Antony Blinken ist ein erfolgreicher Regierungsbeamter der Vereinigten Staaten von Amerika. Er arbeitete bereits von 1994 bis 2001 als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates von Bill Clinton, von 2002 bis 2008 als Direktor der Demokraten im Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten, bevor er dann Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joe Biden wurde. Von 2009 bis 2016 diente er als Vizeaußenminister der Vereinigten Staaten von Amerika.
Jetzt bereitet sich Blinken auf die nächste große Aufgabe vor. Als wichtigster außenpolitischer Berater von Joe Biden, dem wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten im Duell mit Präsident Donald Trump, wird er maßgeblichen Einfluss auf den außenpolitischen Kurs der USA haben, sollte Biden gewinnen. Bei einem Auftritt in der TV-Sendung Face The Nation von CBS News sprach Blinken insbesondere über Syrien und das "Versagen" der Obama-Regierung, an dem er sich selbst eine Teilschuld gibt.
Damit meint er insbesondere die vermeintliche Schwäche Barack Obamas, dass er trotz der selbst gezogenen roten Linie nicht militärisch eingriff, als es zu einem Giftgasangriff in Ghuta kam, der der syrischen Regierung angelastet wurde. Blinken meinte, dass dadurch eine "schreckliche Situation wohl noch schlimmer gemacht wurde".
Aber auch Trumps Syrienpolitik kritisierte er. Zwar sei der Fokus auf den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) und die Verdrängung des iranischen Einflusses richtig gewesen. Gleichzeitig habe Washington aber paradoxerweise dem Iran zu viel politischen Einfluss zugestanden, nachdem sich Russland und die Türkei als relevanteste staatliche Akteure in Syrien etabliert hatten, weshalb diese bei der Neugestaltung des vom Krieg gebeutelten Landes über entsprechenden Einfluss verfügen. Mit am Tisch sitze da eben auch der Iran, wie der Astana-Prozess gezeigt habe.
Diese Entwicklung sei auf Kosten der USA geschehen, was selbst mit der (illegalen) Präsenz von US-Truppen nicht aufgehalten werden konnte. Trump habe sich auf die Absicherung von Ölfeldern konzentriert, was aber falsch sei, sagte Blinken. "Sie sollten dort nicht wegen des Öls sein."
Das bedeute aber nicht, dass ein Präsident Biden die US-Truppen aus Syrien abziehen werde. Ganz im Gegenteil. Die Tatsache, dass sie sich "in der Nähe" der Ölfelder befinden, sei sogar ein strategischer Vorteil:
Das ist ein Druckmittel, weil die syrische Regierung gerne die Kontrolle über diese Ressourcen haben würde. Wir sollten das nicht einfach so aufgeben.
Blinken stellte klar, was er damit meinte. Es geht ihm darum, dass die USA wieder eine Rolle bei der Ausarbeitung von Syriens Zukunft spielen, nachdem Washington von Moskau, Ankara und nicht zuletzt auch Teheran herausgedrängt wurde. Die Vereinigten Staaten hätten "größere Kapazitäten als irgendein anderes Land auf der Welt", um entsprechende Hilfe für den Wiederaufbau Syriens zu mobilisieren.
Wir sollten sicherstellen, dass wir irgendetwas im Namen des syrischen Volkes erhalten, wenn wir diese Rolle übernehmen. Wenn beispielsweise Idlib noch immer belagert wird, muss das aufhören. Wenn humanitäre Hilfe nicht durchgelassen wird, muss sie durchkommen. Und wir sollten auch jeglichen Hebel benutzen, den wir haben, um darauf zu bestehen, dass es irgendeine Art von politischem Übergang gibt, der die Wünsche des syrischen Volkes reflektiert.
Auf die Frage, ob das bedeute, dass Biden eine Normalisierung der Beziehungen zu Baschar al-Assad verfolgen würde, erwiderte dessen Top-Berater:
Diese Vorstellung ist nahezu unmöglich für mich.
Damit zeigt sich, dass auch unter einer möglichen Präsidentschaft Bidens das alte Mantra "Assad muss weg" weiter Bestand haben würde, wie es bereits Obama gefordert hatte. Die USA wollen beim Wiederaufbau des zerstörten Landes eine Rolle spielen, mit Milliardenaufträgen für US-Unternehmen. Die syrischen Ölfelder sollen als Faustpfand behalten werden, um die künftige Regierung in Damaskus – ohne Assad – dazu zu bewegen, den USA im Austausch für ihre eigenen natürlichen Ressourcen eine größere Rolle beim Wiederaufbau ihres Landes zuzugestehen.
Ein weiteres Mittel auf dem Weg dahin ist der "Caesar Act", ein von den Demokraten entworfenes und von Trump unterschriebenes Gesetz, mit dem ab dem 17. Juni zusätzliche Sanktionen verhängt werden können. Damit werden insbesondere "ausländische Personen" ins Visier genommen, die in "signifikanter" Weise die syrische Regierung unter Assad unterstützen, oder jene, die "im Auftrag Russlands oder des Iran" in Syrien handeln. Damit möchte Washington just jene Länder vom Wiederaufbau des zerstörten Landes ausschließen, die die größte Last im Kampf gegen den von einigen westlichen und arabischen Ländern unterstützten islamistischen Terror in Syrien tragen mussten.
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