Seit dem Rücktritt des langjährigen WTO-Generalsekretärs Roberto Azevêdo im vergangenen Jahr ist die Organisation ohne Vorsitz. Die Amtsgeschäfte werden zwischenzeitlich von vier Stellvertretern ausgeführt. Für die Nachfolgerwahl bewarben sich acht Kandidaten, von denen – basierend auf den Präferenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten – nach einem monatelangen Konsultationsverfahren durch drei WTO-Botschafter zwei Kandidaten herausgefiltert wurden: Die ehemalige nigerianische Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala und die südkoreanische Handelsministerin Yoo Myung-hee.
Erst am vergangenen Mittwoch empfahl ein Nominierungsausschuss der WTO den 164 Mitgliedsländern der Organisation, Ngozi Okonjo-Iweala als Nachfolgerin für Azevêdo zu ernennen. Die Ernennung eines neuen Vorsitzes erfolgt nach Konsensbildung und bedarf der Zustimmung der EU und USA sowie Chinas und Japans. Okonjo-Iweala, eine promovierte Ökonomin, genießt die Unterstützung aller EU-Staaten, zahlreicher afrikanischer Länder und anderer Staaten. Dennoch sprachen sich die USA für die Koreanerin Myung-hee aus.
In einer kritischen Erklärung äußerten sich Vertreter des Büros des US-Handelsvertreters, welches US-Präsident Donald Trump in Fragen der Handelspolitik berät, dass die Organisation einer Führung mit "echten praktischen Erfahrungen auf diesem Gebiet" bedürfe. Als Grund für die Unterstützung der koreanischen Kandidatin gab die Erklärung den schlechten und reformbedürftigen Zustand der WTO an.
Dies ist eine sehr schwierige Zeit für die WTO und den internationalen Handel. In 25 Jahren gab es keine multilateralen Tarifverhandlungen, das Streitbeilegungssystem ist außer Kontrolle geraten und zu wenige Mitglieder erfüllen grundlegende Transparenzverpflichtungen. Die WTO braucht dringend umfassende Reformen.
Die Erklärung erwähnte weder auch nur ein einziges Mal die nigerianische Kandidatin noch spezifische Gründe dafür, weshalb sich die USA einer Kandidatin verschließen, die zuvor mehrere Jahre in führender Position für die Weltbank gearbeitet hatte. Der Sprecher der Welthandelsorganisation, Keith Rockwell, bestätigte derweil, dass lediglich ein Land die Auswahl von Okonjo-Iweala nicht unterstützt.
Alle Delegationen, die heute ihre Ansichten zum Ausdruck brachten, haben den Prozess sehr stark unterstützt … für das Ergebnis. Bis auf einen.
Die WTO hat ein Treffen für den 9. November einberufen, um Gründe für den mangelnden Konsens zu erörtern. Der Einspruch der USA bedeutet zwar nicht, dass die Nigerianerin nicht ernannt werden kann, jedoch könnte Washington erheblichen Einfluss auf die endgültige Entscheidung ausüben. Jüngst sollen die Amerikaner dennoch angedeutet haben, weshalb sie die Ernennung von Okonjo-Iweala ablehnen. Man benötige jemanden, der sich mehr in Handelspolitik als in Entwicklungspolitik auskenne.
Die 66-jährige Okonjo-Iweala war in ihrem Heimatland die erste Frau, die das Amt des Finanz- und Außenministers ausübte. Des Weiteren hat sie bereits eine 25-jährige Karriere als Entwicklungsökonomin bei der Weltbank hinter sich. Sollte sie zur neuen Generalsekretärin ernannt werden, wäre sie nicht nur die erste Frau in dieser Position, sondern auch die erste Person vom afrikanischen Kontinent.
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