Anomalie: Magnetfeld der Erde wird örtlich schwächer – möglicher Vorbote für einen Polsprung?

Eine Anomalie des Erdmagnetfeldes, die sich seit 200 Jahren als fortschreitende Abschwächung über dem Südatlantik zeigt, könnte sich jetzt in zwei Bereiche aufspalten, melden ESA-Wissenschaftler. Das könnte der Vorbote für einen baldigen, längst überfälligen Polsprung sein.

Die ESA (Europäische Weltraumorganisation) hat mittels ihrer Satelliten der Erdbeobachtungsmission SWARM eine ungewöhnliche Abschwächung im Magnetfeld der Erde untersucht. Und es scheint, dass sich diese seltsame Anomalie, welche man als die Ursache hinter der Abschwächung vermutet, jetzt weiterentwickelt und sogar in zwei Gebiete aufspaltet.

Das unerklärliche Phänomen  – Südatlantische Anomalie genannt – besteht in einer verminderten Stärke des Erdmagnetfeldes in einem Seegebiet, das sich von Südamerika bis Südwestafrika erstreckt.

Noch beschränken sich die Auswirkungen dieser Anomalie auf häufiger werdende technische Fehlfunktionen an Bord von Raumfahrzeugen und Satelliten im Orbit. Doch das Magnetfeld der Erde schirmt die Oberfläche unseres Globus vor Sonnenwinden und kosmischer Strahlung ab und ist daher zusammen mit unserer Atmosphäre, die uns vor dem täglichen Bombardement durch Asteroiden schützt, ein weiterer kritischer Teil unseres "planetaren Verteidigungssystems" gegen lebensfeindliche kosmische Einflüsse.

Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) berichtete Anfang des Monats über die gesammelten Daten ihrer Satellitenmission SWARM. Die jüngsten Messwerte zeigen, dass sich unweit von Westafrika eine zweite, ähnliche Anomalie herausbildet. Derzeit sind die mit dieser neueren Entwicklung verbundenen Wirkungen und eventuellen Risiken jedoch noch nicht hinreichend erforscht.

In den letzten 200 Jahren hat das Magnetfeld der Erde insgesamt bereits rund neun Prozent an Intensität verloren. Doch der Löwenanteil dieser Entwicklung entfällt auf die letzten 50 Jahre, also auf den Zeitraum seit 1970. Die gemessene Mindeststärke fiel in seither von etwa 24.000 Nanotesla auf 22.000 – was eine enorme Beschleunigung der Veränderung darstellt. Gerade bezüglich dieser Anomalie stellt Dr. Jürgen Matzka vom Deutschen Forschungszentrum für Geowissenschaften, ein Spezialist für Geomagnetismus, fest:

Das neue östliche Minimum ist in den letzten zehn Jahren in den Anomalien des Südatlantiks aufgetreten und hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt.

Schwankungen an sich sind beim Geomagnetismus etwas Normales: Das Erdmagnetfeld wird nämlich durch elektrische Ströme erzeugt wird, die ihrerseits von den Fluktuationen der umherwirbelnden Massen an flüssigem Eisen im äußeren Kern unseres Planeten herrühren und daher Schwankungen unterliegen. Die ursprüngliche Südatlantische Anomalie hingegen zeigte seit ihrer Entdeckung stetig fortschreitend eine Abschwächung, und ihr Zentrum bewegt sich obendrein mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km pro Jahr westwärts. Die Wissenschaft ist bislang schuldig geblieben, die Ursachen dafür vollständig zu erklären. Die Spaltung der Anomalie in zwei Gebiete fasziniert deshalb aktuell umso mehr. Jürgen Matzka kommentiert:

Wir haben das große Glück, dass sich die Schwarmsatelliten im Orbit befinden, um die Entwicklung der südatlantischen Anomalie zu untersuchen. Die Herausforderung besteht nun darin, die Prozesse im Erdkern zu verstehen, die diese Veränderungen antreiben.

Das rege Interesse der Wissenschaft an derartigen Phänomenen erklärt sich dadurch, dass das Erdmagnetfeld alle paar hunderttausend Jahre seine Pole umkehrt, wobei während der Umkehrphase ein Schutz vor kosmischer Strahlung und vor Sonnenwind, den nur das Erdmagnetfeld bieten kann, zeitweise vollständig wegfällt. Eine solche Umkehrung, genannt Polsprung, wird aber jetzt als längst überfällig eingeschätzt. Die unerklärliche magnetische Anomalie über dem Atlantik in jüngster Zeit mag ein Zeichen für einen in Kürze bevorstehenden Polsprung sein. Oder aber es handelt sich hierbei um vorübergehende, nur kurz anhaltende Umpolungen, die Exkursionen genannt werden.

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