US-Geschichtsrevisionismus: 20.000 russische Bewohner der Kurilen nach US-Gesetz "Japaner"

Russische Staatsbürger der von Japan beanspruchten Kurilen-Inseln sind nach neuen Regeln der US-Visumsvergebung eigentlich Japaner. Dies ist ein Ergebnis der US-Politik, der zufolge ein Großteil des Archipels, der seit dem Zweiten Weltkrieg russisches Staatsgebiet ist, Japan gehören soll – und ein Stück Geschichtsrevisionismus Made in USA.

Russische Staatsbürger der von Japan beanspruchten Kurilen-Inseln sind nach Gepflogenheiten der US-Visumsvergebung eigentlich Japaner. Dies ist ein Ergebnis der US-Politik, der zufolge ein Großteil des Archipels, der seit dem Zweiten Weltkrieg russisches Staatsgebiet ist, Japan gehören soll – und ein Stück Geschichtsrevisionismus Made in USA.

Die japanische Zeitung Hokkaidō Shimbun berichtete am Freitag, dass die auf den Inseln Chabomai, Schikotan, Kunaschir und Iturup geborenen Russen als in Japan geboren betrachtet werden, was die Ausstellung von Green Cards durch die US-Einwanderungsbehörden anbelangt. Damit wies die Zeitung auf entsprechende Passagen in den neuen Regeln zum Ausfüllen von Anträgen an den US-Immigrationsdienst hin.

Die Inseln gehören jedoch zu russischem Staatsgebiet, und zu ihren 20.000 Einwohnern gehören Menschen russischer, ukrainischer, weißrussischer und tatarischer Abstammung sowie die einheimische Ainu-Bevölkerung.

Die Souveränität Russlands über die Kurilen wird von Japan angefochten, und der Archipel ist ein historischer Brennpunkt für Spannungen zwischen den beiden Ländern. Im Jahr 1945 wechselten die Inseln den Besitzer, als sie im Gegenzug für den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg und den Kampf gegen das kaiserliche Japan, den wichtigsten regionalen Verbündeten Nazi-Deutschlands, von den Alliierten der Sowjetunion zugesprochen wurden.

Russlands Außenministerium: Die USA sind eine revisionistische Staatsmacht

In folgender prägnanter Nachricht auf seinem offiziellen Telegram-Kanal wertete das russische Auswärtige Amt die Richtlinien der US-Immigrationsbehörden als einen Versuch, die Geschichte umzuschreiben:

"Russische Staatsbürger, Bewohner der Südkurilen, sind betroffen und entrüstet: In den USA wurde eine neue Richtlinie eingeführt, gemäß der sie bei der Antragseinreichung auf ein US-Langzeitvisum als Geburtsland (…) Japan angeben müssen. Den Bewohnern Sachalins haben die USA allerdings 'großzügig' erlaubt, Russland als ihre Heimat anzugeben.

Braucht es noch weitere Beweise dafür, dass die USA eine revisionistische Staatsmacht sind? Gemäß entsprechender Beschlüsse vom Jahr 1945 gingen die Kurilen-Inseln in die Souveränität der UdSSR über. Heute stellt das State Department die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges infrage und fördert den Revanchismus.

Kennt gefälligst eure Grenzen – und die 'roten Linien'."

Bewohner Alaskas – Bürger des Russischen Zarenreiches?

Die Folgen solch einer reißerischen Öffnung dieser Büchse der Pandora durch die USA umriss gegenüber anwesenden Journalisten Juri Trutnew, der bevollmächtigte Vertreter der russischen Präsidenten im Föderalbezirk Fernost, in einem deutlich bissigeren Kommentar zu dieser Neuigkeit. TASS zitiert:

"Das ist in der internationalen Praxis eine durchaus neue Position. Wir sind bereit, sie kreativ weiterzuentwickeln. Ich bin bereit, dies mit dem Außenministerium der Russischen Föderation abzusprechen, auf dass Bewohner Alaskas als Staatsbürger des Russischen Kaiserreiches aufgefasst werden."

 

Geschichtlicher Rückblick

Wir erinnern: Die Rechte der Sowjetunion und der Russischen Föderation als deren Rechtserben an den Kurilen-Inseln wurden im Jalta-Abkommen vom Jahr 1945 festgeschrieben. Indem Japan im selben Jahr den Akt über seine bedingungslose Kapitulation unterschrieb, nahm auch Japan die Bedingungen der Potsdamer Erklärung an, die die Übergabe der Inseln an die Sowjetunion beinhaltete.

Ein Teil der ethnisch japanischen Bevölkerung siedelte noch in den letzten Kriegsmonaten ins heutige Japan über oder wurde von den japanischen Behörden dorthin evakuiert; der Rest wurde in den Jahren 1946 bis 1966 repatriiert.

Es ist hier anzumerken, dass diese Repatriierung keineswegs eine Deportation darstellte: Die Sowjetunion gewährte allen Kurilen-Japanern, sofern sie weder der Sabotage noch irgendwelcher Verbrechen verdächtigt wurden, das Bleiberecht. Dieses konnten sie durch Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der Oblast Sachalin (sofern noch nicht geschehen) und Einreichen des Arbeitsvertrages bei den sowjetischen Behörden in Anspruch nehmen. Davon machten einige Angehörige gemischter japanisch-koreanischer und slawisch-japanischer Familien Gebrauch – sowie zahlreiche ethnische Koreaner, die aufgrund des einseitigen Rücktrittes der japanischen Regierung von ihren Verpflichtungen gegenüber Bewohnern des ehemaligen Japanisch-Korea sich auf einmal gänzlich ohne Staatsbürgerschaft wiederfanden.

Die USA, die das Abkommen von Jalta unterzeichnet hatten, kraft dessen die Kurilen unter sowjetische Souveränität übergeben wurden – und sogar bei der Ausrüstung der sowjetischen Truppen halfen, die die Übernahme umsetzten, – änderten jedoch seitdem ihre Politik. Washington unterstützt Japans Beharren darauf, dass eine Reihe umstrittener Inseln eigentlich nicht zu den Kurilen gehörte und daher nach den Bestimmungen des Abkommens niemals rechtmäßig sowjetisch beziehungsweise russisch gewesen sei. Russland lehnt diese Darstellung mit dem Argument ab, es handele sich um eine Taktik zur Rechtfertigung japanischer Ansprüche.

Bei alldem befinden sich Russland und Japan zumindest auf dem Papier tatsächlich immer noch im Krieg, da sie nie einen formellen Friedensvertrag unterzeichnet haben – eben weil sie sich nicht über den Status der Kurilen einigen konnten.

Im vergangenen Jahr gab Russlands Außenminister Sergei Lawrow in Tokio zu bedenken, dass die Präsenz der US-Truppen und die engen militärischen Beziehungen des ostasiatischen Landes zu Washington ein bedeutender Hinderungsgrund für bessere Beziehungen seien.

Wohl bemühte sich Moskau im diplomatischen Streit um einige Kompromisse, indem es japanischen Staatsbürgern – auch solchen, die von Inselbewohnern abstammen – erlaubte, die Kurilen ohne Visum zu besuchen. Auch dürfen japanische Fischereischiffe in den russischen Gewässern rund um den Archipel auf Fang fahren. Dies hat jedoch nicht immer zur Deeskalation der Spannungen beigetragen. Im Jahr 2006 wurde ein japanischer Fischer sogar bei der Kontrolle eines Fischereibootes durch die russische Küstenwache in russischen Territorialgewässern tödlich verwundet, als die Mannschaft des Bootes versuchte, durch Flucht der Kontrolle zu entgehen. Einer der von der Küstenwache abgegebenen Warnschüsse traf den Japaner während seines Versuchs, die Geräte des ungesetzlichen Fischfangs über Bord zu entsorgen. Dies war der erste Todesfall seit 50 Jahren in diesem Konflikt.