Neben Russland und einigen weiteren "Schurkenstaaten" ist es seit geraumer Zeit China, das der transatlantischen Gemeinschaft den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Angst hat man offiziell jedoch nicht etwa vor dem unaufhaltsamen wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Chinas. Nein, man leidet vermeintlich unter anderem mit den Bürgern von Hongkong und fürchtet, dass das hohe Gut der "Menschenrechte" durch Peking ganz allgemein zunehmend ausgehebelt wird. Und wer weiß auch schon, was es mit der Herkunft des Coronavirus tatsächlich auf sich hat?
Höchste Zeit also, diesem undurchsichtigen und finsteren Treiben einen Riegel vorzuschieben und die Kräfte des Guten gegen die chinesische Regierung in Stellung zu bringen. Dazu bedarf es jedoch eines koordinierten und parteiübergreifenden Vorgehens. Denn wenn es gegen China geht, gibt es keine kleinlichen parteipolitischen oder ideologischen Differenzen mehr, oder eher gesagt, es darf diese Animositäten nicht mehr geben. Ganz vorne mit dabei die ehemalige "Friedenspartei" Bündnis 90/Die Grünen – gemeinsam gegen China, dann hat der Tag Struktur.
Am vergangenen Freitag war es dann so weit. Die partei- und ressortübergreifende "Inter-Parlamentarische Allianz zu China" (Inter-Parlamentary Alliance on China - IPAC) erblickte das schummrige Licht der westlichen Gedankenwelt.
Ein parteiübergreifendes Bündnis von Gesetzgebern aus acht Parlamenten wurde heute beschlossen, um auf eine stärkere europäische und internationale Zusammenarbeit in der China-Politik zu drängen.
Diese Zeilen stammen von Reinhard Bütikofer, seines Zeichens Mitglied des Europäischen Parlaments der Partei Bündnis 90/Die Grünen und jetzt auch IPAC Co-Vorsitzender.
Die Gründung einer derartigen Parlamentarier-Pressure Group hatte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer schon im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeschlagen", informiert die Nachrichtenseite German Foreign Policy.
Für die transatlantischen Grünen ist ansonsten noch Margarete Bause als Bundestagsabgeordnete Teil von IPAC. Neben den Grünen reiht sich für Deutschland noch der CDU-Abgeordnete Michael Brand in die Reihen derjenigen ein, die China Paroli bieten wollen.
Insgesamt fanden sich bislang 26 Abgeordnete der transatlantischen Gemeinschaft für die vermeintlich gerechte Sache als Co-Vorsitzende der Allianz zusammen. Das Europäische Parlament vertritt neben Bütikofer, die konservative slowakische Abgeordnete Miriam Lexmann. Letztere ist der Überzeugung, dass die Außenpolitik der EU gegenüber der Volksrepublik China "wertebasiert" sein müsse, wenn die EU nach innen und außen glaubwürdig sein solle.
Um den Risiken zu begegnen, die von Chinas autoritärer und durchsetzungsstarker Politik ausgehen, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU und die politischen Entscheidungsträger erkennen, dass unsere Werte unsere Politik nicht behindern – aber eine Politik, die unsere Werte ignoriert, schon", ist Lexmann überzeugt.
Permanent kommen weitere Abgeordnete hinzu, um sich im Namen der westlichen Werte gegen China zu positionieren. Bei IPAC handelt es sich in der Tat um ein Stelldichein der besonderen Sorte. Wenn es gegen China geht, ist man vereint – als westliches Bollwerk gegen die Mächte der Finsternis.
Neben antichinesischen Hardlinern wie den US-Abgeordneten Marco Rubio und Bob Menendez als treibende Kräfte hinter den Kulissen, sind auch Persönlichkeiten wie der britische Konservative Iain Duncan Smith, als Gründer dieser Allianz, und dessen Labour-Kollegin Baroness Helena Kennedy mit von der Partie. Für ein solch höheres Ziel haben sie ihre vermeintlichen politischen Differenzen überwunden.
Fügen Sie der Liste führende Politiker von links und rechts aus Kanada, Neuseeland, Australien, Schweden, Norwegen und Japan hinzu, und Sie haben eine der geografisch und politisch abwechslungsreichsten Koalitionen aller Zeiten", heißt es zu dem transatlantischen Rendezvous bei The Diplomat.
Doch worum geht es den vermeintlich mutigen Streitern für die "Menschenrechte" konkret?
Die Europäische Union investiert seit Langem in die Zusammenarbeit mit China, um zur Modernisierung des Landes beizutragen und seine Rolle als verantwortungsbewusster Akteur auf internationaler Ebene zu fördern. Wir hoffen nach wie vor, dass China seine Rolle als fairer Partner bei den notwendigen multilateralen Anstrengungen zur Bewältigung gemeinsamer globaler Herausforderungen findet", heißt es dazu auf der Webseite von Reinhard Bütikofer zunächst schwülstig.
Nach dieser Nebelkerze wird es im nächsten Satz ernst:
Das heutige China ist jedoch ein systemischer Rivale unserer Demokratien und stellt für uns eine geopolitische Herausforderung dar, die wir nicht ignorieren können.
Einerseits singt also just die "Wertegemeinschaft" das hohe Lied von "Fairness" und "Multilateralismus", denen China nichts abgewinnen könne. Andererseits spricht man jedoch wesentlich gradliniger von China als "Systemrivalen" und "geopolitischer Herausforderung", der es sich zu stellen gilt. Letzteres ist die Richtung, aus der der Wind tatsächlich weht. Deutlicher kann man wohl nicht vermitteln, worum es den vereinten Transatlantikern alles in allem geht.
Selbstkritik angesichts der zahllosen, gerne auch völkerrechtswidrigen, und auch von den Grünen mitgetragenen Interventionen im Namen der "Menschenrechte"? Fehlanzeige.
Insgesamt hat man sich fünf ambitionierte Ziele gesetzt, denen man als transatlantische Gemeinschaft offensichtlich vollkommen genügt. Die Ziele lauten demzufolge: Schutz des Völkerrechts und Gewährleistung, dass China die Standards der internationalen Rechtsordnung einhält; Wahrung der Menschenrechte und Gewährleistung, dass diese Anliegen in allen Beziehungen zu China gebührend berücksichtigt werden; Förderung der Fairness im Handel; Stärkung der Sicherheit und Förderung einer verantwortungsvollen Entwicklung durch den Schutz der Schwellenländer vor Investitionen oder Krediten aus China, die ihre nationalen Interessen oder Institutionen gefährden.
Doch wie gesagt, appelliert die transatlantische Gemeinschaft hier nicht etwa an sich selbst, sondern ist offenbar der festen Überzeugung, China über "Fairness", das "Völkerrecht" und den "Schutz der Schwellenländer" belehren zu müssen. Schwellenländer von denen viele als ehemalige Kolonien von denjenigen geplündert und beherrscht wurden, die nun mit dem Finger Richtung Peking zeigen, anstatt den Blick in den Spiegel zu richten.
Noch etwas dicker trägt die genannte Grünenabgeordnete Bause auf. Das IPAC-Ziel sei demnach, "die gemeinsamen Werte, die darauf und auf internationalen Regeln basierende Ordnung und die Universalität der Menschenrechte verteidigen!"
Gemeinsam werden wir für Strategien werben, um koordiniert von unseren Regierungen eine kohärentere und konsequentere China-Politik in allen Bereichen auf Basis der Unverhandelbarkeit der Menschenrechte, einzufordern", heißt es bei Bause.
Selbstverständlich kommt auch sie ohne jegliche kritische Reflexion über die Machtpolitik der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft aus.
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