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WWF: Zwei Drittel weniger Arten in nur 50 Jahren

Der jüngste WWF-Report ist schockierend: Der Artenrückgang bei den unterschiedlichsten Wirbeltieren auf der Erde beträgt knapp 70 Prozent. Günter Mitlacher, Leiter internationale Biodiversitätspolitik beim WWF, sprach über das Thema mit RT Deutsch.
WWF: Zwei Drittel weniger Arten in nur 50 JahrenQuelle: Reuters © Kenny Katombe

Der Niedergang vieler Tierbestände weltweit setzt sich laut einer Untersuchung des World Wide Fund For Nature (WWF) seit Jahrzehnten unvermindert fort. Der Schwund bei rund 21.000 beobachteten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien zwischen 1970 und 2016 beträgt im Durchschnitt 68 Prozent. Das geht aus dem "Living Planet Report 2020" hervor.

Wir verlieren die Vielfalt des Lebens auf der Erde", sagte der Vorstand Naturschutz beim WWF, Christoph Heinrich, der dpa.

Als besonders gefährdete Tiere nennt der WWF den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo, Lederschildkröten in Costa Rica und Störe im Jangtse – bei den Letztgenannten liege der Rückgang seit 1970 bei 97 Prozent. In Deutschland sind laut Heinrich zum Beispiel Rebhuhn und Kiebitz von massiven Bestandsrückgängen betroffen. Diese beiden stünden nur stellvertretend für die Vogel- und Insektenarten in der Agrarlandschaft. Hintergrund sei die landwirtschaftliche Nutzung.

Es ist die 13. Ausgabe des Reports zur weltweiten Biodiversität seit 1998. Einbezogen wurden Bestände von mehr als 4.400 Wirbeltierarten, darunter bedrohte und nicht bedrohte. 

Naturzerstörung und -überbeanspruchung schreiten laut Report in beispielloser Geschwindigkeit voran. Die Entwicklung sei "extrem besorgniserregend". Besonders schlechte Werte weist der Bericht für die Tropen aus. Lateinamerika stehe "herausragend schlecht" da.

Sie haben über 90 Prozent ihrer Tiere verloren", sagte Heinrich mit Blick auf die dort untersuchten Arten.

In Europa liegt das Minus laut Bericht bei 25 Prozent. Die stärksten Eingriffe in die Landschaft seien hier vor 1970 und damit vor Beginn des Untersuchungszeitraums geschehen, erklärte Heinrich den vergleichsweise guten Wert. Wie es im Report heißt, liegen die meisten Orte ohne menschlichen Fußabdruck in nur wenigen Ländern: Russland, Kanada, Brasilien und Australien.

"Das System ist krank"

Günter Mitlacher, Leiter internationale Biodiversitätspolitik beim WWF, fordert im Gespräch mit RT Deutsch

Es muss endlich ein Systemwechsel angegangen werden, insbesondere in der weltweiten Agrarpolitik, aber natürlich gerade in der EU-Agrarpolitik. Das System ist krank, und kein Beteiligter ist zufrieden – die Landwirte nicht, die Verbraucher nicht, die Natur und Umwelt nicht.

Auch muss sich laut Mitlacher die Ernährungsweise ändern, "weg von zu viel Billigfleisch, das die Regenwaldabholung auf den Teller bringt". Deshalb soll ein wirksames Lieferkettengesetz in Deutschland und in der EU beschlossen werden, das dies verhindert.

Noch gravierendere Entwicklungen als aus Regenwäldern fänden in Feuchtgebieten wie Mooren statt, sagte WWF-Vorstand Heinrich der dpa. Bei den dort lebenden untersuchten Arten liege der Rückgang durchschnittlich bei mehr als 80 Prozent. Gründe seien zum Beispiel, dass Wasser häufig für die Bewässerung der Landwirtschaft entnommen werde oder Flüsse zur Gewinnung von Elektrizität angestaut würden. Das Anstauen etwa verändere alles für Fische, Muscheln und andere Organismen.

Untersucht wird im Bericht nicht das Aussterben von Arten. Aber auch das Schwinden von Beständen ist nicht harmlos: Es gehe um Lebensgrundlagen, betonte Heinrich, um Ökosysteme wie sauerstoffliefernde Wälder und fruchtbare Böden zum Beispiel. "Boden ist keineswegs nur Sand." Unheimlich viele Organismen, auch Pilze, Würmer und Insekten, wirkten zusammen und seien so Basis für den Anbau unserer Nahrung.

Eine traurige Bilanz in Prozenten

Laut Deutschem Tierschutzbund sind 83 Prozent der wild lebenden Säugetiere, 80 Prozent der Meeressäuger, 50 Prozent der Pflanzen und 15 Prozent der Fische bereits von unserem Planeten verschwunden, seitdem der Mensch auf der Erde regiert. Für über 80 Prozent der Regenwald-Abholzung in Brasilien ist das Erschließen neuer Weideflächen für die Zucht und Haltung riesiger Rinderherden verantwortlich. Rund 3.000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald wurden allein von Januar bis Ende Juni 2020 zerstört.

Auf Borneo sind mehr als 100.000 Orang-Utans in den letzten 16 Jahren für Palmöl-Plantagen gestorben. 77 Prozent des globalen Agrarlandes werden für den Konsum von Fleisch, Milch und Eiern benötigt – Tendenz steigend.

Dies alles sind nur einige Beispiele für die vielen Folgen unseres übermäßigen Konsums.

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(rt/dpa)

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