Die hochrangigen Vertreter Washingtons suchten sich ausgerechnet den achtzehnten Jahrestag des von den USA unterstützten Putsches gegen die Regierung Venezuelas aus, um dem venezolanischen Präsidenten unmissverständlich klarzumachen, dass es eng für ihn werde:
Das Ziel ist es Maduros illegitime Diktatur durch eine legitime Übergangsregierung zu ersetzen, die freie und faire Wahlen abhalten kann, um alle Venezolaner zu vertreten. Es ist Zeit für Maduro, zu gehen", wusste US-Außenminister Mike Pompeo zuletzt zu berichten.
Am Samstag, dem 11. April, also genau 18 Jahre nachdem die USA einen kurzzeitig erfolgreichen Putsch gegen Hugo Chavéz unterstützt hatten, war es der US-Gesandte für Venezuela und Spezialist in Sachen Regime-Change, Elliott Abrams, der Maduro unverhohlen drohte.
Falls dieser sich der Einsetzung der sogenannten "Übergangsregierung" widersetze, werde die ohnehin unvermeidliche Entwicklung noch weitaus "gefährlicher und abrupter" erfolgen. Demnach werde es nun noch "mehr Druck auf Caracas durch die Vereinigten Staaten und ich denke andere [Staaten, Anm. d. Red.] geben" erklärte Abrams.
Es sei Washington zudem vollkommen klar, dass Maduro nicht auf die Drohungen eingehen werde, so Abrams weiter. Doch das eigentliche Ziel der US-Botschaften seien ohnehin die venezolanischen Regierungsvertreter und Mitglieder der bolivianischen Streitkräfte.
Unsere Hoffnung besteht darin, dass so viele Leute (...) innerhalb der [venezolanischen, Anm. d. Red.] sich den Plan ansehen und vielleicht sagen werden: "Nun gut, Maduro muss die Macht aufgegeben, aber wir werden vernünftig behandelt", fasste Abrams bei einem Briefing des Center for Strategic and International Studies zusammen.
Bislang gelang es Washington nicht die Loyalität des Militärs und der politischen Führung zu Maduro entscheidend zu untergraben.
Der Ausdruck "Übergangsregierung" wird von der US-Regierung immer wieder gerne verwendet. Auch die bolivianische Regierung unter Jeanine Áñez, die im November dank eines von den USA unterstützten Putsches gegen Präsident Evo Morales an die Macht kam, wird vom Weißen Haus als solche bezeichnet. Diese vermeintliche Regierung pro tempore klammert sich seither mit allzu brachialen Methoden an die Macht. Hunderte Aktivisten und indigene Menschenrechtler verloren während massiver Unruhen bereits ihr Leben. Die vermeintlichen "freien Wahlen" lassen seither auf sich warten.
Maduros Wunsch das Schicksal Venezuelas in die Hände Washingtons zu legen, scheint derweil begrenzt zu sein.
Wir werden uns (selbst) um Venezuela kümmern. Herr Abrams, kühlen Sie Ihre Jets ab", gab sich Maduro zuletzt unbeugsam.
Zuletzt verschärften die USA ihre unilateralen Sanktionen gegen Venezuela ein weiteres Mal und bezichtigten Maduro und einige seiner engsten Regierungsvertreter des Drogenhandels, um demnach die USA mit Kokain zu "destabilisieren". Der vermeintliche institutionalisierte Drogenhandel Venezuelas diente zuletzt auch als Begründung dafür, dass regionale US-Truppenkontingent massiv aufzustocken und Kriegsschiffe an die Küsten Venezuelas zu entsenden.
Maduro ist sich der Geschichte von "Regierungswechseln" in seinem Land bewusst, war er doch Teil der Gegenbewegung, die im Jahr 2002 die Putschregierung unter Pedro Carmona wieder aus dem Präsidentenpalast in Caracas fegte.
Dokumente die unter dem Freedom of Information Act zur Einsicht freigegeben wurden, belegen demnach, wie die Putschisten sich im Vorfeld des Staatsstreichs in Washington die Klinke in die Hand gaben, um sich der Unterstützung Washingtons zu vergewissern und Instruktionen zu erhalten.
Verlassen konnten sich die venezolanischen Verschwörer demzufolge auch auf die wohlwollende finanzielle Unterstützung durch staatsnahe Organisationen wie dem National Endowment for Democracy (NED) und der USAID (United States Agency for International Development). Deren monetäre Förderung der "Freiheitskämpfer" vervierfachte sich demnach im Jahr 2002. Flankiert wurden die Umsturzpläne, die ihren Höhepunkt am 6. April 2002 erfuhren, von Behauptungen, wonach der venezolanische Präsidenten Hugo Chavez "die eigene Bevölkerung" habe massakrieren lassen und am Ende zurückgetreten sei.
Seit dem missglückten Regime-Wechsel gibt Washington keine Ruhe mehr, um die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (Partido Socialista Unido de Venezuela) endgültig von der Macht zu entfernen. In Konsequenz wurden sowohl die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2013 als auch im Jahr 2018 für unrechtmäßig erklärt. Insbesondere letztere Wahl gilt als eine der am besten von internationalen Beobachtern dokumentierten Urnengänge überhaupt und wurde daraufhin für rechtmäßig befunden.
Auch die US-Sanktionen wurden ein ums andere Mal verschärft, was nach Erkenntnissen des UN-Experten Alfred de Zayas den Tod von 100.000 Venezolanern zur Folge hatte. Es war auch Zayas der das Sanktionsregime Washingtons als "mittelalterliche Belagerung" bezeichnete und US-Präsident Trump der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezichtigte.
Die Rolle des zwielichtigen und neokonservativen Elliot Abrams im Bestreben eine "Übergangsregierung" in Caracas zu installieren spricht Bände. Es war Abrams der unter Ronald Reagan im Vorfeld und während der US-Interventionen in El Salvador, Nicaragua und Guatemala im Hintergrund die Fäden zog. Seine Rolle im Rahmen der Iran-Contra-Affäre brachte ihm unter anderem den Spitznamen "contra commander-in-chief" ein. Dutzende Millionen US-Dollar flossen in die nach Ansicht Abrams "enorm erfolgreiche" Unterstützung der rechten Paramilitärs im Kampf gegen die linke Regierung Nicaraguas.
Das Ziel unserer Hilfe ist es, Leuten die auf unserer Seite kämpfen zu erlauben, mehr Gewalt auszuüben", erklärte der US-Republikaner im Jahr 1985.
Auch die Vertuschung des berüchtigten El Mozote-Massakers in El Salvador geht auf Abrams Kappe. Im Dezember des Jahres 1981 tötete eine von Washington bewaffnete und trainierte Todesschwadron des salvadorianischen Militärs auf grausamste Weise 800 Menschen in dem Dorf El Mozote, unter ihnen vor allem Frauen und Kinder. Vor dem US-Senat diskreditierte Abrams entsprechende Berichte als "nicht glaubwürdig" und für "Propaganda".
Seit ihn Trump Anfang 2019 zum Sondergesandten für Venezuela ernannte, widmet sich der Experte mit der fragwürdigen Reputation hartnäckig der Transition in Venezuela. Wie US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, trage "Abrams für alle unsere Maßnahmen die zur Wiederherstellung der Demokratie [in Venezuela, Anm. D. Red.] notwendig" seien die Verantwortung.
Auch wenn die Drohungen des Duos Pompeo und Abrams in Richtung Caracas in ihrer Offenheit doch immer wieder verblüffen, sind sie für die Venezolaner doch alles andere als neu. Seit nunmehr zwei Jahrzehnten werden ähnliche Forderungen und Drohungen immer wieder laut.
Nachdem der selbsternannte venezolanische Übergangspräsident und US-Protégé Juan Guaidó bislang damit gescheitert war, die Regierung Maduro zu stürzen, scheint man sich in Washington jetzt wieder eines gröberen Werkzeugs zu besinnen.
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