Nach seiner Ablösung als Geheimdienstkoordinator der US-Regierung will Richard Grenell noch vor der Präsidentenwahl in den USA am 3. November auch seinen Posten als Botschafter in Berlin räumen. Seine Amtsgeschäfte wird dann voraussichtlich vorübergehend Robin Quinville übernehmen, die seit Juli 2018 Gesandte an der Botschaft und damit Stellvertreterin Grenells ist.
Grenell war im Februar überraschend von US-Präsident Donald Trump nach Washington berufen worden, um kommissarisch den Posten des Geheimdienstkoordinators zu übernehmen. Hintergrund war, dass der bis dahin geschäftsführende Koordinator Joseph Maguire bei Trump in Ungnade gefallen war und zurücktrat, weswegen eine schnelle Zwischenlösung gefunden werden musste. Am vergangenen Donnerstag wurde der Kongressabgeordnete John Ratcliffe vom Senat als Koordinator für die 17 Geheimdienste bestätigt und soll am kommenden Dienstag vereidigt werden.
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Damit endet eine dreimonatige Amtszeit Grenells. Dass er nun auch seinen Botschafterposten abgeben will, kommt nicht ganz überraschend. Zwar hatte Grenell im Februar noch erklären lassen, dass er Botschafter bleiben wolle. Zwei Wochen später berichtete das US-Online-Magazin The Daily Wire aber dann, Grenell habe dem Weißen Haus seine Rücktrittsabsicht mitgeteilt. Eine offizielle Bestätigung gab es damals allerdings weder vom Weißen Haus noch aus der Botschaft in Berlin.
USA: Politischen Ziele weiter aggressiv vorantreiben
Auch jetzt sagt die US-Vertretung noch nichts zu den Zukunftsplänen Grenells. Sie erklärte nach der Bestätigung Ratcliffes am Freitag lediglich, der Botschafter habe auch während seiner Zeit als Geheimdienstkoordinator die Regierungspolitik mit Blick auf Deutschland vertreten.
Wie wir schon gesagt haben, als er für diesen Posten ernannt wurde, werden wir die zentralen politischen Ziele weiterhin als Teil einer einheitlichen Regierungsarbeit aggressiv vorantreiben."
Entsprechend nutzte Grenell in den vergangenen Tagen seine Funktion in gewohnter Manier mit Verkündungen darüber, welche Politik er für deutsche Minister als angebracht erachtet und welche nicht. Statt den Rückzug aus dem Militärabkommen "Open Skies" zu kritisieren, solle Berlin Druck auf Moskau ausüben, forderte Grenell.
"Russland hat sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr an das 'Open Skies'-Abkommen gehalten", behauptete der US-Diplomat in einem Interview mit der Rheinischen Post (Samstagausgabe). "Anstatt sich über die Reaktion der USA zu beklagen, hätte Heiko Maas in den letzten Jahren den Druck auf Russland erhöhen sollen, seinen Verpflichtungen nachzukommen."
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Die USA hatten Anfang dieser Woche ihre Absicht angekündigt, sich aus dem 2002 in Kraft getretenen Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies Treaty, OST) zurückzuziehen, was mehrere NATO-Verbündete in Europa verunsicherte.
Unter denen, die die Beibehaltung des multilateralen Abkommens von 2002 forderten, welches Überwachungsflüge über den Gebieten seiner Unterzeichner erlaubt, war auch Bundesaußenminister Heiko Maas. Der deutsche Spitzendiplomat schlug Alarm, dass der drohende Rückzug der USA den Geltungsbereich des Vertrags "erheblich einschränken" würde, und fügte hinzu, Berlin werde "intensiv" mit "gleichgesinnten Partnern" zusammenarbeiten, um den USA in den kommenden sechs Monaten einen Ausstieg aus dem Vertrag auszureden. Gleichzeitig betonte Maas, Russland sei aufgerufen, zur vollen Umsetzung des Vertrages zurückzukehren.
Der Vertrag erlaubt NATO-Staaten und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts die gegenseitige militärische Luftüberwachung und bietet den Mitgliedern die Möglichkeit direkter Begegnungen zur Schaffung von Transparenz über militärische Entwicklungen.
In einer gemeinsamen Erklärung hatten die Außenminister von zehn EU-Ländern auf die entscheidende, vertrauensbildende Funktion des OST verwiesen. Auch der Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, wies darauf hin, dass der Vertrag, der seit 2002 mehr als 1.500 Beobachtungsflüge über verschiedenen Ländern ermöglicht hat, "Transparenz und Vorhersehbarkeit bietet".
Früher im Mai hatte Grenell von Deutschland gefordert, mehr für die sogenannte nukleare Teilhabe innerhalb der NATO zu tun und auf "Verpflichtungen gegenüber seinen Bündnispartnern" verwiesen, nachdem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland verlangt und dafür Rückhalt von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans erhalten hatte. Grenell gilt als extrem loyal zu Trump und rühmt sich immer wieder eines guten Drahtes ins Weiße Haus. Über Twitter schickt er gerne Bilder mit dem Präsidenten in der Air Force One oder teilt mit, dass er gerade mit ihm telefoniert habe. Aufgrund seiner rabiaten Art gab es Forderungen, Grenell zur "unerwünschten Person" zu erklären, auch außerhalb des politischen Berlins gab es freudige Reaktionen auf die Ankündigung, dass Grenell Berlin als Botschafter verlässt. Auch angesichts der bevorstehenden US-Präsidentenwahl ist unklar, ob erneut eine lange Periode ohne US-Botschafter in Deutschland folgt. Bevor Grenell vor zwei Jahren in Berlin akkreditiert wurde, war der Posten 15 Monate vakant - so lange wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg.
(reuters / dpa / rt deutsch)
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