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EU-Parlament fordert Abzug türkischer Truppen aus Zypern und Rückgängigmachung der Öffnung Varoshas

Seit 1974 ist Zypern faktisch geteilt. Der türkische Norden öffnete kürzlich das abgeriegelte Varosha, einen Stadtteil Famagustas. Das EU-Parlament forderte nun den Abzug der türkischen Truppen von der Insel und die Rückgängigmachung der Öffnung Varoshas.
EU-Parlament fordert Abzug türkischer Truppen aus Zypern und Rückgängigmachung der Öffnung VaroshasQuelle: Reuters © Harun Ucar

Das EU-Parlament beschloss am Montag eine Resolution, in der es die Türkei auffordert, ihre Truppen aus Zypern abzuziehen und die teilweise Öffnung von Varosha, einem Stadtteil von Famagusta, wieder rückgängig zu machen. Damit folgt das Parlament der in den EU-Staaten offiziellen Lesart, wonach die Republik Zypern auf der gesamten Insel bestehe, deren Norden jedoch türkisch besetzt sei.

Faktisch ist die Insel seit 1974 geteilt. Auch zuvor hatte es bereits Spannungen zwischen der überwiegend im Süden der Insel lebenden griechischen Bevölkerungsmehrheit und deren türkischen Nachbarn im Norden der Insel gegeben. Diese eskalierten, als griechische Offiziere der Zyprischen Nationalgarde die Regierung stürzten und den Anschluss an Griechenland durchzusetzen versuchten. Dies nahm die Türkei – Garantiemacht nach dem Londoner Garantievertrag von 1959 – zum Anlass, Truppen zu entsenden. Sie dürfte damit dem Wunsch des türkischen Teils der Inselbevölkerung entsprochen haben, denn dieser wollte seit jeher keinen Anschluss an Griechenland. Im Rahmen der Invasion besetzten die türkischen Truppen ein gutes Drittel im Norden und Nordosten der Insel.

Der Putsch, der diese Entwicklungen ursprünglich ausgelöst hatte, scheiterte zwar kurz darauf. Dennoch war das Vertrauen nun endgültig zerstört. Nördlich der Demarkationslinie gründete sich etwas später ein neuer Staat – die Türkische Republik Nordzypern. Diese wird bis heute allerdings nur von der Türkei diplomatisch anerkannt. Den meisten gilt der Norden demnach seither als "türkisch besetzter" Teil der Republik Zypern. Im Verständnis der türkischen Zyprer im Norden leben diese jedoch in einem eigenen Staat mit der Türkei als Schutzmacht im Hintergrund, die die Rechte der Inseltürken garantiert. So gesehen entbehrt die neuerliche Resolution des EU-Parlaments nicht einer gewissen Absurdität, geht sie doch an den (heutigen wie historischen) Realitäten auf der Insel vorbei. Zudem dürfte sie – nicht zuletzt auch angesichts der aktuellen Spannungen mit der Türkei auf mehreren Ebenen – letztlich folgenlos bleiben.

Besonderer Anlass der Resolution ist allerdings die Veränderung des Status von Varosha, einem Stadtteil von Famagusta. Die Hafenstadt liegt an der Ostküste der Insel und heute nördlich der Demarkationslinie. Vor 1974 war Famagusta nicht nur wirtschaftliches und kulturelles Zentrum in der Ostküstenregion, sondern auch eine Touristenhochburg. Dies ist es in etwas kleinerem Umfang immer noch, der Stadtteil Varosha wurde damals jedoch abgeriegelt und liegt heute als unbewohnte Geisterstadt – streng genommen – in der von den Vereinten Nationen überwachten Pufferzone.

Kürzlich entschied sich nun die nordzyprische Regierung, Varosha wieder – zumindest teilweise – zugänglich zu machen. Der Süden fürchtet, dass sich dort nun türkische Zyprer ansiedeln könnten und man damit vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Eine künftige Rückkehr der vormaligen griechischen Einwohner Varoshas – bzw. deren Nachkommen – würde somit unwahrscheinlicher. Der "eingefrorene" Status würde quasi einseitig verändert. In der Resolution heißt es dazu:

[Das EU-Parlament] bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die illegale 'Öffnung' Varoshas darauf abzielt, den Status der Zugehörigkeit in dem Gebiet zu ändern und dadurch die Aussichten auf ein Wiederentstehen Varoshas im Sinne der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates oder im Rahmen einer umfassenden Lösung des Zypernproblems zu untergraben; [Das EU-Parlament] fordert die Türkei nachdrücklich auf, davon abzusehen, Varosha illegal mit anderen Menschen als seinen rechtmäßigen Bewohnern zu besiedeln oder die rechtmäßigen Bewohner aufzufordern, unter Bedingungen der militärischen Besetzung auf ihr Gebiet zurückzukehren.

Auch das heikle Thema Flucht und Vertreibung schwingt hierbei mit. Denn in vielen Familien – und zwar auf beiden Seiten – sind solche Erfahrungen im Zusammenhang mit der Teilung der Insel nach wie vor präsent. Für den Versöhnungsprozess ist dies – jedenfalls zu einem gewissen Grad – bis heute eine Bürde, auch wenn in der jüngeren Vergangenheit die Demarkationslinie sowohl für die Menschen auf beiden Seiten als auch für den Handel sehr viel durchlässiger wurde.

Dennoch dürfte über die Jahre die Euphorie gerade im Norden abgenommen haben, weshalb man sich nun weniger einer Zementierung ungeklärter Verhältnisse verpflichtet fühlt. Denn die Fortschritte in Sachen Entspannung bleiben insgesamt eher hinter den Erwartungen zurück und eine diplomatische Anerkennung über die Türkei hinaus bleibt weiter aus. Gleichzeitig sehen die Nordzyprer, wie ihre Nachbarn im Süden – spätestens seit dem EU-Beitritt – einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, den es im Norden so nicht gibt.

Dabei hatte es im Jahr 2004 eine geradezu historische Chance für einen Friedensprozess gegeben. Ein von der EU vermittelter Wiedervereinigungsplan, der eine föderale Lösung unter einem gemeinsamen staatlichen Dach vorsah, wurden den Zyprern in Nord und Süd zur Abstimmung vorgelegt. Während die Wähler im türkischen Norden mit 64,9 Prozent zustimmten, votierte der griechische Süden mit 75,8 Prozent dagegen. Die Ablehnung der griechischen Zyprer wurde mit dem Verbleib türkischer Soldaten und Zuwanderer aus der Türkei begründet und damit, dass die Griechen nur ein begrenztes Recht zur Rückkehr auf ihre alten Besitztümer im türkischen Norden gehabt hätten. Außerdem befürchtete man, dass die Wiedervereinigung den Süden zu viel kosten könnte.

Trotz des Bedauerns der EU über das Abstimmungsergebnis stellte dieses offenbar keinen Hinderungsgrund dar, die Republik Zypern – also faktisch nur den Süden – im Jahr 2007 in die EU aufzunehmen. Ob die Resolution des EU-Parlaments vom Montag notwendig gewesen wäre, wenn damals eine Zustimmung auf beiden Seiten zur Bedingung für einen EU-Beitritt gemacht worden wäre, muss somit offenbleiben.

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