Seit dem 22. November sind die USA kein Teilnehmer des Vertrages über den Offenen Himmel, der den NATO-Staaten und Russland erlaubt, gegenseitig ihre Territorien auf festgelegten Routen zwecks Rüstungskontrolle zu überfliegen. Der Ausstieg trat am Sonntag in Kraft, nachdem die US-Regierung die Vertragspartner vor sechs Monaten informiert hatte, sich aus dem Abkommen zurückzuziehen.
Die USA begründeten ihren Schritt damit, dass Russland seine Verpflichtungen im Rahmen Open-Skies-Vertrages mehrmals verletzt habe. Washington bemängelte, dass Moskau keine Beobachtungsflüge im Zehn-Kilometer-Korridor entlang der Grenze zu Abchasien und Südossetien erlaube. Russland entgegnete darauf, dass es die Unabhängigkeit der beiden Länder anerkannt habe und daher im Einklang mit dem Abkommen keine Überwachungsflüge in der Zehn-Kilometer-Zone vor der Grenze der Nichtteilnehmerstaaten erlauben dürfe.
Außerdem kritisierten die USA Russland, dass es die Länge der Beobachtungsflüge über dem Gebiet Kaliningrad mit 500 Kilometern eingeschränkt hatte. Die russische Seite wies darauf hin, dass diese Einschränkung mit dem Modus identisch sei, den die USA für die Beobachtungsflüge über Alaska eingeführt hatten. Der russische Außenminister Sergei Lawrow teilte in diesem Zusammenhang mit, dass man selbst bei dieser Einschränkung bei einem Flug über dem Gebiet Kaliningrad mehr als 90 Prozent des Territoriums überwachen könne, während ein ähnlicher Einsatz über Alaska ermögliche, höchstens drei Prozent des Territoriums zu überwachen.
Ein anderer Kritikpunkt waren die Flüge über der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die der Westen nicht als Russlands Hoheitsgebiet anerkennt. Außerdem warf Washington Moskau vor, die bei den Beobachtungseinsetzen beschaffenen Aufnahmen "im Interesse seiner neuen aggressiven Doktrin" missbraucht zu haben.
Angesichts des US-Ausstiegs aus dem Abkommen unter Präsident Donald Trump warnte Russland vor einem neuen Rüstungswettlauf. Der russische Außenminister Sergei Lawrow forderte eine schriftliche Verpflichtung der anderen NATO-Staaten, nach ihren Beobachtungsflügen über Russland keine Daten mehr an die USA weiterzugeben, und warnte die Vertragspartner davor, auf Forderungen der USA einzugehen, in Europa keine US-Militärstützpunkte mehr zu überfliegen. Das wäre eine grobe Verletzung des Vertrages.
Das russische Außenministerium erklärte am Samstag, nach dem Austritt der USA aus dem Open-Skies-Vertrag erwäge Moskau alle möglichen Optionen in Bezug auf das Abkommen:
Washington hat seinen Zug gemacht. Damit gewinnt weder die europäische Sicherheit noch die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten. Nun fragen sich viele im Westen, wie die Reaktion Russlands sein wird. Die Antwort ist einfach. Wir haben zuvor mehrmals unterstrichen, dass für uns alle Optionen offen sind. Wir beobachten und analysieren genau, inwieweit die Worte der anderen Teilnehmer des Vertrages ihren Taten entsprechen. Wir werden eine Entscheidung auf der Grundlage der Sicherheitsinteressen Russlands und unserer Verbündeten treffen.
Das Abkommen war im Jahr 1992 geschlossen worden. Es erlaubte den bislang 34 Unterzeichnerstaaten mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. So konnten die USA und Russland jeweils bis zu 42 Aufklärungsflüge im Jahr machen. Nach einer Pause infolge der COVID-19-Pandemie führte Russland seit diesem Juli Überwachungseinsätze über Dänemark, Frankreich, Tschechien, Ungarn, Finnland und Deutschland einschließlich des US-Stützpunktes Ramstein durch. Frankreich, Deutschland und Rumänien flogen einen gemeinsamen Beobachtungseinsatz über Russland.
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