Moneten, Krieg und "Werte": Der Kampf um das neue Sturmgewehr der Bundeswehr

Ein neues Sturmgewehr soll für die Bundeswehr her, aber der bisherige Lieferant Heckler & Koch wurde ausgebootet. Der Zuschlag für die kleine Thüringer Waffenschmiede C. G. Haenel wirft Fragen auf, denn sie ist Eigentum eines Rüstungskonzerns aus Abu Dhabi. Die VAE aber sind am Krieg im Jemen beteiligt.

60 Jahre lang setzte die Bundeswehr auf Sturmgewehre von Heckler & Koch. Damit soll bald Schluss sein, denn in einem Bieterverfahren zog die Firma den Kürzeren. Die Neubewaffnung der Bundeswehr von 120.000 Sturmgewehren soll nun die kleine Waffenschmiede C. G. Haenel aus Suhl in Thüringen übernehmen. Doch der Branchenprimus H&K zieht nun alle juristischen Register, um den Auftrag doch noch für sich an Land zu ziehen.

Das Verteidigungsministerium hatte Mitte September überraschend entschieden, den Auftrag über bis zu 245 Millionen Euro an den kleinen Konkurrenten C. G. Haenel vergeben zu wollen. Das war eine Sensation innerhalb der Branche. Der Auftragswert entspricht mehr als dem 35-Fachen des (bisherigen) Jahresumsatzes der C. G. Haenel GmbH, die 2018 noch mit 9 Mitarbeitern auskam.

Die Heckler & Koch AG belieferte die Bundeswehr bisher mit dem G36 und hatte für die Lieferung der neuen Sturmgewehre zunächst 235 Millionen Euro verlangt. Dann senkte man den Preis auf 179 Millionen Euro. Laut Verteidigungsministerium war das Haenel-Angebot trotzdem noch einmal um 50 Millionen Euro günstiger. Preisdumping ist jedoch bei öffentlichen Aufträgen illegal.

Aus dem Verteidigungsministerium hieß es, dass die Eigentumsverhältnisse der bietenden Unternehmen rein rechtlich bei der Auswahl keine Rolle spielen dürften. Allein die Qualität und der Preis des Angebotes hätten aufgrund des Ausschreibungsrechts bei der Vorentscheidung berücksichtigt werden dürfen.

Laut einem dem Business Insider vorliegenden Geheimbericht erhält "Haenel für die Lieferung von 18.718 Sturmgewehren des Modells MK 556 inklusive Zubehör rund 152 Millionen Euro, inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer". Das ergibt eine Angebotsdifferenz von 27 Millionen Euro.

Auf die Vertragslaufzeit von rund neun Jahren gerechnet bedeutet das: Die Bundeswehr gibt jedes Jahr gerade einmal drei Millionen Euro mehr aus für Haenel. Pro Jahr muss das Unternehmen maximal 20.000 Gewehre liefern", heißt es weiter.

Nun stellt sich demzufolge die Frage, ob der Preis der Thüringer überhaupt die eigenen Kosten deckt. Dazu wollte sich die Haenel GmbH nicht äußern.

Der Empfehlung des Verteidigungsministeriums, Haenel den Zuschlag zu geben, muss der Bundestag noch zustimmen – dies könnte aber frühestens nach Ende des Rechtsstreits zwischen H&K und dem Bundesverteidigungsministerium auf der Tagesordnung stehen. 

Die Sache hat einen weiteren, bemerkenswerten Haken: Hinter der kleinen Firma mit bisher nicht einmal einem Dutzend Mitarbeiter steht das Unternehmen Caracal International LLC mit Sitz in Abu Dhabi. Dieses gehört wiederum zum staatlichen Rüstungskonglomerat EDGE Group der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Caracal ist in diesem Konzern für das Segment Kleinwaffen zuständig.

Die VAE wiederum sind bekanntlich einer der Hauptakteure des Krieges im Jemen, der 2015 durch eine saudische Militärintervention begann und bis zur größten humanitären Katastrophe der letzten Jahrzehnte geführt wurde und wird. Der Erwerb von 120.000 Sturmgewehren für die Bundesrepublik Deutschland von einer Firma im Besitz eines autokratischen "Regimes", das einen erbarmungslosen Krieg mit bereits Tausenden von zivilen Opfern führt, will (erneut) nicht mit der eigenen, hierzulande vielzitierten "wertebasierten" Politik zusammenpassen.

Jetzt regt sich erster zaghafter Widerstand aus den Reihen der Politiker:

Wir sollten bei sicherheitsrelevanten Firmen generell etwas genauer hingucken, wer Anteile erwirbt, und problematische Beteiligungen frühzeitig unterbinden", erklärte nun der verteidigungspolitische Sprecher der SPD Fritz Felgentreu.

Es handelt sich um jenen SPD-Verteidigungsexperten, der vor wenigen Tagen zu Protokoll gab, dass eine Bewaffnung von Bundeswehrdrohnen "zum Schutz der eigenen Soldaten" nun doch mit dem Einverständnis der SPD zu machen sei.

Aus den Reihen der (christlichen) Union hat man ohnehin kein Problem mit den Eigentümern der Haenel GmbH aus den Vereinigten-Arabischen-Emiraten und mit deren Krieg im Jemen. CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn etwa erklärte, die Theorie, wonach Deutschland mit dem Kauf der Sturmgewehre den Krieg im Jemen unterstütze, halte er "für sehr weit hergeholt".  

Eigentlich sind deutsche Rüstungsexporte in jene am Jemenkrieg beteiligte Staaten offiziell verboten, auch wenn man längst Wege gefunden hat, derlei Verbote zu umgehen. Bei indirekten Waffenimporten aus solchen Ländern will man offensichtlich erst recht kein Problem sehen.

Für den Stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Karl Lamers (CDU), kommt es ohnehin des Öfteren vor, "dass Investoren aus aller Welt an solchen Unternehmen beteiligt sind". Im Mittelpunkt stehe, "dass unsere Soldaten ein gutes Gewehr bekommen und dass der Preis gut ist".

Aus den Reihen der Opposition erntete das Bundeswehrvorhaben erwartungsgemäß laute Kritik. Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner etwa ist überzeugt, dass Deutschland mit dem Kauf der Haenel-Sturmgewehre "den Krieg im Jemen finanzieren" würde.

Es geht nicht um die Firma Haenel als solche, sondern darum, dass wir Transparenz über die Eigentumsverhältnisse und den Verbleib des Gewinns benötigen. Wenn der Gewinn für den Bundeswehrauftrag im Unternehmen verbleiben sollte, ist das weniger bedenklich", erklärte Lindner.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann empfindet bei der Connection zwischen Haenel und dem Rüstungskonglomerat aus Abu Dhabi "ein starkes Störgefühl".

Aufgrund zahlreicher Konflikte und jeder Menge Ölmilliarden gehört der Nahe Osten zu den lukrativsten Rüstungsmärkten weltweit. Die EDGE Group aus Abu Dhabi steht wiederum stellvertretend für das staatlich forcierte Vorhaben, die Vereinigten Arabischen Emirate als global gefragten Technologiestandort für die "Zeit nach dem Öl" zu etablieren. Ein neuer Multimilliarden-Markt.

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