir sind zugleich Produzent und Abnehmer von grünem Wasserstoff, weil wir ihn für die Produktion von Stahl ohne fossile Energie benötigen", erklärte Vorstandschefin Martina Merz, die laut dem Wirtschaftsmagazin Capital den schwierigsten Job der deutschen Wirtschaft innehat. ThyssenKrupp war zu dem Zeitpunkt, als sie den Chef-Posten annahm, mit 6,5 Milliarden Euro verschuldet. Zusätzlich standen knapp neun Milliarden Euro an Pensionsverpflichtungen aus, bei nur 2,2 Milliarden Euro Eigenkapital und einem Minus von mehr als 30 Prozent allein im Jahr 2019.
ThyssenKrupp Steel Europe schreibt hohe Verluste, die lukrative Aufzugssparte wurde verkauft und hausgemachte Probleme wie das milliardenschwere Desaster der Tochter Steel America kamen hinzu. Die IG Metall hatte sich für eine staatliche Beteiligung stark gemacht, was nunmehr jedoch von Tisch ist. Das Grobblech-Werk in Düsseldorf mit 800 Beschäftigten soll ohne Entlassungen im kommenden Jahr stillgelegt werden.
Der Bau von Anlagen für die Wasserstofferzeugung gehört zu den aktuell wenigen Lichtblicken für den stark angeschlagenen Traditionskonzern. Diesen Bereich hat Merz deshalb von der Verkaufsliste genommen. Bei der Wasserelektrolyse sei ThyssenKrupp "in einer ausgezeichneten Ausgangssituation", so Merz. Die Politik müsse aber die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehöre die notwendige Infrastruktur. "Nur wenn die Politik geeignete Rahmenbedingungen schafft, haben Unternehmen Investitionssicherheit", betonte Merz. Auch in Ostfriesland plant ThyssenKrupp eine Wasserstoff-Elektrolyseanlage, die aus Windenergie Wasserstoff für die chemische Industrie erzeugen soll.
In Saudi-Arabien will die Konzerntochter Uhde eines der weltweit größten Wasserelektrolyse-Module mit einer Kapazität von 20 Megawatt entwickeln. Das Projekt Element One wird in der saudi-arabischen Modellregion Neom im Rahmen eines Wasserstoff-Innovations- und Entwicklungszentrums gebaut, in dem Technologien und Nutzung von grünem Wasserstoff erprobt werden sollen. Am Roten Meer soll mit Neom eine futuristische Hightech-Stadt 33-mal so groß wie New York entstehen, um das Wüstenkönigreich unabhängiger vom Öl zu machen. Es ist Teil des Projekts Vision 2030 des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.
Die Wasserstoffproduktionsanlage Helios hat laut Bundeswirtschaftsministerium ein Investitionsvolumen von rund fünf Milliarden Euro. Das Multi-Milliarden-Euro-Projekt in Saudi-Arabien soll ab dem Jahr 2025 täglich aus vier Gigawatt erneuerbarem Strom 650 Tonnen Wasserstoff und 3.000 Tonnen Ammoniak produzieren. Das Ammoniak, das einfacher zu lagern und zu transportieren ist als gasförmiger Wasserstoff, soll in die Abnehmerländer verschifft und dort in Wasserstoff umgewandelt zu werden. An Helios sind auch das saudische Unternehmen ACWA Power sowie Air Products & Chemicals aus den USA und der dänische Hersteller von chemischen Katalysatoren Haldor Topsoe beteiligt. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es hierzu:
"Das Projekt trägt zum Aufbau verlässlicher Importkapazitäten und zur strategischen Positionierung deutscher Unternehmen in diesem Zukunftsmarkt bei."
Mit dem Konjunkturpaket vom vergangenen Juni hat der Bund eine Neun-Milliarden-Euro-Strategie zur Förderung von Wasserstoffinitiativen beschlossen. Neben sieben Milliarden Euro für den Aufbau eines heimischen Wasserstoffmarktes wurden weitere zwei Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte im Ausland zur Verfügung gestellt. Die ThyssenKrupp AG ist das zweite Unternehmen, das davon profitiert. Anfang dieses Monats hatte Siemens Energy für ein Projekt in Chile eine Förderzusage in Höhe von 8,2 Millionen Euro erhalten.
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