Russlands Präsident Donald Putin drängt die Staats- und Regierungschefs der G20, den Protektionismus zu "begrenzen" und auf unilaterale Sanktionen zu verzichten. In seiner Rede auf dem G20-Gipfel am Samstag forderte Russlands Präsident Wladimir Putin die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, sich mit den akuten Problemen des internationalen Handels auseinanderzusetzen, und drängte sie, den Protektionismus einzuschränken und Sanktionspraktiken aufzugeben.
Wir müssen die dringenden Probleme angehen, die sich im internationalen Handel aufgestaut haben. Insbesondere müssen wir versuchen, den Protektionismus einzudämmen, die Praxis einseitiger Sanktionen aufzugeben und die Lieferketten wieder in Gang zu bringen", sagte Putin auf dem virtuellen G20-Gipfel.
Der russische Staatschef erwähnte, dass die Wiederbelebung des internationalen Handels auch Thema beim Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftlichen Zusammenarbeit (APEC) am Freitag war. Die G20-Gruppe solle auch die bestehenden Regeln des multilateralen Handels an den boomenden E-Commerce-Sektor anpassen, fügte Putin hinzu und merkte an, dass in diesem Bereich noch viel Arbeit zu leisten sei.
Trump geht Golf spielen
Der amtierende US-Präsident Donald Trump hat das Gipfeltreffen vorzeitig verlassen und ist zu einem seiner Golfplätze gefahren. Nach weniger als zwei Stunden in der Videoschaltung der Staats- und Regierungschefs verließ Trump das Weiße Haus am Samstagmorgen (Ortszeit), um zu seinem Golfclub im nahen Bundesstaat Virginia zu fahren, wie mitreisende Journalisten berichteten. Fotos zeigten Trump wenig später in einem roten Blouson und einer weißen Kappe beim Golfen. Sein offenbar mäßiges Interesse an dem Gipfel ließ sich auch daran erkennen, dass er während der Videokonferenz bei Twitter mehrere Nachrichten zu anderen Themen absetze.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ließ Trump sich zeitweise von Finanzminister Steven Mnuchin und seinem Wirtschaftsberater Larry Kudlow vertreten. Bei bisherigen G20-Gipfeln sprangen Finanzminister häufiger für ihre Chefs ein, zum Beispiel wenn diese parallel zu den Sitzungen bilaterale Gespräche führten. Trump wollte nach dem Terminkalender des Weißen Hauses am Sonntag wieder an der G20-Videoschaltkonferenz teilnehmen.
Gemeinsam für Corona-Impfstoffe
Mehrere Teilnehmer haben zum gemeinsamen Kampf der Staaten gegen die weltweite Corona-Pandemie aufgerufen. Der saudi-arabische König Salman mahnte als Gastgeber: "Wir haben eine Pflicht, uns der Herausforderung bei diesem Gipfel gemeinsam zu stellen und eine starke Botschaft der Hoffnung zu geben."
Eine derartige globale Herausforderung könne "nur mit einer globalen Kraftanstrengung überwunden werden", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag bei dem virtuellen Spitzentreffen in einer vorab aufgezeichneten Videobotschaft.
Merkel warb für die Unterstützung der internationalen Impfstoff-Initiative COVAX und eine Stärkung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Kanzlerin erklärte:
Wenn wir weltweit zusammenstehen, können wir das Virus und seine Folgen beherrschen und überwinden. Dafür lohnt sich auch mehr Anstrengung.
Merkels Äußerungen konnten auch als Spitze gegen Trump verstanden werden, der eine protektionistische Politik des "Amerika zuerst" vertritt, auch bei der Impfstoffverteilung Wert darauf legt, dass die USA zuerst versorgt werden und internationalen Organisationen ablehnend gegenüber steht.
Die Kanzlerin rief die G20-Partner ausdrücklich zur finanziellen Unterstützung der COVAX-Initiative auf. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, müsse der Zugang zur Impfung für jedes Land möglich und bezahlbar sein. Dazu reichten die bisher zugesagten Mittel noch nicht aus, so Merkel. Ziel der Initiative sei es, bis Ende kommenden Jahres zwei Milliarden Impfdosen zu verteilen.
Es gibt Warnungen, dass die ärmeren Länder nicht genug Impfstoffe bekommen könnten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, es müsse vermieden werden, "dass nur Reiche Zugang haben". Über die Verteilung dürfe nicht die Kaufkraft der Länder entscheiden.
Merkel zufolge sind bislang fünf Milliarden US-Dollar (rund 4,2 Milliarden Euro) für COVAX zusammengekommen. Deutschland beteilige sich daran mit über einer halben Milliarde Euro. Bis Ende 2021 werden für die Initiative insgesamt elf Milliarden US-Dollar benötigt. An ihr beteiligen sich 150 Länder, darunter auch China, aber nicht die USA.
Russlands Präsident Wladimir Putin bot der internationalen Gemeinschaft einen breiten Zugang zu dem in Russland entwickelten Impfstoff Sputnik V an. Sein Land unterstütze die Entscheidung des G20-Gipfels, die Impfstoffe für die gesamte Bevölkerung des Planeten zugänglich zu machen, sagte der 68-Jährige. Russland bereite auch seinen zweiten und dritten Impfstoff vor.
Das Ausmaß der Pandemie zwingt uns, alle verfügbaren Ressourcen und wissenschaftlichen Informationen zu nutzen. Unser gemeinsames Ziel ist es, ein Portfolio von Impfstoffen zusammenzustellen und die Sicherheit für die Weltbevölkerung zu gewährleisten. Das bedeutet, liebe Kollegen, dass es genug Arbeit für alle Beteiligten gibt, und ich denke, dass dies der Fall ist, wenn der Wettbewerb unvermeidlich ist, aber in erster Linie müssen wir die humanitären Fragen berücksichtigen und sie zu unserer obersten Priorität machen", sagte Putin.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping will im Kampf gegen die Pandemie die Kooperation mit anderen Ländern bei der Forschung, Entwicklung, Produktion und Verteilung von Impfstoffen verstärken. China wolle Entwicklungsländer unterstützen, indem Impfstoffe als "öffentliches Gut" zugänglich und erschwinglich werden.
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Der Gipfel war als Großereignis mit Tausenden Gästen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad geplant. Es wäre das erste Spitzentreffen der G20 in der arabischen Welt gewesen. Wegen der Corona-Krise konferieren die Staats- und Regierungschefs per Video.
Zahlreiche NGOs und Politiker hatten im Vorfeld dazu aufgerufen, den Gipfel nicht als PR-Kampagne für Saudi-Arabien durchgehen zu lassen, sondern zur Auseinandersetzung mit den zahlreichen Menschenrechtsdefiziten des Gastgebers zu nutzen, darunter die Situation der von der Todesstrafe bedrohten Jugendliche in Saudi-Arabien ein, die sich beispielsweise lediglich weigerten, für ihre Regierung Demonstranten auszuspähen. Vor allem die von Saudi-Arabien geführte Kriegsallianz im Jemen, welche aufgrund gezielter Luftschläge auf zivile Einrichtungen der Kriegsverbrechen beschuldigt wird, steht in der Kritik. Auch die Situation der Frauen im Land steht in starkem Kontrast zur Selbstinszenierung der Golfmonarchie. Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte vor dem Hintergrund des Gipfels weiterhin, dass Saudi-Arabien einer der "erfolgreichsten Kerkermeister für Journalisten" weltweit sei. Das Königreich schränke die Pressefreiheit so stark ein wie kaum ein anderes Land. Wegen ihrer Arbeit säßen dort 34 Journalisten derzeit im Gefängnis. Die französische Organisation verwies auch auf den brutalen Mord am regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018.
Saudi-Arabien steht wegen Menschenrechtsverletzungen immer wieder in der Kritik. Bundestagsabgeordnete mehrerer Fraktionen hatten Merkel vor dem Gipfel aufgefordert, bei der Videokonferenz die Menschenrechtslage in dem Golf-Staat zu thematisieren.
Das vom Gastgeber Saudi-Arabien ausgerichtete zweitägige G20-Gipfeltreffen endet am Sonntag. Gemeinsam repräsentieren die Mitglieder der G20 mehr als 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevölkerung.
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