Etwa 50 bereits genesene Patienten im südkoreanischen Daegu wurden erneut positiv auf COVID-19 getestet. Daraufhin leiteten die KCDC (Korea Centers for Disease Control and Prevention – koreanischer Epidemiedienst) eine Untersuchung darüber ein, ob die Menschen irgendwie erneut infiziert wurden oder ob es bei ihnen zu Rezidiven durch eine Art "Restinfektion" kam. In diesem Zusammenhang zitiert das Nachrichtenportal Bloomberg den Generaldirektor des KCDC, Jeong Eun-kyeong:
Obwohl wir einer Reaktivierung des Virus als einer möglichen Ursache mehr Gewicht beimessen, führen wir zu dieser Sache eine umfassende Studie durch.
Ähnliche Fragen stellt sich sein US-Kollege Dr. Ali Khan, Epidemiologe und Professor für Gesundheitswesen am University of Nebraska Medical Center:
Reaktivierung von SARS2019p?
Bei 51 genesenen Patienten ist der Test positiv: Reinfektion, Reaktivierung oder einfach nur verlängerte Ausscheidung von zu testenden Substanzen an der Nachweisgrenze, die beim Entlassungstest übersehen wurde? Diese Frage ist kritisch im Hinblick auf Immunität – zumal manche Länder vorschlagen, alle Menschen einfach zu impfen und dann weiterhin frei herumlaufen zu lassen.
Strategien zur Eindämmung der Pandemie auf einen Schlag entwertet?
Obwohl eine erneute Infektion bereits ein großes Problem wäre, ist eine Reaktivierung der Restinfektion die weitaus beunruhigendere Aussicht. Sie würde nicht nur Fragen zur Immunität gegen das Virus nach einer Genesung aufwerfen. Sie würde auch eine große Herausforderung für die auf der ganzen Welt angenommenen Eindämmungsstrategien darstellen. Wenn bei den Menschen, die als geheilt gelten, ein hohes Risiko besteht, dass sich COVID-19 reaktiviert, würde dies deutlich längere Quarantänezeiten und Verzögerungen bei der Wiedereröffnung von Betrieben, Geschäften und öffentlichen Räumen bedeuten.
Weitere Möglichkeiten sind fälschlicherweise positive Ergebnisse, wenn die Tests Rückstände einer Erstinfektion nachweisen, oder aber einen längeren "Abwurf" der Viruslast, der bei Entlassungstests ignoriert wurde, weil die Werte knapp unter dem Grenzwert lagen.
Südkorea galt bei vielen als eine Erfolgsgeschichte inmitten des durch die Pandemie gezeichneten düsteren Bildes. Dort schaffte man es bisher, die Gesamtzahl der Infektionen auf 10.400 und die Zahl der Todesopfer durch strenge Quarantäne, weit verbreitete Tests und Maßnahmen zur Kontaktverfolgung auf 204 zu begrenzen.
Genesen ohne Antikörper?
Weitere beunruhigende Nachrichten kommen aus China, wo es im Dezember letzten Jahres erstmals zur Erkrankung durch das neuartige Coronavirus kam. Ein Kollektiv von Wissenschaftlern der Fudan-Universität analysierte Blutproben von 175 Patienten, die aus einem Krankenhaus in Shanghai entlassen wurden. Man stellte fest, dass fast ein Drittel von ihnen "unerwartet niedrige" Antikörperwerte aufwies und in mindestens zehn Fällen sogar überhaupt keine Antikörper. Epidemiologen aus aller Welt zeigen sich beunruhigt:
Interessant: Vorläufige Daten aus Neutralisationstests bei genesenen COVID-19-Patienten. Es scheint, dass es nach einer Infektion hierbei ein breites Spektrum von Antikörperreaktionen geben kann (bis hin zum kompletten Ausbleiben). Es ist jedoch noch unklar, was dies im Hinblick auf das künftige Risiko erneuter Infektion bedeutet.
(Tabelle zeigt Verteilung von Patienten nach Menge der Antikörper von gering über mittel-gering und mittel-hoch bis hoch in Prozent sowie weitere Ergebnisparameter an.)
Dies ist sehr besorgniserregend. Unter den genesenen ehemaligen #COVID19-Fällen hatte "fast ein Drittel unerwartet niedrige Antikörperspiegel. In einigen Fällen konnten Antikörper überhaupt nicht nachgewiesen werden."
"Ob bei diesen Patienten ein hohes Risiko eines Rezidivs oder einer Reinfektion bestand, sollte im Rahmen weiterer Studien untersucht werden", erklärte das chinesische Kollektiv in einem am Montag veröffentlichten vorläufigen Forschungsbericht. Dieser wurde zwar bisher nicht von Fachkollegen begutachtet oder ausgewertet, doch die Autoren beanspruchen, sie hätten die weltweit erste systematische Untersuchung der Antikörperspiegel bei genesenen COVID-19-Patienten durchgeführt.
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Ferner beachtenswert: Alle untersuchten Personen waren nach verhältnismäßig leichtem Krankheitsverlauf genesen, und die meisten Personen mit niedrigen Antikörperspiegeln waren jung, in der Altersgruppe der 15 bis 39-Jährigen. Im Gegensatz dazu wiesen die 60 bis 85-Jährigen dreimal so viele Antikörper auf, so die Wissenschaftler.
Wenn nun einige Patienten gar keine Antikörper entwickeln, könnte dies ernsthafte Auswirkungen sowohl auf die Impfungen als auch auf die sogenannte Herdenimmunität haben. Erst recht trifft dies zu, wenn gerade bei jüngeren Mitgliedern der "Herden" das Immunsystem häufiger unterreagiert.
In China wurden offiziell seit dem Ausbruch des Virus in der Stadt Wuhan fast 83.000 Infektions- und 3.339 Todesfälle registriert. In den vergangenen Tagen wurden dort jedoch fast keine Neuinfektionen gemeldet, sodass ein Großteil der strengen Quarantäneauflagen aufgehoben werden konnte.
All dies zeigt, dass das Virus, mit dem bisher weltweit über 95.000 Todesfälle in Verbindung gebracht werden und das im vergangenen Monat fast die Hälfte der Menschheit in irgendeine Art von Quarantäne gezwungen hat, noch in vielerlei Hinsicht komplett unerforscht ist.
Angesichts der tiefgreifenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen sind Antworten auf diese offenen Fragen wichtiger denn je. Doch selbst in China sind die Behörden unsicher, wie sich die Lage langfristig entwickeln wird. Professor Wang Chen, ein leitender wissenschaftlicher Berater der chinesischen Regierung, formulierte es am Montag gegenüber der offiziellen Zeitung des chinesischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie, Science and Technology Daily, so:
"Wer weiß, ob dies zu so etwas wie einer saisonalen Grippe oder einer chronischen Krankheit wie Hepatitis B wird – oder aber einfach verschwindet, wie seinerzeit SARS?"
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